Bergstraße. Viele junge Menschen am Übergang von Schule und Beruf benötigen Unterstützung und Orientierung. Die Olov-Koordinierungsstelle für den Kreis Bergstraße hat 2017 eine eigene regionale Strategie definiert, um die Brücke zum Ausbildungsmarkt stabiler und für junge Menschen zielführender zu gestalten.
Hinter dem Kürzel steht der Ansatz „Optimierung der lokalen Vermittlungsarbeiten bei der Schaffung und Besetzung von Ausbildungsplätzen in Hessen“. Verzahnte Strukturen und passgenaue Maßnahmen sollen eine schnelle Vermittlung der Jugendlichen in eine berufliche Ausbildung ermöglichen.
Ziel der Olov-Strategie ist es, die Qualität der Prozesse während der Übergangsphase zu sichern und Parallelstrukturen zu vermeiden, so dass Jugendliche den Einstieg in ihre berufliche Zukunft schaffen – und das ohne unnötige Umwege, Abbrüche und sonstige Warteschleifen.
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Jetzt haben sich im Heppenheimer Landratsamt die beteiligten Akteure getroffen, um die wichtigsten Entwicklungsziele bis 2024 vorzustellen. Denn das vom Land und der EU geförderte Programm ist fester Bestandteil der regionalen Arbeitsmarktstrategie und gilt damit auch als wichtiges Instrument einer mittel- bis langfristigen Versorgung mit Fachkräften für das Kreisgebiet.
Im Rahmen von Olov kooperieren alle Institutionen, die für die Gestaltung des Übergangs Schule-Beruf verantwortlich sind. In der zentralen Steuerungsgruppe sind die Agentur für Arbeit, die Industrie- und Handelskammer, das Jobcenter sowie die Handwerkskammer und die Hessischen Unternehmerverbände geballt. Flankiert vom Jugendamt und vom Staatlichen Schulamt.
Dieses Gremium entscheidet über Qualitätsstandards und Etappenziele. Schulen, Betriebe, Fachstellen und freie Träger begleiten die Prozesse, die von der Kreisverwaltung koordiniert werden. Eine optimale Berufsorientierung mit transparenten Angeboten für Schüler und junge Erwachsene ist die Zielsetzung. Über Fachveranstaltungen und Projekte werden die Ansprüche an eine gute berufliche Orientierung diskutiert und die relevanten Akteure angesprochen.
Dual: Nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis lernen
Neben einer Verbesserung von Wissen und Möglichkeiten wurde das Thema Fachkräftemangel in Heppenheim gerade von den Unternehmensvertretern als elementares Hauptziel formuliert. Durch eine praxisnahe Berufsorientierung sowie eine engagierte Bewerbung des dualen Ausbildungswegs könnte das Problem perspektivisch gelindert werden, sagte Christian Jöst, Unternehmer und Vizepräsident der IHK Darmstadt Rhein Main Neckar.
Bei der Vermittlung von Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten dürfe die akademische Laufbahn zudem nicht länger als Königsweg dargestellt werden. Auch für Haupt- und Realschüler bieten sich zahlreiche Chancen, so Jöst. Der Arbeitsmarkt habe sich zu einem Arbeitnehmermarkt gewandelt. Unternehmen müssen sich überlegen, was sie Bewerbern anbieten können und müssen, um im Wettbewerb mit anderen Firmen herauszustechen. Dies öffne Schulabgängern komfortable Perspektiven.
Dirk Widuch von der Vereinigung der Hessischen Unternehmerverbände (VhU) sieht das genauso. Der Geschäftsführer für die Region Darmstadt und Südhessen plädiert für einen erweiterten Blick ohne inhaltliche Scheuklappen und thematische Schranken. Karrierewege würden offener, Hierarchien flacher, neue Berufsbilder entstehen. Die industrielle Transformation biete Möglichkeiten für jede Art von Schulabgänger. „Das Glück liegt nicht allein im höchsten Bildungsabschluss!“ Die Fachkräftesicherung sei das entscheidende Zukunftsthema, an dem nie niemand vorbeikomme.
Auch Susanne Berneit (Agentur für Arbeit Darmstadt) sieht diese als langfristiges Ziel einer früh ansetzenden Berufsberatung. Die Teamleiterin für U25-Berufsberatung (Jugendliche unter 25 Jahre) arbeitet in der Bergsträßer Steuerungsgruppe seit deren Gründung im Jahr 2009 mit. Die Netzwerkarbeit abseits isolierter Vorgehensweisen sei der richtige Ansatz, um Jugendlichen in einem stetig wachsenden und dadurch sehr komplexen Angebot Hilfe und Orientierung anbieten zu können.
Qualifizierung von Pädagogen
Neben den Experten in Arbeitsagenturen und Jobcentern braucht es aber auch Lehrer, die das Know-how an ihre Schüler vor Ort weitergeben. Die Qualifizierung von Pädagogen ist daher eines der dauerhaft angelegten Ziele der regionalen Olov-Strategie.
Aber auch die Lehrpläne sollten das Thema Berufsorientierung aufnehmen, wie die IHK-Teamleiterin Hannelore Becker (Geschäftsbereich Aus- und Weiterbildung) in Heppenheim betonte: „Das muss auch politisch verortet und im Schulgesetz verankert sein.“ Auch Thorsten Wohlgemuth vom Staatlichen Schulamt für den Kreis Bergstraße, dort Ansprechpartner für Berufs- und Studienorientierung, sieht die Lehrer in einer zentralen Rolle, um die Jugendlichen mit dem nötigen Wissen zu versorgen.
Lückenhaftes Wissen sei neben mangelnder Ausbildungsreife eines der größten Hindernisse, um bei der Berufswahl eine richtige Entscheidung zu treffen, sagt Simone Emmenlauer, Leiterin der Fachkräftesicherung der Handwerkskammer Frankfurt Rhein-Main. Lehrer und auch Eltern seien davon nicht ausgenommen. Denn nach wie vor wird der Berufsweg maßgeblich von Mutti und Vati beeinflusst. Eltern sollten ihre Kinder dabei durchaus unterstützen und mit ihnen über Neigungen und Vorstellungen sprechen, aber die Perspektiven nicht im Voraus allzu sehr begrenzen.
Keine klassischen Rollenbilder
Schon gar nicht in einem engen Korsett klassischer Rollenbilder. Aus diesem Grund hat die Steuerungsgruppe auch eine Veranstaltungsreihe organisiert, die gezielt auf eine klischeefreie Berufsorientierung abzielt, wie Hermann Riebel aus dem Kreisjugendamt mitteilt.
Gemeinsam mit Karin Weißhaar („Neue Wege“) ist er regionaler Hauptkoordinator von Olov. Denn, wer in tradierten Stereotypen verharrt, der schnürt sich selbst die Perspektiven ab. Dadurch gehe zu viel Potenzial verloren, sagen die Beteiligten aus der Steuerungsgruppe, die eine positive Zwischenbilanz ziehen. Olov habe sich als Instrument in der Praxis bewährt und sei als dynamisches Langzeitprojekt geeignet, um sich veränderten Situationen jederzeit anpassen zu können.
„Wir müssen jede Stellschraube nutzen, um die Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt zu bewältigen“, so Landrat Christian Engelhardt. Jeder einzelne Schulabgänger soll eine für sich bestmögliche Perspektive erkennen. Die Netzwerkpartner leisteten hier sehr gute und wertvolle Arbeit.
Eine entscheidende Phase
Für die Erste Kreisbeigeordnete Diana Stolz, als Dezernentin für den Eigenbetrieb „Neue Wege“ zuständig, ist Berufswahlkompetenz eine Schlüsselqualifikation auf dem Kurs in die berufliche Zukunft. Der Übergang von Schule und Beruf sei eine entscheidende Phase für den Einzelnen mit Konsequenzen für die gesamte Gesellschaft – etwa in Bezug auf Fachkräftesicherung oder Jugendarbeitslosigkeit.
Dass nur 1,3 Prozent der unter 25-Jährigen im Kreis Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) beziehen, sei ein Wert, der deutlich unter dem Hessen-Durchschnitt rangiert, so Stolz. Und auch die Folge einer kooperativ gestemmten Förderung auf dem Weg zum passenden Beruf.
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