Bergstraße. Die Pandemie hat auch im vergangenen Jahr gerade Familien, insbesondere Kindern und Jugendlichen, zugesetzt und deren Alltag bestimmt. Vor allem die unter Sechsjährigen, aber fast ebenso viele Mädchen und Jungen im Alter von 12 bis 14 Jahren, taten sich schwer, nach Lockdowns, Zeiten der Isolation und der Abstinenz „zurück in die Normalität zu finden“ und soziale Kontakte aufzunehmen und zu pflegen.
Sybille Vonderschmidt-Viereck, Leiterin der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche des Kreises Bergstraße in Bensheim, berichtet bei der Vorstellung des Jahresberichts 2021 von „schweren emotionalen Störungen“. Selten zuvor hätten so viele Jugendliche unter Traurigkeit, Angststörungen und -zwängen gelitten und im Extremfall Suizidgedanken gehegt wie in den beiden zurückliegenden Corona-Jahren: „Familien sind am Limit aber wir lassen sie nicht allein.“ Gemeinsam erarbeite man Strategien und versuche stets Lösungsmöglichkeiten zu finden. Im Vergleich zu 2020 seien die Kontaktzahlen nochmals gestiegen. Dem gegenüber stehe bei Härtefällen ein eklatanter Mangel an Therapieplätzen und lange Wartezeiten.
„Wir konnten Vieles auffangen und haben häufig vermehrt Einzelgespräche mit den Jugendlichen geführt bis ein entsprechender Therapieplatz gefunden wurde“, bestätigte Vonderschmidt-Viereck. Noch stärker als in der Vergangenheit habe die Beratungsstelle eine Brückenfunktion zwischen Familien und den zuständigen Einrichtungen, aber auch gegenüber Behörden, dem Jugendamt, Schulen, Kindergärten und anderen Trägern eingenommen.
Die Beratungsstelle für Eltern, Kin der und Jugendliche Am ...
Die große Nachfrage habe es ebenfalls mit sich gebracht, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zunehmend Aufgaben übernommen haben, die in der Vergangenheit durch andere Stellen abgedeckt waren. Keine leichte Situation, die durch den Mangel an Fachkräften verstärkt werde, so Vonderschmidt-Viereck. Durch Änderungen im Kinder- und Jugendstärkungsgesetz würde das Team in Zukunft vor weitere Herausforderungen, etwa beim Thema Inklusion, aber auch durch die Übernahme der Trennungs- und Scheidungsberatung, gestellt. Bei der Pressekonferenz sprach die Leiterin den Wunsch nach einer besseren IT-Ausstattung an.
Jugendamtsleiter Kai Kuhnert, der ebenso wie die Erste Kreisbeigeordnete und Gesundheitsdezernentin Diana Stolz die niederschwelligen Angebote der Beratungsstelle, die gute Vernetzung, die große Transparenz und die „überdurchschnittlich gute Personalausstattung“ hervorhob, erwähnte die „großen Veränderungen bei den Beratungsinhalten“. Stolz appellierte an Familien, Probleme frühzeitig anzugehen. Manchmal reiche bereits ein Telefonat, um die Situation zu entschärfen.
Themen wie emotionale Probleme des Kindes (191 Fälle/31 Prozent/Steigerung gegenüber 2020 um fünf Prozent), Erziehungsfragen der Eltern (126 Fälle/ 20 Prozent)), Trennung, Scheidung, Verlust (110 Fälle/ 18 Prozent)), sowie schwierige Familiensituation (64 Fälle) und Auffälligkeiten im Sozialverhalten (42 Fälle) standen im Vordergrund der Beratungen. Jungen und Mädchen im Kindergartenalter (drei bis fünf Jahre) waren im Vorjahr die am häufigsten gemeldete Altersgruppe. Die Fälle körperlicher und psychischer Gewalt haben sich im Berichtszeitraum auf fünf erhöht und somit verdoppelt.
Angebote sind gebührenfrei
„Das Jahr 2021 war eine große Herausforderung für uns alle, insbesondere auch für die Menschen, die Unterstützung und Hilfe in unserer Beratungsstelle gesucht haben“, so die Leiterin der Beratungsstelle. Die Wartezeit bis zu einem Beratungstermin bezifferte sie auf ungefähr sechs Wochen. In akuten Situationen handele man hingegen schnell und flexibel. Alle Angebote sind für die Hilfesuchenden gebührenfrei. Die Kosten trägt der Kreis Bergstraße.
Positives gab es bei der Vorstellung des Jahresberichtes aber ebenfalls zu vermerken. So etwa die sehr enge Vernetzung mit Kindergärten in der Region. In 14 Kitas werden einmal im Monat feste Sprechzeiten abgehalten. An drei Schulen, der Geschwister-Scholl-Schule, dem AKG und dem Goethe-Gynasium in Bensheim finden zudem regelmäßig Beratungsstunden statt.
Die aus der Not heraus geborenen digitalen Beratungsformen wurden von den meisten Klienten gut aufgenommen: „Videokonferenzen haben uns 2021 gerettet, auch wenn sie nicht immer ein adäquater Ersatz für die Präsenzberatung sein konnten.“ Aufgrund der guten Erfahrungen werde man das zusätzliche Angebot aber aufrecht erhalten. Neben der Online-Beratung, habe man während der Kontaktbeschränkungen zudem verstärkt Telefonate geführt und therapeutische Spaziergänge unternommen.
Jugendamtsleiter Kuhnert teilte zum Abschluss des Pressegesprächs mit, dass die Novembergespräche zum Thema „Resilienz“ wieder in der Beratungsstelle am Wambolter Hof stattfinden.
Die Erste Kreisbeigeordnete Diana Stolz dankte dem gesamten Team für die Unterstützung und Stärkung von Familien und die gute Zusammenarbeit.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/region-bergstrasse_artikel,-bergstrasse-die-corona-pandemie-hat-vielen-familien-stark-zugesetzt-_arid,2000869.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim.html