Bergstraße. Leidenschaftlich und frivol, gefühlvoll und melancholisch, leise und wild: Der szenische Liederabend „Kleine Zwischenfälle“ von und mit Elinor Stromberger präsentierte im Rahmen der Heppenheimer Festspiele weit mehr als nur „7 1/2 Begegnungen mit der Liebe“. Die Schauspielerin und Sprecherin überzeugte im Kurmainzer Amtshof mit einer intensiven Collage aus Texten, Liedern und kleinen Monologen rund um Thema Nummer eins.
Auf der Freiluftbühne spielte die 35-jährige Künstlern souverän auf der Klaviatur der Emotionen und bot eine bewegende, kabarettistisch angehauchte Hommage an die Liebe in all ihren Facetten von euphorischer Wucht bis zu elegischer Tiefe.
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Im vergangenen Jahr hatten kaum einhundert Gäste die Vorstellung (am letzten Festspieltag) besucht. Am Mittwochabend waren es noch weniger. Sie erlebten eine sehr persönliche Inszenierung, glänzend gespielt von einer Frau mit Charisma und Bühnenpräsenz, die sich auf der Bühne fast komplett entkleidet: seelisch, emotional und kurzzeitig auch in textiler Hinsicht.
Sie liebt und leidet innerhalb einer geschliffenen Dramaturgie, die durch ihre straffe Taktung und nahtlosen Übergänge keinen Raum für inhaltliche Leerläufe lässt. In ihrem Chansonabend erzählt Elinor Stromberger – die Schwiegertochter von Intendantin Iris Stromberger – über die hellen und dunklen Momente der Liebe, verpackt in einige der schönsten Lieder, die je zu diesem Thema komponiert wurden.
Darunter der betagte Schlager „Heut’ abend lad’ ich mir die Liebe ein“ von Zarah Leander bis hin zum Stück „Benjamin“ von Anna Depenbusch, den die Sängerin als ausschweifendes Stöhn-Arrangement in den Amtshof haucht. Darin lauscht eine junge Frau den Bettgeschichten des Ex-Freunds durch die Hauswand, wobei die wechselnden Damen nebenan vor allem den Mittelteil von „BenJAmins“ Name lustvoll betonen.
Auch „Tim liebt Tina“ stammt von der Hamburger Liedermacherin: ein beschwingtes Liebesliedchen über die Flüchtigkeit der Liebe. Die Spannweite des Repertoires reicht von Annett Louisan („Und jetzt“) bis Marlene Dietrich („Bitte geh’ nicht fort“).
Ein Höhepunkt war die launische Interpretation von Pigor & Eichhorns Song „Was willste denn in Wien?“, den sie mit feiner Sprach-Rhythmik und hoher melodischer Dynamik (ähnlich wie Thomas Pigors Original) zu einem akustischen Kunstwerk macht. Ob die Wohnung in Berlin-Mitte mit Zentralheizung und Vorkaufsrecht zum siegreichen Argument gegen Österreich wird, bleibt offen.
Elinor Stromberger, die außerhalb Hessens unter ihrem Geburtsnamen Eidt auftritt, konnte bereits auf Bühnen wie dem Mainfrankentheater Würzburg, im Stadttheater Fürth und dem Schlossparktheater Berlin an der Seite von Dieter Hallervorden ihr Können unter Beweis stellen.
Die gebürtige Tübingerin absolvierte ihre Schauspielausbildung an der Otto-Falckenberg-Schule in München und war dort bereits während ihrer Ausbildung an den Kammerspielen, am Residenztheater sowie am Akademietheater engagiert. Wie ihr Ehemann Fabian Stromberger gehört die freischaffende Schauspielerin, die man abseits der Bühnen auch von Film und Fernsehrollen kennt, zum Ensemble Theaterlust Darmstadt unter der Leitung von Iris Stromberger, die sie seit ihrem Start bei den Festspielen Heppenheim auch beim Casting unterstützt.
Zarte Bande der Liebe
Diesmal war sie selbst der Bühnenmittelpunkt. Vor einem Paravent mit Garderobe hinterm roten Sofa sang sie von den zarten Banden der Liebe und das frühe Kapitulieren der aufkeimenden Beziehung angesichts ewiger Treue und Verbundenheit.
Es ist die Vergänglichkeit des vermeintlich Unzertrennlichen und die bösartig ausgeglichene Balance von dem, was Liebe gibt und nimmt, was dieser gefühlvollen Revue ihre menschliche Tiefe und Tragik verleiht. Da darf Brels verzweifelt leiser Schrei „Ne me quitte pas“ („Verlass’ mich nicht!“) natürlich nicht fehlen. Aber auch Herbert Grönemeyers „Siebter Sinn“ fügt sich glänzend in diese Partitur der Amouren ein, die von Pianist Michael Erhard am Piano begleitet wird. Er singt unter anderem „You Are So Beautiful“ (im Duett) und hat ein Solo mit „Flugzeuge im Bauch“.
Abgerundet werden die Songs durch Texte unter anderen von Erich Kästner („Sachliche Romanze“) und monologische Miniaturen von heiter bis wolkig. Auch Gerrit Engelkes Kuss-Gedicht gehört zu dieser facettenreichen Sammlung: „Ein Kuss ist, wenn zwei Lippenlappen in Liebe aufeinander klappen, und dabei ein Geräusch entsteht, als wenn die Kuh durch Matsche geht.“
In „Wenn deine Küsse ihn nicht halten können“, von Terry Truck für Georgette Dee getextet, geht es um nutzlose Tränen und verlorene Herzen. „Nur nicht aus Liebe weinen“ - das hatte schon Zarah Leander angeregt. Elinor Stromberger tanzt über den Rummelplatz der Liebe“ und serviert mit dem finalen „Für immer und Dich“ von Rio Reiser eines der intensivsten und bewegendsten Stücke des Abends.
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