Tierseuche

Schweinepest: Was geschieht mit den toten Tieren?

Der Tierkörperentsorgungsbetrieb Secanim in Hüttenfeld holt aus infizierten Kadavern noch wertvolle Rohstoffe

Von 
Stephan Alfter
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Die Afrikanische Schweinepest bedroht die Tierbestände bei Schweinehaltern in der Region. © DPA

Bergstraße. Den Arbeitstag am Montagmorgen mit einem Termin in einer Tierkörperbeseitigungsanlage zu beginnen, mag für viele Menschen ein nicht unkluger Schachzug sein. Was die Bilder im Kopf betrifft, kann es dann im weiteren Verlauf der Woche zumindest kaum mehr schlimmer kommen – denkt man... .

Es ist die Afrikanische Schweinepest, die den Blick dieser Redaktion auf einen solchen Betrieb lenkt. Möchte man es knallhart und ultimativ nüchtern formulieren, so ist die Maschinerie, die hier vom international tätigen Unternehmen Secanim betrieben wird, nichts anderes als eine Müllverwertungsanlage für Tierleichen. Was am Ende des Recyclingprozesses steht, wird indessen so manchen überraschen. Dazu später mehr.

Josef Huppert, Niederlassungsleiter bei Secanim in Hüttenfeld. © Stephan Alfter

Josef Huppert ist 32 Jahre jung und seit zwei Jahren Leiter der Niederlassung von Secanim im südhessischen Hüttenfeld. Es ist für ihn das erste Mal, dass er mit der Afrikanischen Schweinepest beruflich konfrontiert ist, denn in seinem früheren Job in der Automobilbranche sprach man angesichts von Abgasskandalen nur hinter sehr vorgehaltener Hand von Schweinen. Bei Secanim ist Huppert dafür verantwortlich, dass Schweine, aber auch andere Tiere, im wahrsten Sinne des Wortes zu Brei verarbeitet werden, nachdem sie von speziell dafür vorgesehenen Transportern in schon leblosem Zustand hierher transportiert wurden. Huppert will gleich zu Beginn des Gesprächs mit einer Legende aufräumen.

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Sein Unternehmen sei nicht für die Tötung der Tiere zuständig. „Wir kratzen auch nicht Kadaver von der Fahrbahn“, sagt er. Vielmehr gebe es dafür Sammelplätze, die seine Kollegen zwischen Fulda und Lampertheim ansteuerten, um tote Tiere möglichst innerhalb von 24 Stunden nach deren Fund oder Ableben einer Entsorgung zuzuführen. So ist es mit dem Land Hessen per Auftrag vereinbart.

Mehr als 2000 Schweine in der Region mussten entsorgt werden

Üblicherweise handelt es sich bei den Transporten und der damit verbundenen Entsorgung nach Hupperts Darstellung zu 80 Prozent um Schlachtabfälle und nur zu 20 Prozent um sogenannte gefallene Tiere. Diese Quote habe sich in den vergangen Wochen aber etwas geändert.

Denn mit Auftauchen der Afrikanischen Schweinepest in Südhessen mussten beispielsweise in Stockstadt am Rhein und in anderen Gemeinden im Umkreis mehr als 2000 Schweine getötet und entsorgt werden, nachdem sie mit der ausschließlich für die Tiere gefährlichen Afrikanischen Schweinpest in Kontakt gekommen waren.

Fieberhaft versucht der Rhein-Neckar-Kreis in diesen Stunden ein Übertreten der Seuche – etwa durch eine Anleinpflicht für Hunde – in seine nördlichen Gemeinden zu verhindern. Nach sechs bis neun Tagen verenden infizierte Tiere normalerweise an der Schweinepest. Das tote Tier bleibe aber bis zu einem Jahr ansteckend, informiert Huppert und macht damit plausibel, warum Vorsichtsmaßnahmen sinnvoll sind.

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Logistisch hat sich die Aufgabe für Secanim deshalb leicht verändert, denn im Namen des Seuchenschutzes gelten verschärfte Vorgaben, die von den Veterinärmatern der betroffenen Kreise entworfen werden. Bei Hupperts Unternehmen mit den insgesamt 42 Fahrzeugen sorgt das lediglich für einen etwas anderen Routenablauf, aber grundsätzlich nicht für große Verwerfungen. Der Einsatz von BK2-Containern ist dabei üblich. Der Prozess, der vor sich geht, sobald die Tiere die Anlage in Hüttenfeld erreichen, ist dem üblichen Weg einigermaßen ähnlich, wenn man davon absieht, dass es eine weitere Desinfektion und Bedienstete in Einweganzügen gibt.

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Bilder davon lässt das Unternehmen nicht zu. Das gehöre zur Firmenpoltik, sagt Huppert, der uns an großen Schaltkästen vorbei führt. Auf einem ist dann doch ein Live-Videobild zu sehen, dass das Innere eines Drucksterilisators mitsamt den Kadavern zeigt. In großen Behältern beginnt hier der wesentliche Vorgang, denn der Kernprozess jeder Tierkörperbeseitigung ist die Drucksterilisation: Gemäß EU-Verordnung wird das Material bei einem Druck von drei bar und einer Temperatur von 133 Grad Celsius 20 Minuten lang behandelt. Von außen sehen die Behälter aus wie riesige Tanks. Der Geruch in der Halle lässt sich schwer charakterisieren.

Tote Tiere bleiben bis zu einem Jahr ansteckend

36 000 Tonnen an tierischen Überresten werden hier auf die beschriebene Art und Weise pro Jahr „recyclet“, wie Huppert sagt. Denn tatsächlich wird ein Teil der Kadaver für andere Zwecke wiederverwertet. Sind die Keime im Zuge der Drucksterilisation erstmal abgetötet, wird in einem weiteren Verarbeitungsprozess das im Material enthaltene Wasser verdampft und später einer Kläranlage zugeführt.

Anschließend wird das tierische Fett abgetrennt. Die Feststoffe werden getrocknet und dann gemahlen. Diese Feststoffe werden als Alternativbrennstoff in Kraftwerken und der Zementindustrie verwertet. Vorstellbar ist auch die Verwendung als Düngemittel oder als Teil neuer Tiernahrung. Die Fette werden an die Biodiesel-Industrie weitergegeben und dort zu einem nachhaltigen Biokraftstoff weiterverarbeitet, der nach Hupperts Worten auch als Flugbenzin genutzt werden kann.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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