Bergstraße. Auch im Kreis Bergstraße fehlt es an Wohnraum. Besonders rar sind Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen. Bei der Benennung des Problems sind sich wohl alle Kreistagsfraktionen einig. Bei der Lösungsfindung jedoch weniger. Mit ihrem Vorstoß, der Kreis möge eine eigene gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft gründen, konnte sich die SPD bei der letzten Sitzung des Jahres zumindest nicht durchsetzen. Die Koalition aus CDU und Grünen, sowie die Fraktionen von FDP und AfD lehnten den Antrag ab. Die Freien Wähler Bergstraße schlugen – erfolglos – vor, das Thema in einen Ausschuss zu verweisen.
Diskussionsstoff gäbe es zumindest genug, wurde während der intensiven Debatte im Kreistag deutlich. „Wohnen ist für uns ein Grundrecht“, erläuterte Marius Schmidt (SPD), warum seine Fraktion das Thema erneut aufs Tapet brachte, obwohl ein ähnlicher Antrag der Sozialdemokraten bereits 2022 abgelehnt wurde. Schmidt verwies auf Erhebungen, nach denen 3000 Wohnungen im Kreis fehlen. Dass es dennoch nicht dessen originäre Aufgabe sei, diese selbst zu bauen, sei den Sozialdemokraten durchaus bewusst.
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Die beantragte Baugesellschaft solle auch nur ergänzend kleine Städte und Gemeinden dabei unterstützen, weiteren Wohnraum zu schaffen. Dieser sollte nach Meinung der SPD bevorzugt bestimmten Bevölkerungsgruppen zugute kommen. In ihrem Antrag hatten die Sozialdemokraten Senioren, Beschäftigte des Kreises, Menschen mit pflegerischen oder erzieherischen Berufen und verdiente Ehrenamtliche angeführt. Außerdem könne eine kreiseigene Baugesellschaft daran mitwirken, weiteren Wohnraum für Geflüchtete zu schaffen. „Die Containerdörfer in den Kommunen zeigen, dass es auf dem freien Wohnungsmarkt nicht möglich ist, ausreichend Unterkünfte zu besorgen“, sagte Schmidt.
Rainer Burelbach (CDU) stimmte zu, dass es im Kreis am Wohnraum fehlt. Die Ursachen könnten jedoch nicht mit einer kreiseigenen Baugesellschaft beseitigt werden. Er führte eine ganze Palette an Gründen an, warum Wohnungen fehlten und gleichzeitig die Zahl der Baugenehmigungen im Landkreis seit zwei Jahren um 30 Prozent zurückgegangen sei. Wichtigster Punkt sei fehlendes Bauland. Bei der Regionalplanung habe das Thema keine Priorität. „Der Kreis selbst besitzt kein Bauland. Und wenn er welches kaufen würde, würde das die Preissteigerungen nur verschärfen“, so der Heppenheimer Bürgermeister.
Ohnehin seien die Baupreise seit zwei Jahren um 25 Prozent gestiegen. Der Kreis habe noch weniger Verhandlungsspielraum als Unternehmen. Schließlich müsse sich das Landratsamt an Europaiische Vergaberichtlinien halten, die in der Praxis jedoch nur wenig Sinn ergäben. „Bei 42 Prozent aller europäischen Ausschreibungen gibt es nur einen Bewerber, nur zwei Prozent der Aufträge werden international vergeben“, führte Burelbach an.
Auch immer mehr „Normen, Gesetze und Verordnungen“ bremsen seiner Ansicht nach den Wohnungsbau aus. Schon jetzt benötige ein Bauprojekt durchschnittlich 36 Monate Planungs- und 18 Monate Bauzeit. „Der Kreis wird sicherlich nicht schneller sein“, ist sich Burelbach sicher. Und günstiger komme er auch nicht weg. Schließlich könne das Landratsamt weniger öffentliche Förderung in Anspruch nehmen.
Landrat Engelhardt: „Der Staat kann nicht alles retten, indem er es selbst macht“
Das Gegenteil prognostiziert Norbert Schmitt (SPD). Eine gemeinnützige Gesellschaft würde seiner Auffassung nach bessere Fördermöglichkeiten und günstigere Zinsvorteile erhalten als private Bauherren. Bezahlbar wäre das für den Kreis als Eigentümer dennoch nicht, ist sich Christopher Hörst (FDP) sicher.
Er rechnete vor, dass ein Quadratmeter umbauter Raum 4000 Euro kosten. Allein, um für die dem Kreis zugewiesenen Flüchtlinge Wohnraum zu bauen, benötige eine Wohnungsbaugesellschaft 650 000 Millionen Euro. „Letztlich müssten wir eine Milliarde Euro aufbringen, um den benötigten Wohnraum zu schaffen.“ Der Antrag ist seiner Erachtens daher nicht finanzierbar. Würde man dem Antrag der SPD zustimmen, würde das letztlich zu großer Enttäuschung bei den Betroffenen führen. „Wir würden da Erwartungen wecken, die nicht umsetzbar sind.“
Karsten Bletzer (AfD) mutmaßte, dass der Antrag der SPD trotz der darin genannten Nutznießer nur darauf abziele, Wohnungen für Asylbewerber zu schaffen.
Landrat Christian Engelhardt sprach sich ebenfalls gegen den Antrag der SPD aus. „Der Staat kann nicht alles retten, indem er es selbst macht“, sagte er und verwies auf die Kosten, die eine kreiseigene Wohnungsbaugesellschaft verursachen würde. „Wir hätten dann im Kreishaushalt ein ganz anderes Volumen.“ Seiner Ansicht nach müssen die Rahmenbedingungen geändert werden, damit wieder mehr Wohnungen gebaut werden können. Wichtig sei etwa eine Entbürokratisierung.
Bruno Schwarz (Die Linke) wollte das nicht so stehen lassen. Der Kreis sei als Verwaltung auch für die Bürokratie verantwortlich. Geld, das man in den sozialen Wohnungsbau investiere, bekomme man zum Teil durch gesparte Sozialleistungen wieder herein.
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