Bensheim. Bereits zum vierten Mal konnten sich bei der Nacht der Ausbildung in Bensheim angehende Auszubildende am Freitagabend über das vielfältige Ausbildungsangebot in der Stadt informieren. Zehn Unternehmen nahmen an der Veranstaltung unter dem Motto „Entdecke Deine Zukunft“ teil. Von 17 bis 21 Uhr waren ihre Pforten für spontane Besucher geöffnet. Vor Ort servierten die Betriebe viel Wissenswertes über die Möglichkeiten betrieblicher Ausbildungen und dualer Studiengänge.
Als Ansprechpartner standen neben Ausbildern vor allem Auszubildende und Studierende zur Verfügung, die in Gesprächen und mit Praxisbeispielen aus erster Hand erläuterten, was der zu erlernende Beruf zu bieten hat. Das bot Einblicke in mehr als 40 Ausbildungsberufe, die für die Zielgruppe weitaus attraktiver sind als ein faktenreicher Frontalunterricht aus dem Munde gereifter Personalchefs. Die Berufsorientierungsmesse ist ein niederschwelliges Format, das ankommt – wenngleich die Resonanzen in diesem Jahr nicht mit jenen aus 2018 oder 2019 zu vergleichen sind. Damals wurden 13 Unternehmen mit zwei Shuttlebus-Linien angesteuert. Am Freitag begann der Abend insgesamt eher verhalten.
„Bei den Gesprächen zwischen Unternehmen und jungen Menschen geht Qualität vor Quantität“, so Katja Kramer am Abend. Die zuständige Projektmanagerin im Haus der Wirtschaft der Unternehmerverbände Südhessen (Geschäftsstelle von HessenMetall) kommentierte die Begegnungen an den einzelnen Standorten als authentisch und informativ für die jungen Menschen. „Einen Beruf oder ein Unternehmen zu erleben – das kann wirklich überzeugen. Und die beruflichen Möglichkeiten hier in Bensheim sind sehr vielfältig.“
Mit der Veranstaltung wolle man künftige Schulabgänger mit ganz unterschiedlichen Abschlüssen für eine Ausbildung oder ein duales Studium in der Region überzeugen und damit Fachkräfte für die Zukunft sichern. Das Format sei nicht nur ein schöner Rahmen für die lokalen Arbeitgeber, um sich vorzustellen, so Kramer. Es biete auch eine ideale Chance für Schüler und Eltern, um sich mit anderen über die berufliche Zukunft auszutauschen. Eine Win-Win-Situation für beide Seiten. „Die Vielfalt der Ausbildungsberufe sichert die Kompetenz und das Know-How in und für die Region. Sie ist damit ein elementarer Eckpfeiler der Fachkräftesicherung“, sagt auch Dirk Widuch, Geschäftsführer des Unternehmerverbands Südhessen.
Viele Schüler hatten ihre Bewerbungsmappen im Gepäck
Das Spektrum der vierten Ausgabe war facettenreich. Im sozialen Bereich wurden junge Leute im Heilig Geist Hospital fündig. Dort konnten sie sich über verschiedene Krankenpflegeberufe informieren. Am gleichen Standort war auch der DRK Rettungsdienst Bergstraße mit der Bensheimer Rettungswache präsent. Die Anlaufstelle gehörte am frühen Abend zu den höher frequentierten Stationen. „Die Gespräche sind gehaltvoll, die Jugendlichen sind überaus interessiert“, so Marisa Bergmann, eine frisch examinierte Pflegefachfrau. „Einige hatten schon Bewerbungsmappen mitgebracht.“
Unter den vielen Fragen der Besucher rangierten berufliche Inhalte und Perspektiven ganz vorn. Aber auch das liebe Geld war ein Thema. Für die Pflegewissenschaftlerin Franziska Franke ein legitimes Anliegen von jungen Menschen. Und die Vergütung für Pflegefachkräfte sei bereits im ersten Ausbildungsjahr mit 1100 Euro höher als viele meinen. In den beiden weiteren Jahren wird aufgestockt.
Bei der Sparkasse Bensheim tröpfelten die ersten Gäste erst später ein – ein heftiger Regenschauer hatte den Besucherstrom zusätzlich ausgebremst. „Wir haben erst mal gewartet, bis es trocken wurde“, so zwei Schüler aus Bensheim, die in der Interimsgeschäftsstelle des Instituts an der Wormser Straße hoch hinaus wollten – nicht nur beruflich, sondern auch physisch. In der obersten Etage hatten 15 Auszubildende die komplette Organisation übernommen. Ein erstklassiger Full-Service in puncto Berufsorientierung, der auch inhaltlich klug getaktet war: an verschiedenen Stationen durchliefen Gäste das komplette Spektrum der Sparkassen-Ausbildung im Dialog mit jungen Leuten auf Augenhöhe.
Die Berufswege gehen meist in den kaufmännischen Bereich oder – als leistungsstarker Abiturient – auch über ein duales Studium zum europaweit anerkannten Bachelor-Abschluss. Die Ausbildung gehört mit mindestens 1000 Euro im Monat zu den bestbezahlten in Deutschland, so Haris Ahmad, der momentan im ersten Lehrjahr in der Lorscher Dependence eingesetzt ist. „Man rotiert viel und lernt alles über Geld und Finanzen.“ Die sei privat und beruflich ein unbezahlbarer Vorteil. Ausbildungsreferentin Jasmin Müller vom Team Personalentwicklung betont die Karrierechancen, die durch die Option eines Besuchs interner Sparkassen-Akademien nach der Ausbildung noch attraktiver werden.
Der Personalbedarf in einigen Berufen ist groß
Weitere kaufmännische Berufe stellten die Firma Streit und die GGEW AG vor. Ausbildungsleiterin Melanie Heddäus und ein 15-köpfiges Team mit vielen Auszubildenden präsentierten den Energiedienstleister als vielseitigen Arbeitgeber – mit hohem Personalbedarf. Durch die Fusion mit der Energieried aus Lampertheim zum August 2023 entstehen neue Jobs, eine stärkere Wettbewerbsposition soll für Wachstum sorgen. „Wir wollen junge Leute ansprechen und die Perspektiven bei einem vielseitigen Arbeitgeber darstellen“, so Heddäus. Weil man nicht stark über den Bedarf ausbilde, bietet die GGEW bei guten Leistungen eine Übernahmegarantie für mindestens zwei Jahre an, was Einsteiger motiviere und ihnen ein gewisses Maß an Planungssicherheit biete.
Das Unternehmen öffnete am Freitag auch die Werkstatt, wo die technischen Sparten vorgestellt wurden. Die Azubis fertigten selbstständig ein anschauliches Modell eines Glasfaseranschlusses. Auch Elektroniker und Fachinformatiker gehören zum Personalportfolio des Dienstleisters. Fotograf Marc Fippel bot dort zudem professionelle Bewerbungsbilder an. Ein nicht unwichtiger Aspekt, um beim Unternehmen durch Ausdruck und Charisma einen guten ersten Eindruck zu machen.
Auch die größte Kita im Stadtgebiet war dabei
Über die Aufgaben der Erzieher und Erzieherinnen in der Kita der Stadt Bensheim am Berliner Ring informierte die stellvertretende Leiterin der Einrichtung. Lea Molitor führte Gäste durch die siebenzügige Kita, die mit einem teiloffenen Konzept arbeitet und mit 136 Plätzen die größte im Stadtgebiet ist. Besucher erfuhren alles über die zeitgemäße, qualitativ hochwertige Betreuung, die von vielen sportlichen Elementen, einer Sprachförderung sowie mit Werkraum und Atelier ausgestattet ist.
Für das Berufsziel Erzieher gibt es verschiedene Ausbildungswege: Der Klassiker ist eine vollzeitschulische Ausbildung, die einen hohen Praxisanteil aufweist. Daneben gibt es mittlerweile auch dualisierte Ausbildungsformen, bei denen der berufspraktische Teil der Ausbildung in die Gesamtausbildung integriert ist. Die Zugangsformen unterscheiden sich dabei je nach dem Schulabschluss. „Der Bedarf an Fachkräften ist weiterhin hoch“, sagte Lea Molitor. Mit dem Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz sind auch die Anforderungen an staatlich anerkannte Erzieher gewachsen.
Alle Informationen rund um IT-Berufe gab es bei der Firma Concat. Wer sich eher für technische Berufe interessiert, kam bei Dentsply Sirona, der Herbert-Gruppe oder bei Sanner auf seine Kosten. Judith Both, Director Human Resources, bilanzierte gegen kurz vor 20 Uhr eine gute Resonanz: viele Jugendliche kamen mit Eltern, um an einer Führung durch die Fertigung teilzunehmen und die Produkte des in Auerbach gegründeten Unternehmens in ihrer Kinderstube zu erleben. Teilweise waren sogar 13-Jährige dabei, die bereits ein reges Interesse gezeigt haben, so Both: „Wir haben viele tolle Gespräche geführt.“
Die Azubis und Studenten sprachen mit Besuchern, die oft nur wenig jünger waren. Die erfahrene Personalchefin lobte die Organisation der Veranstaltung und das authentische und offene Konzept, das auch dem Anspruch von Sanner entspreche. „Wir sind immer noch ein Familienunternehmen, und in diesem Selbstverständnis begegnen wir jungen Menschen.“ Man wolle die Persönlichkeiten kennenlernen und schaue deshalb nicht nur auf Schulnoten. Um einen potenziellen neuen Mitarbeiter zu gewinnen, müsse man tiefer gehen, so Both. Die Nacht der Ausbildung hat nicht nur auf beiden Seiten Interesse geweckt, sondern hier und da auch Türen aufgestoßen.
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