Justiz

Gaffer-Videos: Wann macht man sich strafbar?

Nach der Geiselnahme in Rimbach stellt sich die Frage, wie Aufnahmen und deren Verbreitung strafrechtlich gehandhabt werden.

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höh/ü
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Großeinsatz von Polizei und Spezialeinsatzkräften in Rimbach. © René Priebe/dpa

Bergstraße. Kaum wurde die Meldung von der Geiselnahme in Rimbach öffentlich, war bereits ein Video online. Es zeigt den 36-jährigen Tatverdächtigen, als er eine Mitarbeiterin der Volksbank mit einem Schraubenzieher bedroht. Doch wie ist die rechtliche Lage beim Filmen und Verbreiten solcher Videos? Und wie vermeide ich als Zeuge eine Eskalation der Lage? Wir haben bei Hauptkommissarin Katrin Pipping vom Polizeipräsidium Südhessen (Bild: POlizei) nachgefragt.

Wie verhält man sich als Zeuge in einer solchen Situation?

Katrin Pipping: Zuallererst ist es wichtig, sich selbst aus dem Gefahrenkreis zu entfernen und die Polizei zu informieren. Im Idealfall hält man als Zeuge aus sicherer Entfernung Sichtkontakt und spiegelt dem Notruf „live“ die Ereignisse wider. So können sich die Einsatzkräfte bereits vor ihrem Eintreffen ein Bild von der Lage machen. Das ist aber immer situationsabhängig. Wichtig ist, dass man sich selbst in Sicherheit bringt. Nimmt man ein Video von einer Gefahrenlage auf, darf es nur den zuständigen Behörden zur Verfügung gestellt werden, da es bei den Ermittlungen oder ersten polizeilichen Maßnahmen hilfreich sein kann.

Darf man ein aufgenommenes Video verschicken?

Pipping: Das Verbreiten von Videos in sozialen Netzwerken kann strafrechtliche Konsequenzen haben, insbesondere wenn dabei private oder sensible Informationen veröffentlicht werden. Die enorme Reichweite von Facebook, WhatsApp und Co. ermöglicht, dass ein Video innerhalb kürzester Zeit von vielen Personen gesehen wird. Dies kann die Privatsphäre der abgebildeten Personen erheblich verletzen, auch wenn das Ereignis in Echtzeit stattfindet. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass das Netz nichts vergisst – einmal veröffentlichte Inhalte bleiben nahezu dauerhaft zugänglich. Das bedeutet, dass die betroffenen Personen auch Jahre später noch mit den Folgen dieser Veröffentlichung zu kämpfen haben.

Hauptkommissarin Katrin Pipping ist die stellvertretende Leiterin der Pressestelle des Polizeipräsidiums Südhessen. Bild: Polizeipräsidium Südhessen © Polizeipräsidium Südhessen

Zudem muss bei der Verbreitung von Videos immer berücksichtigt werden, dass es sich um personenbezogene Daten handelt, die geschützt werden müssen. Insbesondere wenn eine Person in einer belastenden oder privaten Situation gezeigt wird, können die Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Selbst wenn das Video nicht zur Belustigung oder Klickgenerierung erstellt wurde, sollte der Zweck der Veröffentlichung stets hinterfragt werden. Darüber hinaus stellt die unbefugte Veröffentlichung von Bild- oder Videomaterial eine Verletzung des Kunsturhebergesetzes dar, wenn die Zustimmung der abgebildeten Person fehlt.

Besonders problematisch ist auch die Verbreitung von privaten Fahndungsaufrufen. Solche Inhalte, die eine Person öffentlich an den Pranger stellen, können ebenfalls strafrechtliche Folgen nach sich ziehen. Öffentlichkeitsfahndungen dürfen nur von der Polizei oder der Staatsanwaltschaft durchgeführt werden und erfordern einen richterlichen Beschluss.

Und wenn ich das Video nur zugeschickt bekommen habe, darf ich es dann an andere weiterleiten?

Pipping: Am besten ist es, das Video zu löschen und gegebenenfalls die Polizei auf die potenzielle Gefahrenlage aufmerksam zu machen. Das sollte der erste Schritt sein. Das blinde Weiterverbreiten von Videos kann nämlich strafrechtlich relevant werden. Wer ein Video weiterverbreitet, ohne sich zu vergewissern, ob es rechtlich zulässig ist, oder ohne Rücksicht auf die Rechte der abgebildeten Personen, macht sich möglicherweise strafbar. Aktuell wird der Sachverhalt in Zusammenhang mit Rimbach noch geprüft.

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dpa/lhe
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Wie sieht diese Prüfung im Rimbacher Fall aus?

Pipping: Momentan ermittelt die Polizei wegen des Verdachts auf Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen (§ 201a des StGB). Insbesondere die Punkte zwei und fünf des ersten Absatzes könnten bei den Aufnahmen in Rimbach verletzt worden sein. Also die unbefugte Bild- beziehungsweise Videoaufnahme und das wissentlich unbefugte Zugänglichmachen des Videos. höh/ü

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