Wirtschaft

Kreis nimmt bei der Studie für das Bibliser Kraftwerksgelände die Zügel in die Hand

Der Kreistag bewilligt zusätzliche 125.000 Euro als Vorfinanzierung, um eine Machbarkeitsstudie zur Entwicklung des Areals in Auftrag geben zu können.

Von 
Jörg Keller
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Aus dem ehemaligen Kernkraftwerk-Gelände in Biblis bieten sich große Entwicklungschancen. Eine Machbarkeitsstudie soll aufzeigen, was möglich und sinnvoll ist. © Berno Nix

Bergstraße. Es handelt sich um die mit Abstand größte gewerbliche Entwicklungsfläche im Kreis Bergstraße. Rund 100 Hektar werden insgesamt zur Verfügung stehen, wenn der Rückbau des ehemaligen Kernkraftwerks Biblis voraussichtlich Mitte der 2030er Jahre abgeschlossen ist. Was dort genau entstehen kann, das soll jetzt ermittelt werden. Der Kreistag hat in seiner vergangenen Sitzung mit großer Mehrheit eine überplanmäßige Ausgabe in Höhe von 125.000 Euro zur Finanzierung einer Machbarkeitsstudie für den sogenannten RWE-Industriepark beschlossen. Insgesamt soll diese Untersuchung 150.000 Euro kosten. 25.000 Euro hatte der Kreis bereits im Haushalt eingeplant. Die jetzt zusätzlich bereitgestellte Summe soll im Nachgang wieder als Einnahme verbucht werden: Erwartet wird eine Landesförderung in Höhe von 75.000 Euro. Die RWE Nuclear GmbH und die Gemeinde Biblis sollen sich jeweils mit 25.000 Euro beteiligen.

Eigentlich war geplant, dass die Gemeinde Biblis als Standortkommune die formale Trägerschaft des Projektes übernimmt und das Geld für die Machbarkeitsstudie vorstreckt. „Das Entwicklungspotenzial auf dem ehemaligen Kraftwerksgelände in Biblis ist so außerordentlich groß. Damit können wir die Gemeindeverwaltung Biblis nicht alleine lassen“, erläuterte Landrat Christian Engelhardt, warum der Kreis hier in die Bresche springt. Zwar könne man die Frage stellen, warum nicht auch andere Bergsträßer Kommunen bei ihrer Gewerbeflächenentwicklung in gleicher Art unterstützt werden. In Biblis handele es sich jedoch um eine absolute Ausnahmesituation.

Fraktion Die Linke/FWB befürchtet Verstoß gegen EU-Recht

Gegenstimmen gab es nur von der Fraktion Die Linke/Freie Wähler Bergstraße. Und das auch nicht aus inhaltlichen Gründen. Die Fraktion befürchtet, dass die Finanzierung der Machbarkeitsstudie gegen EU-Recht verstößt. Bezug genommen wird dabei auf den Artikel 107 des AEU-Vertrags. Hier heißt es: „Soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“ „Wir wollen nur Schaden vom Kreis abwenden“, sagte Fraktionsvorsitzender Bruno Schwarz.

Bei der Kreisspitze und den übrigen Fraktionen im Kreistag sieht man eine solche Gefahr jedoch nicht. Ein entsprechender Änderungsabtrag von Die Linke/FWB, die „die Zulässigkeit“ der Finanzierung im Vorfeld abzuklären, wurde abgelehnt. „Es geht bei dem Artikel 107 um unzulässige Beihilfen. Das ist hier nicht der Fall“, ist sich Walter Öhlenschläger, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, sicher. „Wir unterstützen eine Kommune und keine Unternehmen“, unterstrich das Christian Engelhardt. Und das ist nach Einschätzung von dem aus Biblis stammenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Josef Fiedler auch notwendig. „Die Gemeinde Biblis wäre mit einem solchen großen Projekt überfordert“, sagte er. Daher sei er persönlich besonders dankbar, dass der Kreis die Verantwortung übernommen hat.

Die Machbarkeitsstudie soll durch einen externen Dienstleister erstellt werden. Untersucht werden sollen sowohl der unmittelbare Standort des ehemaligen Kernkraftwerks wie auch angrenzende Flächen. Der Fokus soll nach Darstellung des Kreises auf nachhaltiger Entwicklung, neuen Arbeitsplätzen und einer Stärkung der regionalen Wirtschaftskraft liegen. Dabei sollen verschiedene Nutzungsoptionen analysiert werden. Bei der Bewertung sollen rechtliche, planerische und infrastrukturelle Rahmenbedingungen betrachtet werden. Ziel sei es, „konkrete Realisierungsszenarien zu entwickeln und den Standort langfristig als Innovations- und Technologiestandort zu positionieren.“ Die Machbarkeitsstudie soll bis Ende 2026 erstellt sein.

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Das Thema beschäftigt auch die Wirtschaftsförderung Bergstraße. Am liebsten hätte man auf dem Areal auch eine große Fläche für ein bedeutendes Unternehmen, sagte WFB-Geschäftsführer Matthias Zürker kürzlich bei einem Pressegespräch. Schließlich wolle man in vielen Bereichen, zum Beispiel bei der Herstellung von Batterien, mehr in Deutschland produzieren, um sich unabhängiger von globalen Lieferketten zu machen. Ein interessantes Unternehmen ist übrigens bereits in einem Gebäude auf dem Gelände untergebracht: Focused Energy, die an dem Thema Kernfusion forschen. „Es geht bei der Kernfusion um ein milliardenschweres Forschungsprojekt. Irgendwann soll ein Versuchsreaktor gebaut werden und Biblis könnte ein potenzieller Standort sein.“

Redaktion Redakteur, Ressorts Lorsch, Einhausen und Region

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