Immobilien

Viele Kommunen halten sich nicht an Grundsteuer-Empfehlungen

Seit diesem Jahr gelten die neuen Berechnungsgrundlagen für die Grundsteuer B. Eigentlich sollte damit keine Erhöhung der kommunalen Einnahmen einhergehen. Die einzelnen Kommunen der Bergstraße im Überblick.

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Die Grundsteuer B steigt seit einigen Jahren in vielen Städten und Gemeinden stark an. Auch 2025 wird es vielerorts teurer. Das belastet viele Immobilienbesitzer und Mieter finanziell. © DPA

Bergstraße. Wohnen im Kreis Bergstraße wird seit Jahren für zahlreiche Bürger teuer. Vielerorts erhöhen die klammen Städte und Gemeinden die Hebesätze der Grundsteuer B. Diese Abgabe wird für unbebaute und bebaute Grundstücke erhoben, die nicht der Land- und Forstwirtschaft zugeordnet sind. Hierzu zählen auch Eigentumswohnungen. Betroffen sind jedoch nicht nur Eigenheimbesitzer. Vermieter dürfen die Grundsteuer in voller Höhe auf die Mieter umlegen, vorausgesetzt im Mietvertrag ist die Zahlung von Nebenkosten festgehalten.

2024 lagen die Hebesätze der Grundsteuer B im Kreis Bergstraße durchschnittlich bei 596 Punkten (Quelle: IHK Steckbrief). Für dieses Jahr wurden die Sätze jedoch vielerorts angehoben. Eine Vergleichbarkeit vom aktuellen zum vergangenen Jahr ist aber ohnehin nicht einfach, da ab 2025 die Neuregelungen der Grundsteuerreform greifen. Damit einhergehen Neuberechnungen der für jede Immobilie individuell ermittelten Grundsteuermessbeträge. Diese werden zur Berechnung der Grundsteuer mit den Hebesätzen multipliziert. So kann es sein, dass bei manchen Immobilienbesitzern die zu zahlende Grundsteuer trotz gestiegener Hebesätze sogar günstiger ausfällt als im Vorjahr.

Keine Verpflichtung zur Umsetzung

Grundsätzlich gilt die Vorgabe, dass die Neuberechnung der Grundsteuermessbeträge den Kommunen kein zusätzliches Geld in die Kassen spülen soll. Daher hatte das Hessischen Finanzministerium im vergangenen Sommer individuelle und unverbindliche Hebesatzempfehlungen für die einzelnen Städte und Gemeinden herausgegeben, die diese aufkommensneutrale Umsetzung gewährleisten sollen. Für Bensheim wurde dabei beispielsweise ein Hebesatz von 616, 92 Prozent berechnet (gültiger Hebesatz 2024 war 620 Prozent). Weitere Empfehlungen für 2025 lauteten: Heppenheim 311,66 (Vorjahr 360); Lorsch 586,42 (Vorjahr 695); Einhausen 462,13 (Vorjahr 595); Zwingenberg 503,93 (Vorjahr 580); Lautertal 540,37 (Vorjahr 850); Lindenfels 607,12 (Vorjahr 870).

Verpflichtet, diese Empfehlungen umzusetzen, sind die Kommunen jedoch nicht. Wie in der Vergangenheit können die Hebesätze von den Gemeindevertretungen und Stadtverordnetenversammlungen frei festgelegt werden.

So sieht es in den Städten und Gemeinden des BA-Verbreitungsgebiets im Detail aus:

Bensheim

Die aktuelle finanzielle Situation Bensheims ist desaströs – das Defizit in Höhe von rund 40 Millionen Euro macht es erforderlich, neben Einsparpotenzialen auch neue Einnahmequellen zu generieren. Oder eben an Instrumenten wie der Grundsteuer zu schrauben. In der Stadtverordnetenversammlung im Dezember 2024 verständigten sich die Mitglieder auf den Nachtragshaushalt 2024 mit einigen Änderungen, ebenso wie auf das Haushaltssicherungskonzept. Einstimmig wurde ein gemeinsamer Änderungsantrag aller Fraktionen beschlossen, die Grundsteuer A auf 431 Punkte, die Grundsteuer B auf 617 Hebesatzpunkte festzulegen.

Damit gelten, bis wahrscheinlich im April dieses Jahres ein neuer – und das kommunizierten fairerweise alle Stadtverordneten direkt – wesentlich höherer Hebesatz der Grundsteuer B festgelegt wird, die aufkommensneutralen Hebesätze nach der Grundsteuerreform. Eine endgültige Entscheidung soll im Zuge der Haushaltsberatungen 2025 getroffen werden. Daraus ergibt sich dann rückwirkend zum Jahresbeginn die Anpassung. Wie hoch der Satz am Ende tatsächlich ausfallen wird, hängt davon ab, wie viel die Stadt an anderen Stellen einsparen kann. Vorgeschlagen hatten Magistrat und Verwaltung ursprünglich einen Hebesatz der Grundsteuer B in Höhe von 1740 Punkten – dies empfanden die Stadtverordneten allerdings geschlossen als unsozial und unsolidarisch gegenüber den Bensheimerinnen und Bensheimern. An erster Stelle für die Kursänderung der Stadt stehen für alle Fraktionen Einsparungen, nicht Steuererhöhungen.

Heppenheim

Die Kreisstadt agiert mit ihrer Hebesatzung 2025 entgegen dem Trend. In Heppenheim gilt für die Grundsteuer A für land- und forstwirtschaftliche Flächen ein Hebesatz von 395 Prozent (zuvor 360). Für die Grundsteuer B für bebaute Grundstücke sind nun nur noch 330 Prozent statt wie bisher 360 Prozent vorgesehen. Der Hebesatz sinkt also um 30 Prozentpunkte.

Zwingenberg

Die Zwingenberger Hebesätze für die Grundsteuer A und B liegen im aktuellen Jahr bei 580 Prozentpunkten. Die Zwingenberger Stadtverordnetenversammlung hatte sich im Oktober des vergangenen Jahres mehrheitlich dagegen entschieden, die von der Hessischen Steuerverwaltung als „aufkommensneutral“ berechneten niedrigeren Hebesätze einzuführen. Die Landesbehörde hatte vorgeschlagen für die Grundsteuer A den Hebesatz auf 445,75 Prozentpunkte zu senken. Für die Grundsteuer B hatte die Steuerverwaltung 503,93 Prozentpunkte vorgeschlagen.

Die Kalkulation der Finanzabteilung im Zwingenberger Rathaus ergab, dass die Absenkung der Hebesätze dem Stadtsäckel eine Mindereinnahme von knapp 8000 Euro (Grundsteuer A) beziehungsweise von fast 50 000 Euro (Grundsteuer B) bescheren würde. Der Magistrat stellte dazu seinerzeit fest: „Die Empfehlungen der Hessischen Steuerverwaltung sind von einer Aufkommensneutralität weit entfernt. Würde man diesen folgen, hätte die Stadt erhebliche Mindereinnahmen zu verbuchen.“

Weil die Hebesatzmitteilung aber lediglich einen Empfehlungscharakter habe, müsse die Stadt ihr auch nicht folgen. Eine Beibehaltung der Hebesätze von jeweils 580 Prozentpunkten führe zwar im Fall der Grundsteuer B dazu, dass die Stadt aller Voraussicht nach im Jahr 2025 rund 130 000 Euro mehr einnehmen werde, allerdings werde die Kommune das Plus auch gut gebrauchen können, meinte der Magistrat: Im Rathaus rechnet man mit „absehbar weiter steigenden Ausgaben bei gleichzeitig unsicherer Einnahmesituation“.

Lorsch

Die Lorscher Stadtverordnetenversammlung beschloss im Dezember, dass der Hebesatz für die Grundsteuer B unverändert – und somit hoch bleiben soll. Er wurde erst 2023 um 135 Prozentpunkte angehoben und liegt derzeit bei 695 Punkten. Mit Blick auf das Ziel eines genehmigungsfähigen Haushalts und das Defizit von rund zwei Millionen Euro im Ergebnishaushalt, wurde die Empfehlung des Landes Hessen für einen aufkommensneutralen Satz, der bei unter 600 Punkten gelegen hätte, abgelehnt. Die Beibehaltung des Hebesatzes erbringt dem Stadtsäckel einen Mehrertrag von rund einer halben Million Euro. Es könnte trotzdem noch Bewegung in die Grundsteuer-Sätze kommen, die noch vor dem Haushalt 2025 beschlossen wurden. Denn eine interfraktionelle Arbeitsgruppe berät bis zur Verabschiedung des Etats über Möglichkeiten, den Satz zu senken. Sie tagt in nicht-öffentlicher Runde.

Einhausen

Der Hebesatz der Grundsteuer A verbleibt in Einhausen zum 1. Januar bei 390 Punkten, jener der Grundsteuer B bei 595 Punkten. Das hat die Gemeindevertreterversammlung in ihrer Dezembersitzung beschlossen. 2024 war die Grundsteuer um 100 Punkte erhöht worden. Das Land hatte für 2025 für die Grundsteuer A einen Hebesatz von 310,65 Punkten und für die Grundsteuer B von 462,13 Punkten empfohlen.

Die Gemeinde verwies darauf, dass mit den empfohlenen Hebesätzen ein ausgeglichener Haushalt, wie von der Kommunalverwaltung vorgeschrieben, nicht zu verwirklichen sei: „Folgt man der Empfehlung, hat die Gemeinde Mindereinnahmen, welche an anderer Stelle wieder ausgeglichen werden müssen.“ Bürgermeister Helmut Glanzner verweist auf eine Reihe „externer Faktoren“, die die Gemeinde Einhausen zusätzlich finanziell belasteten, etwa die erhöhte Kreis- und Schulumlage, Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst und Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer.

Lautertal

Die Lautertaler Gemeindevertretung hat im Dezember einen Hebesatz von 650 Punkten für die Grundsteuer B beschlossen. Das Land Hessen hatte als aufkommensneutralen Satz 540 Punkte vorgeschlagen. Mit der Erhöhung wird Lautertal etwa 350 000 Euro im Jahr mehr einnehmen, wie Bürgermeister Andreas Heun schätzt.

Mit den Stimmen von CDU und Lautertaler Bürgerliste wurde wegen der schlechten Aussichten bei den Gemeindefinanzen der höhere Satz bereits vor der Beratung des Haushaltsplans beschlossen. SPD und Grüne wollten die Steuer erst mit dem Etat festlegen, planten jedoch auch eine Anhebung. Für 2026 werde Lautertal möglicherweise einen Hebesatz von 1000 Punkten bei der Grundsteuer B benötigen, schätzt der Bürgermeister. Aktuell liege der Bedarf eigentlich zwischen 850 und 900 Punkten.

Lindenfels

Die Finanzlage in Lindenfels ist prekär. Grund dafür sind sinkende Steuereinnahmen, gestiegene Personalkosten, die Erhöhung der Kreis- und Schulumlage und Kostensteigerungen im Bereich der Kindertagesstätten. Eine Erhöhung des Hebesatzes bei der Grundsteuer B war für die Stadtverwaltung daher alternativlos, denn nur so konnte ein genehmigungsfähiger Haushalt für 2025 sichergestellt werden. Im Dezember wurde von der Stadtverordnetenversammlung ein Hebesatz von 990 Prozent beschlossen – es war die erste Erhöhung seit 2020.

Ursprünglich hatte die Stadtverwaltung sogar einen Grundsteuer-B-Hebesatz von 1300 Prozent vorgeschlagen, um nicht die gesamten Rücklagen, die die Stadt derzeit noch hat, aufzuzehren. Damit konnten sich jedoch weder der Finanzausschuss noch die Stadtverordneten anfreunden, obwohl der Bürgermeister ausführlich dargelegt hatte, weshalb dieser hohe Hebesatz nötig gewesen wäre: „Die Ausgaben steigen deutlich schneller als die Einnahmen und bringen den städtischen Haushalt in eine drastische Schieflage“, mahnte Michael Helbig.

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Die Grundsteuer A verändert sich in Lindenfels nicht. Sie beträgt auch künftig 350 Prozent. Die hessische Steuerverwaltung hatte hier unter dem Aspekt der Aufkommensneutralität einen Hebesatz von 278,10 Prozent empfohlen.

Auf die Einführung der Grundsteuer C, mit der eine Besteuerung von baureifen, unbebauten Grundstücken möglich wäre, hatte die Stadt verzichtet, da der Verwaltung die Ressourcen zur Bearbeitung fehlen und auch keine sonderlich hohen Einnahmen dadurch generiert werden würden.

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