Persönlich

Amerikanischer Ehrentitel für Bergsträßer Kampfsportler

Gerhard Strahl aus Viernheim legt Wert auf Fairness und den Schutz von Schwachen

Von 
Marion Gottlob
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Der Kampfsportler Gerhard Strahl aus Viernheim wurde erneut ausgezeichnet. © Privat

Bergstraße. Ist der Kampfsportler Gerhard Strahl schon einmal bedroht worden? Der Viernheimer muss kurz überlegen, dann schüttelt er den Kopf: „Nein. Vielleicht ist tatsächlich was dran an dem Glauben, dass die meisten Kampfsportler durch ihre Ausstrahlung vor Gewalt geschützt sind.“

Der 59 Jahre alte Meister unter anderem in Hapkido und Taekwondo legt den allergrößten Wert auf Fairness und den Schutz von Schwachen. Vielleicht wurde er aus diesem Grund vor kurzem in den Stand eines amerikanischen Kentucky Colonel erhoben. Er zeigt eine neue Visitenkarte mit dem Titel: „Ich weiß nicht, warum ich für diese Auszeichnung vorgeschlagen wurde. Doch ein Kentucky Colonel gilt offiziell als Botschafter des guten Willens.“

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Gerhard Strahl stammt aus Nittenau in der Nähe von Regensburg. Als er zum 16. Geburtstag eines Klassenkameraden eingeladen war, schauten sich die Jungen nach Mitternacht den Film „Der Mann mit der Todeskralle“ an. Strahl erinnert sich: „Wir sieben Freunde beschlossen damals, dass wir diesen Kampfsport, den wir im Film gesehen hatten, erlernen wollten.“ Nur eine Woche später begann die Gruppe ihr Karate-Training. Strahl sagt nur: „Das war geil.“

Zwar hatte der Teenager nichts für den Schulsport übrig. Er war beim Turnen am Reck mit einer solchen Wucht abgerutscht, dass er sich an den Beinen Verbrennungen zugezogen hatte. Dann hatte er sich beim Sprung über einen Kasten erneut verletzt, weil er mit seinem Schwung den Kasten umwarf.

Training bei Schnee und Eis

Doch nun? Beim Karatetraining startete er von Null auf Hundert durch. Er und seine sechs Freunde trainierten ihre Kondition, indem sie bei Wind und Wetter, auch bei Schnee und Eis, barfuß 2000 Meter liefen. Er machte Übungen speziell zur Koordination, bei denen zum Beispiel die eine Hand einen Kreis zeichnet, während sich die andere Hand auf und ab bewegt.

Rasch erlernte er die typischen Karate-Bewegungen. „Man beansprucht Muskeln, von denen man zuvor nicht wusste, dass man sie hat.“ Von Anfang an gehörte das Naturtalent zu den wenigen Teilnehmern, die sofort einen Spagat machen konnten.

Der Jugendliche und sein Team wechselten dann ziemlich rasch zum koreanischen Taekwondo. Als der Trainer ausfiel, übernahmen Gerhard und zwei Freunde das Training, obwohl sie selbst zwar niedrige Graduierungen hatten und damit dennoch die Höchstgraduierten waren. Damals gab es kein Internet. So kaufte die Gruppe Lehrbücher. Strahl erklärt: „Zwei haben immer die Übungen studiert, und einer hat sie praktisch nachgemacht.“ Hat das geklappt? Strahl lacht: „Wir waren mit Herzblut dabei. In nur zwei Jahren haben wir die Prüfungen bis zum zweithöchsten, dem braunen Gürtel, erfolgreich absolviert.“

Nach dem Abitur löste sich die Gruppe auf. Strahl absolvierte bei der Mannheimer Kaufhof AG in nur 15 Monaten eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann. Als er sich in die Viernheimerin und seine spätere Frau Anja verliebte, wechselte er seinen Arbeitsplatz und ging zur Stadt Viernheim. Dort machte er die Ausbildung zum Mittleren Dienst und absolvierte kurze Zeit später das Studium zum gehobenen Verwaltungsdienst an der Verwaltungsfachhochschule in Darmstadt. Er sagt: „Ich hatte auf dem Gymnasium den Leistungskurs Wirtschafts- und Rechtslehre belegt. Ich war vorgeprägt.“

20 Jahre pausiert

Rund 20 Jahre lang machte er keinen Kampfsport. Sein Interesse wurde erst erneut geweckt, als seine Töchter Rebecca und Kimberley und auch sein Sohn Patrick nach Möglichkeiten für Taekwondo fragten. Vater Strahl dachte nach: „Eigentlich könnte ich wieder anfangen.“ Gedacht, getan. Er ergänzt: „Mein Körper erinnerte sich an die Bewegungen. Aber ich musste die Kondition und die Flexibilität neu trainieren.“

Nach einem Jahr bestand er die Prüfung zum höchsten Farbgürtel, nach einem weiteren Jahr zum Schwarzen Gürtel in Taekwondo. Er erklärt: „Das war ein Hochgefühl. Im Kampfsport steigen die Anforderungen von Prüfung zu Prüfung.“

Ein Anfänger muss seine Bewegungen 20 Zentimeter vor dem direkten Kontakt mit dem Gegner abstoppen können. Ein Meister kann seine Bewegungen so optimal koordinieren, dass er den Ablauf erst kurz vor einem Kontakt mit der Haut seines Kontrahenten abstoppen kann. Anfänger zerschlagen drei Zentimeter dickes Holz, doch die Fortgeschrittenen zerteilen Ziegelsteine oder Waschbetonplatten. Seit einiger Zeit hat Strahl auch den 6. Dan im Taekwondo gemeistert. Er erklärt: „Nur einige hundert Menschen haben in Deutschland den Rang des 6. Dan. Er ist selten.“

Mit unterschiedlichsten Kampfsportarten beschäftigt

Inzwischen beschäftigt sich der Könner mit den unterschiedlichsten Möglichkeiten des Kampfsports: Auch im koreanischen Hapkido absolvierte er die Prüfungen bis zum 2. Dan. Er lernte das „Krav Maga“ des israelischen Mossad kennen und machte den schwarzen Gürtel. Er nahm an Spezialschulungen teil und verfügt über eine Ausbildung zum Sky Marshall, der im Notfall die Passagiere eines Flugzeugs vor Gewalt schützt. Der Sportler war auch Lehrer, Coach, Prüfer und Trainer. Er erteilte schon Kurse für Laien, wie man einen Amokläufer in der Fußgängerzone, in Schulen oder Einkaufszentren aufhalten kann. Er erklärt: „Ich verwende für unser Training ein Blue-Gun mit aufgepflanztem Bajonett, Faustfeuerwaffen, Äxte – alles, was eine solche Person schon verwendet hat. Wir üben die Flucht, das Verstecken und den Kampf.“

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Zu seiner größten Überraschung wurde er 2011 zum Hapkido-Master of the Year ernannt. Für sein ehrenamtliches Engagement erhielt er den Diamond Sports Award und wurde in zwei Halls of Fame aufgenommen. Er war zunächst beim SRC Viernheim tätig, später beim TV Viernheim. Als er vor kurzem beruflich zur Stadt Darmstadt wechselte, gab er die Viernheimer Kurse auf. Er sagt: „Aber ich bleibe weiterhin aktiv. Nun werden wir eine Betriebssportgruppe in Darmstadt aufbauen.“

Tochter bringt Auszeichnung mit

Gerhard Strahl hat die Auszeichnung im amerikanischen Kentucky nicht persönlich entgegengenommen. Die mehr als DIN A3 große Auszeichnung wird im Original in Kentucky in der Nationalbibliothek aufbewahrt. Aber auch die für ihn vorgesehene notariell beglaubigte Ausfertigung ist so groß, dass man sie schwer mit der Post versenden könnte. Strahl sagt: „Meine in den USA lebende Tochter kommt an Weihnachten zu Besuch und wird die Auszeichnung im Koffer mitbringen.“

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