Schwangerschaft

Frühchen: Wenn das Leben zu früh beginnt

Chefärztin Dr. Cordula Müller und Oberärztin Dr. Larissa Erb klärten über Risikofaktoren für Frühgeburten und Langzeitfolgen für Frühgeborene auf

Von 
Alicia Diry
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Frühgeborene sind bei der Geburt oft nicht vollständig entwickelt, besonders wenn sie vor der 28. Schwangerschaftswoche geboren werden. © dpa

Bergstraße. Jährlich kommen in Deutschland etwa 60 000 Babys vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche auf die Welt – jedes von ihnen ein Frühgeborenes, das sich viel früher als geplant der Welt stellen muss. Frühgeburtlichkeit ist hierzulande mit etwa acht bis neun Prozent aller Geburten die häufigste Schwangerschaftskomplikation und stellt für die betroffenen Familien eine enorme Herausforderung dar.

„Je früher das Kind auf die Welt kommt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für Komplikationen”, erklärte Dr. Cordula Müller, Chefärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe am Kreiskrankenhaus in Heppenheim.

Ein Kind gilt als Frühgeborenes, wenn es vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche zur Welt kommt. Da eine Schwangerschaft normalerweise etwa 40 Wochen dauert, sind Frühgeborene bei der Geburt in ihrer Entwicklung oft noch nicht vollständig ausgereift. Kinder, die zwischen der 32. und 36. Schwangerschaftswoche geboren werden, gelten als späte Frühgeborene.

„Bei der Atmung oder bei der Nahrungsaufnahme brauchen die Kleinen auf jeden Fall noch Hilfe”, betonte Dr. Larissa Erb, Oberärztin der Klinik für Neonatologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Frühchen, die zwischen der 28. und 31. Schwangerschaftswoche zur Welt kommen, sind als moderat frühgeboren einzustufen. Ihre Organe, insbesondere die Lunge und das Immunsystem, sind meist noch nicht vollständig entwickelt, weshalb sie häufig intensivmedizinische Betreuung benötigen.

Die größte Herausforderung stellen jedoch die extrem frühgeborenen Kinder dar, die vor der 28. Schwangerschaftswoche geboren werden. Sie wiegen oft weniger als 1000 Gramm und sind in vielen Organfunktionen noch sehr unreif. „Diese Kinder benötigten müssen teilweise künstlich beatmet und in einem Inkubator warmgehalten werden, da sie Wärme noch nicht speichern können”, erläuterte Dr. Erb. Nur so könne man ihnen das Überleben ermöglichen.

Jede fünfte schwangere Frau ist übergewichtig

In Deutschland kommen jährlich rund 9000 Frühgeborene zur Welt, darunter etwa 1000 Babys, die noch vor der 24. Woche geboren werden. Ab der 24. Woche sind die Ärzte dazu verpflichtet, die Frühchen zu versorgen. In früheren Schwangerschaftswochen werde das Vorgehen im Einvernehmen mit den Eltern besprochen, die dann entscheiden, ob das Kind versorgt werden soll, erläuterte die Oberärztin.

Die Ursachen für Frühgeburten sind vielfältig. Die Hauptrisikofaktoren bleiben jedoch unverändert: Rauchen, Alkoholkonsum, Drogen, seelische Belastungen, chronischer Stress sowie Über- und Untergewicht. „Fast jede fünfte schwangere Frau ist übergewichtig, und 18 Prozent haben einen BMI über 30, was das Risiko für Schwangerschaftsdiabetes erhöht“, so Dr. Müller, die einen Anstieg dieser Erkrankung in den kommenden Jahren erwartet.

Zudem seien mehr als 26 Prozent der Schwangeren mittlerweile über 35 Jahre alt, was ebenfalls das Risiko einer Frühgeburt erhöht. Auch Infektionen an Scheide, Blase oder Zahnfleisch können eine Frühgeburt begünstigen.

Dr. Müller und Dr. Erb appellieren daher, regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen vorzunehmen und spezielle Feindiagnostik-Ultraschall-Untersuchungen zu machen. Auch mögliche Blutuntersuchungen könnten vorgenommen werden, um herauszufinden, ob das eigene Kind an einer körperlichen Beeinträchtigung leiden wird. „Ob die Eltern über potenzielle Behinderungen ihres Kindes informiert sein möchten, muss jede Familie jedoch selbst entscheiden“, fügte Dr. Erb hinzu.

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Wenn es dann doch zu einer Frühgeburt kommt, können die Frühgeborenen sowohl kurz- als auch langfristige gesundheitliche Folgen erleben. Dabei hängt das Ausmaß dieser Folgen stark vom genauen Geburtszeitpunkt und der Entwicklung des Kindes ab. Zu den häufigsten Herausforderungen gehören Atemwegsprobleme, da die Lungen oft noch nicht vollständig entwickelt seien, erläuterte Dr. Müller.

Auch langfristig hätten viele Frühchen ein erhöhtes Risiko für chronische Lungenerkrankungen. Zudem würden Frühgeborene oft Schwierigkeiten bei der Ernährung und im Wachstum aufweisen. Da ihr Verdauungssystem unreif ist, falle ihnen die Nahrungsaufnahme schwer, und sie benötigen oft spezielle Nahrung. Ein weiteres häufiges Risiko bestehe in neurologischen und motorischen Entwicklungsverzögerungen. Auch Lernschwierigkeiten und Verhaltensprobleme seien in späteren Jahren häufiger.

Beratung und Unterstützung können sich die Familien von Frühgeborenen bei den „Frühen Hilfen“ des Kreises Bergstraße holen. „Wir helfen Familien unter anderem bei der Antragsstellung des Pflegegrades und organisieren psychosoziale Unterstützung“, sagte Sieglinde Weimar von den „Frühen Hilfen“ des Kreises. Die Kontaktaufnahme zur Fachstelle erfolgt in der Regel über die behandelnden Ärzte.

„Jede Frau sollte auf seinen Körper hören und seinen Lebensstil überdenken. Wenn es doch zu einer Frühgeburt kommt, sollte man wissen, dass nicht ganz so frühe Frühgeburten durchaus ein lebenswertes Leben haben”, betonte Dr. Müller abschließend.

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