Von Sina Roth
Bergstraße. Dass Familien in der Coronakrise einige Hürden meistern mussten, das ist kein Geheimnis. Gerade die Kleinsten - Kinder im Alter zwischen drei und fünf Jahren - haben emotional unter der Situation gelitten, dass sie nur wenig oder gar keinen direkten Kontakt zu Gleichaltrigen haben konnten. Das zeigt sich auch anhand der Fallzahlen für das Jahr 2020, welche die Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche des Kreises Bergstraße in Bensheim bei einer Pressekonferenz vorgestellt hat.
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Meist ganz Familie mitbetroffen
Im Bereich Beratung in Kindergärten seien 100 Klienten im Vergleich zu den in 2019 noch 70 Klienten in der Beratungsstelle registriert. „Dazu muss man aber auch sagen, dass weit mehr als nur eine Person mit einem Klienten in Verbindung steht“, berichtet die Leiterin der Beratungsstelle, Sybille Vonderschmidt-Viereck. Meist sei die ganze Familie mitbetroffen.
In Zeiten des Lockdowns hatten einige Klienten mit Erschöpfung, Angststörungen und depressiven Verstimmungen zu kämpfen. Dazu gekommen seien Gedanken an Suizid. Um diesen Klienten entsprechend zu helfen, sei die Beratungsstelle gut mit der Vitos-Klinik verknüpft. Sobald die Mitarbeiter einschätzen konnten, wie ernst es ist, wurden die Klienten im Bedarfsfall an Vitos überwiesen.
Themen, um die es ging, waren allem voran emotionale Probleme des Kindes (169 Fälle), gefolgt von Beziehungsfragen der Eltern (127 Fälle), Trennung, Scheidung und Verlust (122 Fälle). Außerdem unter den Top 5 der besprochenen Probleme waren Auffälligkeiten im Sozialverhalten (65 Fälle) und schwierige Familiensituationen (63 Fälle).
Auch, als Kontakte auf ein Minimum reduziert wurden, stand fest, dass die Beratung in eben dieser schwierigen Zeit weiterhin stattfinden muss - wenn auch auf anderem Wege. Gerade, als noch große Unsicherheit herrschte, was erlaubt ist und was nicht, haben sich die Mitarbeiter beinahe wöchentlich mit der Kreisspitze ausgetauscht. Klar war: Alternativen zur Beratung vor Ort mussten her, um die Klienten und Mitarbeiter zu schützen. Teilweise gab es Online-Beratung, die vor allem von berufstätigen Eltern gut angenommen wurden: „Das hat sehr viel zur Entspannung beigetragen“, berichtet die Leiterin der Beratungsstelle. „Denn so konnten sie von zu Hause aus nach der Arbeit an der Beratung teilnehmen, ohne dass sie dafür noch einmal extra los müssen.“
Kinderschutz vor Infektionsschutz
Ähnlich sei es auch bei Jugendlichen gewesen, für die der erste Kontakt online oder per Telefon angenehmer gewesen sei, als der Schritt in das Gebäude der Bensheimer Beratungsstelle. Aus ebendiesen Gründen soll das Angebot auch weiter bestehen, so die Leiterin.
Nichtsdestotrotz - Beratung am Telefon oder in Video-Form klappt natürlich nicht immer. „Vor allem bei kleinen Kindern ist das schwierig bis unmöglich. Hier galt und gilt bei uns immer Kinderschutz vor Infektionsschutz.“ Aber auch, wenn es einfach wichtig war, sich persönlich zu treffen - bei Gedanken an Suizid beispielsweise -, sei das Video-Format keine Lösung gewesen. In solchen Fällen haben sich die Mitarbeiter der Beratungsstelle mit Klienten zum Spaziergang verabredet. Eine Möglichkeit, die gut bei den Betroffenen angekommen sei.
Auch, wenn die Beratung in den Schulen und Kitas nicht wie gewohnt stattfinden konnte, haben die Mitarbeiter Mittel und Wege gefunden, sich mit den Betreffenden auszutauschen. In den Schulen sei die Kommunikation beispielsweise über das Programm Microsoft Teams gelaufen, mit dem sich die Mehrheit der Schüler und Lehrer aufgrund von Homeschooling inzwischen gut auskennen. Mittlerweile stehe die Präsenz bei der Beratung wieder im Fokus - den persönlichen Kontakt vor Ort könne nichts ersetzen. Nichtsdestotrotz bleiben beispielsweise Video-Konferenzen weiterhin erhalten, dann, wenn es sinnvoll ist.
Krise schweißte Team zusammen
Dass eine Krise trotz aller Hürden auch zusammenschweißt und Positives mit sich bringen kann, das weiß das Team nur zu gut. „Wir haben gemeinsam Neues gelernt und sind dadurch als Team zusammengewachsen. Das hat uns geeint“, so Vonderschmidt-Viereck. Und das, obwohl sie sich selbst lange Zeit untereinander aufgrund der Pandemie nicht sehen konnten. Inzwischen sei die Lage etwas besser, auch wenn immer noch eine gewisse Unsicherheit bestehe. Doch die Gewissheit, dass die Beratung auch in Zeiten des Lockdowns durch verschiedene neue Möglichkeiten bestehen bleibt, das trage doch zur allgemeinen Beruhigung in der Beratungsstelle bei. „Vorsichtig optimistisch“, so die Leiterin, blicke die Beratungsstelle in die Zukunft.
Kostenloses Angebot wahrnehmen
Die Erste Kreisbeigeordnete und Jugendamtsdezernentin Diana Stolz dankte gemeinsam mit dem Jugendamtsleiter Kai Kuhnert der Beratungsstelle für die gute Arbeit und Zusammenarbeit in der Krise. Ein Dank, den die Leiterin erwiderte. „Es war wichtig, dass Familien in der Beratungsstelle Ansprechpartner gefunden haben, in Zeiten, die doch sehr viel mit den Familien gemacht haben“, so Stolz. „Betroffene finden hier jemanden zum Zuhören und der ihnen Tipps geben kann. Es ist wichtig, dass sie Hilfe bekommen, wenn sie Hilfe brauchen.“
Das Angebot ist für Hilfesuchende kostenlos, die Kosten trage der Kreis. Das Ziel sei es, Probleme zu lösen, bevor sie gravierender werden und beispielsweise in die Verantwortung des Jugendamtes kommen.
Zu den Themen, die künftig noch mehr in den Fokus rücken, gehöre auch die Inklusion, so Kuhnert. Denn die Beratungsstelle ist in einem mehrstöckigen Gebäude untergebracht und muss auch mit dem Rollstuhl zugänglich sein. Als erste Ideen könnten hier eine Rampe und Beratung im Erdgeschoss weiterhelfen, so Leiterin Sybille Vonderschmidt-Viereck.
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