Gesundheitsserie

Gesundheitsserie: Kardiologe über Herzschwäche und -infarkte

Im Kreiskrankenhaus Bergstraße ist das Herzkatheterlabor immer besetzt. Im November sind die Herzwochen der Deutschen Herzstiftung mit dem Schwerpunkt Herzschwäche. Kardiologe Prof. Dr. Stefan Baumann im Interview.

Von 
Angela Schrödelsecker
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Prof. Dr. Stefan Baumann ist Chefarzt der Inneren Medizin II am Kreiskrankenhaus Bergstraße in Heppenheim. © Thomas Neu

Bergstraße. Herr Dr. Baumann, was genau bedeutet Herzschwäche?

Prof. Dr. Stefan Baumann: Bei einer Herzschwäche, auch Herzinsuffizienz genannt, vollbringt das Herz nicht mehr die normale Pumpleistung. Der Patient ist somit nur noch eingeschränkt belastbar. Der Schweregrad wird in den Stadien eins bis vier unterschieden. Ganz klassisch wird dabei zum Beispiel geschaut, wie weit der Patient laufen kann, ehe er Luftnot bekommt.

Wie gefährlich ist denn eine Herzschwäche?

Baumann: Wenn Sie bei einem Kardiologen oder auch Hausarzt in Behandlung sind, der eine Herzschwäche rechtzeitig erkennt, therapiert und den Therapieerfolg kontrolliert, haben Sie gute Chancen auf eine normale Lebenserwartung – je nachdem, in welchem Stadium Sie sich befinden. Man kann eine Herzschwäche zwar nicht heilen, aber den Zustand und den Grad der Erkrankung verbessern. Wenn Sie unter einer fortgeschrittenen Herzschwäche leiden, ist die Lebenserwartung allerdings deutlich reduziert.

Wie kann man denn eine Herzschwäche verhindern?

Baumann: Es gibt sowohl beeinflussbare als auch nicht beeinflussbare Faktoren. Zu ersteren gehört Rauchen von Zigaretten, Bluthochdruck, erhöhte Blutfette und Diabetes. Man kann das Risiko für die Entwicklung einer Herzschwäche aber reduzieren, wenn solche Erkrankungen medikamentös gut eingestellt sind und man Kontrolluntersuchungen wahrnimmt. Zu den nicht beeinflussbaren Faktoren zählt zum Beispiel die genetische Vorbelastung in der Familie.

Was sind denn die häufigsten Herzerkrankungen?

Baumann: Zu den häufigsten Herzerkrankungen zählen neben der Herzschwäche die koronare Herzerkrankung. Beide Erkrankungen können sich übrigens auch gegenseitig bedingen. Bei der koronaren Herzerkrankung lagern sich Plaques in den Gefäßen ab. Ist das Herzkranzgefäß zu stark verengt, kann dann im Herzkatheterlabor ein Stent gesetzt werden. Wenn dieser Zeitpunkt verpasst wird und das Herzkranzgefäß verschlossen ist, kommt es zu einem Herzinfarkt. Weitere häufige Krankheitsbilder sind Herzrhythmusstörungen wie das Vorhofflimmern. Das bedeutet, dass das Herz unregelmäßig schlägt, was eine deutlich erhöhte Schlaganfallgefahr darstellt. Außerdem gehören Stenosen und Insuffizienzen der Herzklappen zu den häufigsten Erkrankungen.

Wie gut können denn Erkrankungen am Herzen behandelt werden?

Baumann: Die Versorgung ist – bedingt durch innovative Interventionsverfahren und Medikamente –seit den frühen 2000ern zunehmend besser geworden. Es gibt immer mehr Herzkatheterlabore, das heißt, die Versorgung bei einem Herzinfarkt ist wesentlich schneller geworden. Die Gesamtsterblichkeit sinkt allerdings kaum noch. Zum einen werden die Patienten immer älter und erleiden möglicherweise mehrere Infarkte, zum anderen werden die koronaren Erkrankungen immer komplexer. Man kann aber erfreulicherweise sagen, dass die Versorgung in Deutschland überdurchschnittlich gut ist. Herzklappenerkrankungen können zum Beispiel inzwischen minimalinvasiv über die Leiste versorgt werden.

Zur Person: Prof.Stefan Baumann

Seit 2023 ist Prof. Baumann Chefarzt der Inneren Medizin II / Kardiologie am Kreiskrankenhaus Bergstraße in Heppenheim.

Von 2019 bis 2023 war er Oberarzt am Universitätsklinikum Mannheim.

Studium der Humanmedizin in Frankfurt am Main, Kapstadt und Bern.

Prof. Baumann trägt die Zusatzqualifikationen: Interventionelle Kardiologie, Kardiale Computertomographie, Facharzt für Kardiologie, Intensivmedizin, Facharzt für Innere Medizin und Notfallmedizin.

Er war bisher an über 100 Veröffentlichungen und Publikationen beteiligt. asch

Welche Lebensweise ist denn gut für ein gesundes Herz?

Baumann: Gesunde Ernährung, wie die mediterrane Kost – also nicht zu fettreich – und ausreichend Bewegung sind wichtig. Jede Bewegung ist ein Training fürs Herz, zum Beispiel Walking, Schwimmen und Laufen. Sie müssen sich gar nicht übermäßig anstrengen. Moderate, regelmäßige Bewegung ist besser – am besten zwei bis drei Mal pro Woche. Generell zählen Herz-Kreislauferkrankungen zu den häufigsten Todesursachen in den Industrienationen. Bewegungsmangel und ungesunde Ernährung sind dafür wiederum die häufigste Ursache.

Deutschland gehört dabei zu den Spitzenreitern. Allerdings haben wir eine sehr gute kardiologische Versorgung, die weltweit zu den besten zählt. Zum Beispiel haben wir hier im Kreiskrankenhaus Bergstraße 24 Stunden, sieben Tage die Woche unser Herzkatheterlabor für Herzinfarktpatienten mit einem erfahrenen Kardiologen besetzt. Eine solche Versorgung gibt es in vielen Ländern nicht. Man sagt „time ist muscle“– je früher ein Herzinfarkt behandelt wird, desto weniger Herzmuskelmasse stirbt ab. Je näher ein Herzkatheterlabor ist, desto besser also für den Patienten. Da sind wir, insbesondere in unserer Region, sehr gut aufgestellt.

Hunderttausende Tote jährlich wegen Herzkrankheiten

Das Herz leistet als Motor unseres Körpers Höchstleistungen. Pro Stunde pumpt es mit etwa 4000 Schlägen rund 300 Liter Blut durch den Körper.

Laut des Bundesministeriums für Bildung und Forschung leiden in Deutschland fast vier Millionen Menschen an einer Herzschwäche, die auch als Herzinsuffizienz oder Herzmuskelschwäche bekannt ist.

Immer mehr Menschen erkranken an einer Herzschwäche, die sich inzwischen zu einer Volkskrankheit entwickelt hat: Laut des Herzberichts der Deutschen Herzstiftung starben 2022 fast 217 000 Menschen an den Folgen einer Herzkrankheit. 2021 waren es rund 205 500 Todesfälle.

Oftmals entwickelt sich eine Herzschwäche schleichend über Jahre hinweg. In vielen Fällen lässt sich die Krankheit aber mit bestimmten Maßnahmen verhindern, weshalb der Prävention eine große Bedeutung zukommt.

Dazu die Erste Kreisbeigeordneten und Gesundheitsdezernentin Angelika Beckenbach in einer Mitteilung anlässlich der Herzwochen der Deutschen Herzstiftung: „Unser Ziel muss sein, durch Präventionsmaßnahmen, wie etwa im Rahmen des YOLO-Days an unseren Schulen, frühzeitig auf eine gesunde Lebensweise hinzuwirken und die Sterblichkeit zu senken.“

Um Krankheiten, vor allem Herzerkrankungen, möglichst frühzeitig zu erkennen oder auch um deren Risikofaktoren zu bestimmen und auszuschalten, empfiehlt sich eine regelmäßige Überprüfung der Gesundheit.

Ab dem Alter von 35 Jahren zahlen die gesetzlichen Krankenkassen alle drei Jahre einen Gesundheit-Check-up beim Hausarzt. red/Kreis Bergstraße

Wie unterscheidet sich der Herzinfarkt bei Frauen und Männern?

Baumann: Bei Frauen wird der Herzinfarkt prozentual häufiger übersehen als bei Männern. Sowohl die Patientinnen als auch die behandelnden Ärzte denken bei Frauen einfach weniger an einen Herzinfarkt. Das ist aber historisch bedingt. Männer haben früher beispielsweise mehr geraucht, heute rauchen fast genauso viele Frauen. Medizinisch macht das Geschlecht aber keinen Unterschied beim Herzinfarkt. Frauen nehmen die Symptome allerdings anders wahr als Männer. Es ist aber ein Mythos, dass es spezielle Symptome bei Frauen oder Männern gibt.

Gibt es bei Kindern etwas zu beachten?

Baumann: Wenn Sie mit ihren Kindern regelmäßig zu den U-Untersuchungen gehen, wird der Herzdefekt in der Regel entdeckt. Die Kinder werden dort abgehört und wenn dabei der Verdacht besteht, dass ein Herzfehler vorliegt, überweist der Kinderarzt an einen spezialisierten Kinderkardiologen. Da ist die Versorgungskette in Deutschland sehr gut. Krankheiten wie das rheumatische Fieber, das Auswirkungen auf die Herzklappen hat, gibt es in Deutschland – auch dank der U-Untersuchungen – fast nicht mehr.

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Wann sollte denn ein Patient zum Kardiologen gehen?

Baumann: Wenn Sie plötzlich starke Beschwerden, wie Luftnot, Schmerzen in der Brust, spüren – bitte nicht zu lange warten und sagen, ich gehe am Montag zum Arzt. Bitte direkt den Rettungswagen rufen. Zudem kann ich nur empfehlen, regelmäßig Kurse in Wiederbelebung zu besuchen und ganz wichtig: Im Notfall immer zuerst den Rettungsdienst anrufen. Es zählt jede Minute und die Leitstelle führt auch am Telefon durch die Erste Hilfe. Grundsätzlich einen Arzt aufsuchen sollte man bei Wassereinlagerung in den Beinen und wenn man zunehmend schlechter belastbar ist, also ganz klassisch Strecken zu Fuß nicht mehr so gut bewältigt.

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