Flüchtlinge

Flüchtlinge: Zuweisung aktuell nur bei hoher Bleibeperspektive

Das Landratsamt gibt einen Überblick zur Unterbringung von Geflüchteten und zu den Kosten.

Von 
Jörg Keller
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Flüchtlingsunterkunft in Lorsch: Der Stadt wurden 2023 insgesamt 122 Geflüchtete zugewiesen. Im ersten Quartal 2024 waren es nur noch neun. © Thomas Neu

Bergstraße. „Wir weisen derzeit den Kommunen nur geflüchtete Menschen mit einer hohen Bleibeperspektive zu“, sagt der hauptamtliche Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf (Grüne). Die SPD-Fraktion hatte bei der jüngsten Kreistagssitzung eine Anfrage zur Flüchtlingssituation im Kreis Bergstraße gestellt. Aus den dazu vom Landratsamt vorgelegten Daten wird deutlich: Im ersten Quartal 2024 ist die Zahl der Direktzuweisungen des Kreises an die Städte und Gemeinden leicht zurückgegangen.

Sinkende Zahl an Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine

  • Ende 2023 hatten 2243 Asylbewerber im Kreis Bergstraße ihren Wohnsitz. Nicht einberechnet sind dabei die bereits bleibeberechtigten Flüchtlinge. Ende 2022 waren es 2044, Ende 2021 lag die Zahl bei 1357
  • Im Jahr 2023 wurden 2188 Geflüchtete dem Kreis zugewiesen. Darunter waren 1299 Asylbewerber, 843 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine und 46 sonstige Personen. Hinzu kommen 325 Ukrainer, die sich im Kreis selbst angemeldet haben.
  • 2022 waren es insgesamt 2768 zugewiesene Personen, darunter 1437 Ukrainer. Zusätzlich hatten sich vor zwei Jahren 2219 Ukrainer im Kreis selbst gemeldet.
  • Die Frage, wie viele Flüchtlinge den Kreis wieder verlassen haben, kann das Landratsamt aufgrund fehlender Daten und einer ungenauen Definition des Begriffs „Flüchtling“ nicht beantworten.
  • Mit einem dauerhaften Bleiberecht registriert wurden im Jahr 2023 im Kreis Bergstraße insgesamt 4804 geflüchtete Menschen. Am Ende noch gemeldet waren davon 3130 Personen. kel

Von Mai bis Dezember 2023 wurden demnach 1483 Personen auf die Kommunen verteilt – im Schnitt also 185 pro Monat. Im ersten Quartal 2024 waren es 467 (155 pro Monat). Einhausen, Lindenfels und Zwingenberg wurden laut der Auflistung von Januar bis März 2024 gar keine Flüchtlinge zugewiesen. Die mit Abstand größte Zahl an Menschen hat Bensheim aufgenommen. 325 im Zeitraum von Mai 2023 bis März 2024. Es folgen Lampertheim (189) und Heppenheim (147). Lorsch hat in dem Zeitraum 131 Personen untergebracht, Lautertal 61, Zwingenberg 72, Einhausen 42 und Lindenfels 31.

Insgesamt hat der Kreis Bergstraße seit Beginn der Direktzuweisung im Mai des vergangenen Jahres 1950 Flüchtlinge an die Kommunen zur Unterbringung abgegeben. Zusätzlich betreibt der Kreis in Eigenregie 23 Gemeinschaftsunterkünfte, in denen 249 Menschen untergebracht sind. Allein in Bensheim gibt es vier Standorte (124 Personen), in Einhausen einen Standort (9 Personen).

„Im Sommer machen sich wieder mehr Menschen auf den Weg“

Matthias Schimpf befürchtet, dass in den Sommermonaten der Druck auf den Kreis und die Kommunen zur Unterbringung von Geflüchteten wieder wachsen wird. „Die Zahlen an den Außengrenzen steigen wieder deutlich. Mit dem wärmeren Wetter machen sich wieder mehr Menschen auf den Weg“, sagte er im Rahmen seiner Erläuterungen während der Kreistagssitzung.

Einige Fragezeichen sieht der hauptamtliche Kreisbeigeordnete auch bei der im Koalitionsvertrag der neuen CDU-SPD-Landesregierung vorgesehenen Regelung, grundsätzlich nur Flüchtlinge mit Bleibeperspektive an die Kommunen weiterzuleiten. Menschen, die Deutschland wahrscheinlich wieder schnell verlassen müssen, sollen hingegen in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes bleiben. In diesen gibt es laut Schimpf aktuell 11 000 Plätze. Um die im Koalitionsvertrag vereinbarte Regelung umzusetzen, benötige Hessen jedoch die doppelte Kapazität.

Aus dem Kreistag: über das Deutschlandticket, Sparsamkeit und drei Anträge

Ticket für alle liegt auf Eis

Ein kostenloses Deutschlandticket für alle Bergsträßer Schüler wird es zunächst nicht geben. Der Kreistag hatte im vergangenen Jahr auf Antrag von CDU und Grünen eine Prüfung in die Wege geleitet, ob und wie das ermöglicht werden kann. Hintergrund: Die hessische Schulgesetzgebung sieht einen Anspruch auf ein Schülerticket nur für Kinder und Jugendliche vor, die einen Schulweg von mehr als zwei Kilometern (Grundschule) oder drei Kilometern (Mittelstufe) zur nächstgelegenen Schule zurücklegen müssen. Mit der Einführung des Deutschlandtickets empfindet man das im Kreis als ungerecht. Landrat Christian Engelhardt berichtete, dass der Kreis die Landtagsfraktionen von CDU und SPD diesbezüglich angeschrieben habe. Im hessischen Koalitionsvertrag von CDU und SPD sei eine Änderung des Schulgesetzes aber nicht zu finden. Dies sei allerdings Voraussetzung für eine Finanzierung des Deutschlandtickets für alle Schüler.

RP mahnt Sparsamkeit an

Das Regierungspräsidium hat den Haushalt des Kreises Bergstraße mit Schreiben vom 15. Mai genehmigt. Damit kann das Landratsamt die für 2024 vorgesehenen Projekte angehen und Ausgaben tätigen. Die Aufsichtsbehörde stellt fest, dass sich die Haushaltssituation im Vergleich zum Vorjahr, als noch mit einem Überschuss geplant wurde, „drastisch verändert“ hat. Bekanntlich weist der Etat ein Defizit in Höhe von 25,1 Millionen Euro aus, das nur durch die Einbringung von Rücklagen ausgeglichen werden kann. In seinen Hinweisen bewertet das Regierungspräsidium die Finanzlage des Kreises „weiterhin als angespannt“. Eine Verschlechterung können aufgrund der geopolitischen Situation nicht ausgeschlossen werden. Empfohlen wird, „eine eigenverantwortliche kritische Überprüfung der vorgehaltenen Leistungen und Standards vorzunehmen“. Die Möglichkeiten von Haushalts- und Stellenbesetzungssperren sollten gegebenenfalls zeitnah genutzt werden, so das RP.

Drei Anträge abgelehnt

Drei bei der jüngsten Kreistagssitzung gestellte Anträge wurden abgelehnt. Die Freien Wähler Kreis Bergstraße hatten eine Geschäftsprozessoptimierung für das Bauamt gefordert. Ziel war eine Halbierung der Bearbeitungszeiten von Bauanträgen. Selbst eine weitere Beratung im Ausschuss wollte die Kreiskoalition (CDU und Grüne) nicht zulassen. Freie Wähler, SPD, FDP und Linke hatten dafür gestimmt. Die AfD enthielt sich. Zwei Anträge hatte die AfD eingebracht. Sie wollte eine Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen erwirken. Außerdem ging es um die Erweiterung des Defibrillatoren-Netzes im Kreisgebiet. Alle anderen Fraktionen lehnten die beiden Anträge geschlossen ab. 

Rund 47 Millionen Euro kostete im Kreis Bergstraße die Unterbringung von Geflüchteten im Jahr 2023. Den größten Ausgabeposten machten nach Angaben des Kreises mit 33 Millionen Euro Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen aus. 11 Millionen Euro flossen im Rahmen von Transferaufwendungen direkt an die Menschen. In den vorangegangenen Jahren lagen die Ausgaben bei rund 38 Millionen Euro (2022) und 21 Millionen Euro (2021).

An Zuschüssen erhielt der Kreis im vergangenen Jahr rund 30 Millionen Euro aus Steuergeldern von Land (20 Millionen Euro) und Bund (10 Millionen Euro). 2022 waren es 28 Millionen Euro, 2021 flossen knapp 14 Millionen Euro in die Kasse des Kreises.

Grundsätzlich erhält der Kreis von übergeordneten staatlichen Stellen monatlich für jeden untergebrachten Flüchtling 983 Euro (ab 2025 sind es 998 Euro). Für Bleibeberechtigte wird zusätzlich pro Person eine einmalige Integrationspauschale in Höhe von 3000 Euro gezahlt. An die Kommunen gibt das Landratsamt pro zugewiesenem Flüchtling monatlich 300 Euro weiter, sowie einmalig die Hälfte der Integrationspauschale (1500 Euro).

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„Gibt es seitens des Kreises Überlegungen, hier eigenständig weitere finanzielle Unterstützung an die Städte und Gemeinden weiterzugeben?“, wollte die SPD wissen. Das verneinte Matthias Schimpf klipp und klar. Die derzeitige Haushaltslage lasse das nicht zu, sagte der Kreisbeigeordnete, der als Kämmerer auch für die Finanzen des Kreises zuständig ist. Zusätzliches Geld für die Kommunen von Bund und Land erwartet Schimpf ebenfalls nicht. „Mehrere Nachfragen bei übergeordneten Behörden haben keine substanziellen Ergebnisse gebracht“, beantwortete Schimpf einen weiteren Aspekt der Anfrage.

Redaktion Redakteur, Ressorts Lorsch, Einhausen und Region

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