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Kies vor dem Kaiserdom für die Nibelungenfestspiele in Worms

Schauspielerinnen und Schauspieler agieren in diesem Jahr in einem beweglichen und 600 Tonnen schweren Bühnenbild

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bjz/ü
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So sieht er aus, der Kiesberg in Worms. © Bernhard Zinke

Worms. Die Asche besteht bei genauerer Betrachtung aus Kies. „Für die Profis: Es handelt sich um 2/8er Kies“, sagt Sebastian Bolz, der technische Leiter der Nibelungenfestspiele und grinst.

Die Kieselsteine sind also zwischen zwei und acht Millimeter groß. Sie türmen sich indessen zu meterhohen Bergen vor dem Nordportal des Wormser Kaiserdoms. Dazwischen glänzt grünlich ein kleiner Teich. „Da kommen die Tauben während unserer Proben mal gerne vorbei, um einen Schluck zu trinken“, sagt Mina Salehpour, Regisseurin des neuen Stücks der Wormser Nibelungenfestspiele, „See aus Asche“. Am Freitag, 11. Juli, findet die Premiere statt.

Die Nibelungenfestspiele haben in den vergangenen Jahren schon viele spektakuläre Bühnenbilder gehabt. Tiefe Gruben, aus denen Feuer loderte, ein riesiges Wasserbassin, in dem die Schauspielerinnen und Schauspieler – inklusive ihrer Mikrofone – untertauchten. Ein Dom, der mithilfe raffinierter Videotechnik erbebte. Diesmal ist also eine Kieslandschaft der Blickfang. 600 Tonnen hat ein Kieswerk aus der Region binnen einer Woche herangeschafft. Die Statiker haben die Last genau berechnet. Große graue Betonquader, die mit ihren Noppen aussehen wie überdimensionale Legosteine, bilden eine Stützwand. Diese verhindert, dass der „See“ aus Kies gegen den 1000 Jahre alten Dom schwappt und Schäden an dem Wormser Wahrzeichen anrichtet.

„Das Bühnenbild wird jeden Abend in Bewegung sein“, erläutert Regisseurin Salehpour. Und das sei so gewollt. Die Schauspieler werden ins Rutschen geraten und den Bühnenaufbau verformen. Aber warum ausgerechnet Kies? „Das Rheingold konnten wir uns nicht leisten. Und das hätte auch zu sehr geglänzt“, erläutert eine sichtbar gut aufgelegte Regisseurin bei der offiziellen Präsentation des Bühnenbildes. Als Alternative habe man ein Produkt gesucht, das typisch für die Region steht, und sei dann ziemlich schnell auf Kies gekommen. Der werde ja auch aus dem Rhein gefördert, in dem Hagen den Nibelungenschatz versenkte.

Die 600 Tonnen Kies sind übrigens nur geliehen

Salehpour mag echtes Material, mit dem man auf der Bühne umgehen kann, keine kaschierten Produkte, die in der Werkstatt nachgebaut werden und dann nicht authentisch wirken. Tatsächlich hatten Salehpour und Bolz mit anderen Festspiel-Verantwortlichen bei einem Ortstermin im Kieswerk alle möglichen Kiessorten getestet. Er durfte nicht zu feinkörnig sein, damit der aufgetürmte Berg nicht lawinenartig abrutscht. Aber die Steine durften eben auch nicht zu spitz sein, damit sie beim Drüberlaufen nicht schmerzen. Die Schauspieler hätten besonderes Schuhwerk samt Socken als Schutzkleidung an.

Die 600 Tonnen Kies sind übrigens nur geliehen. Nach den Festspielen gehen sie wieder zurück ans Kieswerk, wo sie dann in den Verkauf gehen werden. Eine weitere Besonderheit wird es beim Ton der Festspiele geben. Dazu nutzen die Techniker erstmals einen immersiven Sound. Dadurch lasse sich eindeutig akustisch zuordnen, wer gerade spricht. Gerade auf der großen Open-Air-Bühne falle es den Zuschauern nicht immer leicht, zu erkennen, wer gerade spricht. Das ändert die immersive Technik.

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Über Antennen erkennt das System, wo die Schauspieler gerade stehen und schickt den Sound auf die Lautsprecherboxen in der Nähe des Sprechers. Das Auge wird also durch den Klang automatisch geführt. Es ist nicht der erste Einsatz dieser Technik auf einer großen Bühne. Im Theater benötige man das ohnehin nicht, weil die Schauspieler ausgebildete Laut-Sprecher sind. Aber immer dann, wenn die Stimmen elektronisch verstärkt werden, ergibt sich das Problem der Zuordnung. Normalerweise werde der Sprechsound immer auf die Lautsprecher in der Bühnenmitte geschickt, damit er möglichst weit gestreut wird. Das wird in diesem Jahr bei den Nibelungen modifiziert und eigens programmiert, erläutert Festspiel-Geschäftsführerin Petra Simon.

Das Wetter war schon immer Thema bei den Nibelungen. Auch aktuell leidet das Team unter den Temperaturen. Man habe die Proben in die Abendstunden verschoben, so Mina Salehpour. Die Textproben beginnen um 16 Uhr in klimatisierten Räumen. Ab 17.30 Uhr geht‘s dann auf die Bühne. Aber auch dann ist es nicht spürbar angenehmer. Zu den Aufführungszeiten – die Vorstellung beginnt um 20.30 Uhr – darf aus Lärmschutzgründen nicht geprobt werden. Das Gelände befindet sich schließlich im Stadtkern. Und ganz geräuschlos ist es auch nicht abgelaufen, als 600 Tonnen Kies angekarrt und mit Bagger vorm Dom modelliert wurden. bjz/ü

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