Infektionsschutz

Im Kreis Bergstraße erkranken wieder mehr Kinder an Masern

2024 wurden bereits vier Fälle gemeldet, in den vergangenen zehn Jahren waren es insgesamt nur elf. Im Landratsamt erkennt man noch keinen Trend: Die Ansteckungen geschahen innerhalb der Familie.

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Jörg Keller
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Ein Kinderarzt impft ein einjähriges Kind in den Oberschenkel gegen Masern. Eine Impfung ist unter anderem Voraussetzung für den Besuch einer Kita. © DPA

Bergstraße. Im Kreis Bergstraße sind nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) in diesem Jahr bereits vier Kinder an Masern erkrankt. Die Zahl mag auf den ersten Blick nicht sonderlich hoch erscheinen. Im Vergleich dazu, dass für die vergangenen zehn Jahre (seit 2014) insgesamt nur elf Ansteckungen registriert wurden, stechen die Fälle der vergangenen viereinhalb Monate schon hervor. 2023 wurde im Kreis eine Masernerkrankung gemeldet. Im Noch-Coronajahr 2022 mit den damals noch bestehenden Kontaktbeschränkungen und Maskenregelungen war es gar keine.

Der für das Gesundheitsamt zuständige Dezernent im Landratsamt Matthias Schimpf bewertet die in diesem Jahr für den Kreis Bergstraße gemeldeten Fälle dennoch als „in absoluten Zahlen zu wenige, um eine ungewöhnliche Trendentwicklung im Kreis feststellen zu können“. Insbesondere könne es bei Auftreten eines einzigen Falles im Umfeld ungeimpfter Personen schnell zu weiteren Infektionen kommen. Will heißen: Ein erkranktes Kind steckt Familienmitglieder oder Freunde an. Und handelt es sich nach Angaben aus dem Landratsamt bei den in diesem Jahr erkrankten Personen im Kreis um „ungeimpfte Schul- und Kindergartenkinder in familiärem Kontext“. Die Übersicht des RKI gibt das Alter der betroffenen Bergsträßer Kinder mit null bis vier Jahre (ein Fall), fünf bis neun Jahre (zwei Fälle) und 10 bis 14 Jahre (ein Fall) an.

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In Hessen sind nach Angaben des RKI in diesem Jahr bislang elf Masernfälle (Stand 7. Mai) gemeldet worden. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt lediglich zwei Fälle.

WHO meldet alarmierenden Anstieg der Fallzahlen in der EU

„Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die Zahlen der Masernerkrankungen aktuell europaweit wieder ansteigen“, stellt Schimpf jedoch fest. Schon im vergangenen Dezember berichtete die Weltgesundheitsorganisation WHO auf ihrer Webseite: „Die Europäische Region der WHO erlebt derzeit einen alarmierenden Anstieg der Zahl der Masernfälle. Zwischen Januar und Oktober 2023 wurden aus 40 der 53 Mitgliedstaaten in der Europäischen Region insgesamt über 30 000 Masernfälle gemeldet. Verglichen mit den für das Jahr 2022 gemeldeten 941 Fällen war dies eine Zunahme um das mehr als 30-fache.“

Diese Wiederausbreitung der Masern führt die WHO weitgehend auf rückläufige Impfraten in den Ländern der Europäischen Region von 2020 bis 2022 zurück. In diesem Zeitraum hatte die Covid-19-Pandemie erhebliche Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Impfsysteme und einen Anstieg der Zahl ungeimpfter und unzureichend geimpfter Kinder zur Folge.

Impfstatus und durchlebte Erkrankung werden erfasst

Laut der EU-Gesundheitsbehörde ECDC sind im Januar und Februar 2024 bereits sieben vom Masernvirus verursachte Todesfälle in der EU gemeldet worden – sechs in Rumänien und einer in Irland.

Zum Tode führen kann beispielsweise eine Gehirnentzündung, die als besonders schwere Komplikation der Masern auftreten kann, informiert die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Die Entzündung tritt bei etwa einem von 1000 Masernfällen auf. 10 bis 20 Prozent der Betroffenen sterben laut BZgA daran. Bei 20 bis 30 Prozent blieben schwere Folgeschäden wie geistige Behinderungen oder Lähmungen zurück.

Erklärgrafik zur Erkrankung mit Masern (Wiederholung); Querformat 135 x 115 mm; Grafik: S. Stein, Redaktion: K. Pepping © dpa

Der der hohen Gefährdung entsprechend streng sind auch im Kreis Bergstraße die Infektionsschutzmaßnahmen bei bestätigten Masernfällen. „Durch das Gesundheitsamt werden umgehend Ermittlungen mit den Zielen eingeleitet, möglichst die Infektionsquelle zu finden und die Weiterverbreitung der Krankheit zu verhindern“, erläutert Matthias Schimpf. Die erkrankten Personen oder deren Sorgeberechtigte werden kontaktiert, um potenziell ansteckungsverdächtige oder ansteckungsgefährdete Kontaktpersonen zu ermitteln. Hierunter fallen beispielsweise Personen, die ausreichend engen Kontakt zu dem infizierten Menschen gehabt haben, während dieser potenziell ansteckungsfähig war. Dabei werde vor allem auch der Impfstatus und/oder eine eventuell bereits durchlebte Masernerkrankung in der Vergangenheit erfasst. Auch die berufliche Tätigkeit einer Kontaktperson oder deren Aufenthalt in Kindergarten, Schule oder einer anderen Gemeinschaftseinrichtung werden überprüft. Gegebenenfalls würden hier – auch im Einzelfall – vorübergehend entsprechende Betretungs- oder Tätigkeitsverbote erlassen.

Wie sich Eltern verhalten sollen, wenn ihr Kind Masern hat

„Eltern können zu einem reibungslosen Verlauf und einer Minimierung des Risikos der Weiterverbreitung der Krankheit beitragen, indem sie ihr Kind nach einer bestätigten Masernerkrankung pflichtgemäß umgehend aus Gemeinschaftseinrichtungen wie Kitas, Schulen oder Ausbildungsbetrieben für die Dauer der Ansteckungsfähigkeit nach Hause holen“, betont Schimpf. Zusätzlich sollten Eltern auch Besuche ihrer erkrankten Kinder bei anderen Freizeitaktivitäten (zum Beispiel Sportverein oder Musikunterricht) unterbinden, so lange Ansteckungsfähigkeit besteht. Auch innerhalb der Familie sollte soweit möglich eine räumliche Trennung erfolgen – vor allem wenn Familienmitglieder selbst immungeschwächt oder ungeimpft sind.

In Kitas oder ähnlichen Einrichtungen für Kinder und Jugendliche sollte es eigentlich keine Kinder und Beschäftigten ohne Masern-Impfschutz mehr geben. Das am 1. März 2020 in Kraft getretene sogenannte Masernschutzgesetz (Paragraph 20 IfSG) schreibt nach Angaben aus dem Landratsamt vor: Alle nach 1970 geborenen Personen, die in einer Gemeinschafts- oder ähnlichen Einrichtung betreut werden, dort tätig oder dort untergebracht sind, müssen einen gültigen Nachweis gemäß Paragraph 20 IfSG – beispielsweise über einen vollständigen Masernimpfschutz – vorlegen. Kinder ab einem Jahr müssen mindestens eine Masern-Schutzimpfung (oder eine Immunität gegen Masern) nachweisen und können dann aufgenommen werden. Ab zwei Jahren muss der vollständige Masernschutz (zwei Schutzimpfungen) belegt werden. Personen, für die kein gültiger Nachweis vorgelegt werden kann, dürfen in den Einrichtungen nicht betreut, beziehungsweise beschäftigt werden. Eine Ausnahme wird aufgrund der gesetzlichen Schulpflicht beim Schulbesuch gemacht.

Verfahren wegen Ordnungswidrigkeit kann bei fehlenden Impfnachweisen eingeleitet werden

Dem Gesundheitsamt Kreis Bergstraße müssen Kinder und Jugendliche mit fehlendem Nachweis gemeldet werden. Das gilt auch, wenn Zweifel an der Echtheit oder der inhaltlichen Richtigkeit eines vorgelegten Dokumentes bestehen. Das Gesundheitsamt könne die betreffenden Personen zur Vorlage eines gültigen Nachweises auffordern. „Es kann auch ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet werden“, heißt es aus dem Landratsamt.

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Anders als zuletzt während der Coronapandemie gegen Covid 19 gibt es aktuell keine speziellen Masern-Impfaktionen im Kreis Bergstraße. „Im Rahmen der Tätigkeit eines mobilen Einsatzteams während der Corona-Pandemie wurden in Einrichtungen für Geflüchtete zeitweise für betroffene Personengruppen jedoch auch Impfangebote bezüglich Masern unterbreitet“, berichtet Matthias Schimpf.

Kindertagesstätten und Schulen würden immer wieder zum Masernschutzgesetz informiert sowie sensibilisiert. Das Gesundheitsamt stehe für Rückfragen zur Verfügung.

Redaktion Redakteur, Ressorts Lorsch, Einhausen und Region

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