Bergstraße. Zu seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause kam der Bergsträßer Kreistag am Montag in der Lorscher Nibelungenhalle zusammen. Und das zum letzten Mal an diesem Ort für längere Zeit: Denn der Bau aus dem Jahr 1963 wird demnächst für über 13 Millionen Euro saniert und modernisiert. CDU und Grüne hatten das Großprojekt jüngst erneut gegen die Kritiker des Vorhabens am Wingertsberg verteidigt.
Auch auf Kreisebene ging es jetzt um einen gemeinsamen Antrag der beiden Fraktionen. Über einen entsprechenden Prüfantrag wollen CDU und Grüne abklären lassen, ob künftig alle Kinder und Jugendliche aus dem Kreis ein freies Ticket zur Nutzung des Öffentlichen Nahverkehrs erhalten können – also auch jene, die aufgrund eines kürzeren Schulwegs bislang die Kriterien nicht erfüllt haben. Torsten Volkert (CDU) verwies in Lorsch auf die hessische Schulgesetzgebung, die einen Anspruch auf ein Schülerticket nur für Schüler vorsieht, die einen Schulweg von mehr als zwei Kilometern (Grundschule) oder drei Kilometern (Mittelstufe) zur nächstgelegenen Schule zurücklegen müssen.
Kinder werden benachteiligt
Mit der Ausdehnung des Schülertickets zu einem über die Schulwege hinaus gültigen Mobilitätsnetzticket (Maxx- und Hessenticket) und zu einem unbegrenzten Deutschlandticket sehen die Koalitionspartner die bislang gültige Einschränkung als veraltet an. Denn damit würden Kinder benachteiligt, die zufällig näher an ihrer Schule wohnen als andere. Selbst wenn es nur um hundert Meter mehr oder weniger gehe. Wer ein Anrecht auf ein Schülerticket hat, regelt letztlich das Hessische Schulgesetz, nicht der Kreis Bergstraße. Doch der Kreis als Schulträger hat entschieden, die Schülertickets in ein Deutschlandticket umzuwandeln. Gut für die Inhaber, doch alle anderen gehen weiter leer aus.
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Eric Tjarks (Bündnis 90/Die Grünen) spricht von einem landesweit ungerechten System. Die Bildungschancen junger Menschen dürften nicht durch die Kosten für Mobilität beeinflusst werden. Auch die anderen Parteien unterstützen den Vorstoß. Simone Reiners (SPD) sieht in gleicher Mobilität für alle mehr soziale Gerechtigkeit, und Christopher Hörst (FDP) hofft, dass künftig alle Schüler kostenfrei den ÖPNV nutzen können. Die Kritik am Schülerticket ist nicht neu: Seit Jahren bemängeln Elternvertreter eine Ungleichbehandlung im hessischen Schulgesetz. Denn wer das Ticket erhält, kann damit auch nach Schulschluss fahren – und spart damit viel Geld. Auch das Deutschlandticket kann in der Freizeit genutzt werden. Der Kreistag war sich einig, dass freie Mobilität für alle Schüler gelten soll. Das Land müsse hier nachbessern und für Gleichbehandlung sorgen.
Vorerst ein Mobilitätsplan
Um Nahverkehr ging es am Montag auch bei einem Antrag der Freien Wähler. Nach deren Auffassung sollte der Nahverkehrsplan des Kreises um sämtliche Angebote, Konzepte und Perspektiven der Mobilität erweitert werden und daher Nahverkehrs- und Mobilitätsplan heißen. Zudem sollen die Städte und Gemeinden früher in die Planung eingebunden werden als bisher, sagte Norbert Golzer. Und das auch über die Kreisgrenzen hinaus.
Man müsse Mobilität als Ganzes denken, so die Freien Wähler. Der ÖPNV vor Ort sei hier ein zentraler Bestandteil, weil er auf die Mobilität der Masse ausgerichtet ist. Im Ausschuss für Regionalpolitik, Infrastruktur und Nachhaltigkeit (ARIN) wurde der Antrag zuvor mehrheitlich abgelehnt. Im Kreistag prallte er ebenfalls an einer Mehrheit der Stimmen ab. Das war nicht für jeden nachvollziehbar.
Norbert Schmitt (SPD) sprach von einem inhaltlich harmlosen Antrag, der im Grunde genau das umzusetzen anregt, was in den Mobilitätsplänen und -konzepten in Hessen als Grundlage für eine nachhaltige Mobilitätsplanung in den Kommunen und Regionen definiert ist. Die Ablehnung der Koalition könne er deshalb nicht ansatzweise nachvollziehen. Der Nahverkehrsplan im Kreis, der noch bis 2024 gültig ist, müsse mit den Landesgesetzen korrespondieren – und genau darauf ziele der Antrag der Freien Wähler, so Christopher Hörst, der vorschlug, das Thema noch einmal sachlich im ARIN zu diskutieren. Ohne Erfolg.
Der bloße Hinweis auf ein kommunales Mobilitätsmanagement und die Information über verschiedene Bausteine des Managementsystems führen nicht weiter, begründete Golzer. Ein kommunales Mobilitätsmanagementsystem müsse grundsätzlich mit Zahlen, Daten und Fakten gefüllt sein. Dafür sei es nötig, alle im Bereich der Mobilität aktiven Organisationen und die Bürger in den Prozess einzubinden. Der Start zu einer zukunftsorientierten Nahverkehrs- und Mobilitätsplanung, die diesen Namen auch verdiene, könne etwa durch ein kreisweites Hearing stattfinden, bei dem Fachleute angehört werden, so die Freien Wähler.
Helmut Glanzner (CDU) kommentierte den Antrag mit „weder sinnvoll noch zielführend“. Sämtliche Aspekte würden auf Landesebene bereits geregelt. Zumal stünden Fördermittel auf dem Spiel, wenn der Kreis einen Sonderweg einschlagen würde, so Glanzner in Lorsch. Landrat Christian Engelhardt verwies auf die Neufassung des Nahverkehrsplans ab 2025. Dann werde man die kreisweite Planung mit den Landeskonzepten zur Mobilität verknüpfen. Zum jetzigen Zeitpunkt sei der Vorstoß der FW-Fraktion nicht sinnvoll.
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