Bergstraße. Am 25. November ist Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen. Seit dem Jahr 1981 setzen weltweit Menschenrechtsorganisationen und Frauenrechtsbewegungen ein deutliches Zeichen gegen Diskriminierung, Gewalt und Unterdrückung von Frauen und Mädchen. Statistisch gesehen wird jede vierte Frau in Deutschland mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexualisierter Gewalt durch ihren aktuellen oder früheren Partner.
Im Kreis Bergstraße finden zu diesem Thema jedes Jahr im November spezielle Veranstaltungen und Projekte statt. Unter dem Titel „Gewalt kommt mir nicht in die Tüte“ werden seit 2007 alljährlich Brötchentüten mit einem klaren Statement gegen Gewalt an Mädchen und Frauen bedruckt und in regionalen Bäckereien ausgegeben. Der Slogan ist in verschiedenen Sprachen zu lesen und weist auf die Hilfs- und Unterstützungsangebote vor Ort hin. In Bensheim, Heppenheim und Zwingenberg finden am 26. November entsprechende Aktionen statt.
Der Erlös geht an das Frauenhaus
Die Erscheinungsformen von Gewalt sind vielfältig
„Wir müssen weiter daran arbeiten, für das Thema häusliche Gewalt ein Bewusstsein in der Bevölkerung zu schaffen“, so die Bergsträßer Frauenbeauftragte Alexandra Schmitt.
In Deutschland erleben rund 25 Prozent aller Frauen körperliche oder sexuelle Gewalt in ihrer Partnerschaft. Die Dunkelziffer liegt weitaus höher. Fast immer sind auch Kinder betroffen.
Doch ist häusliche Gewalt nicht auf körperliche Übergriffe beschränkt: Sie umfasst alle Formen physischer, sexueller und verbaler psychischer Gewalt ohne Ansehen der sexuellen Orientierung. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine Ehe, eine eingetragene Partnerschaft oder eine sonstwie geartete häusliche Gemeinschaft handelt.
Die Erscheinungsformen sind vielfältig und reichen von subtilen Formen der Gewaltausübung durch Bedrohungen, Isolation oder Demütigungen über Beleidigungen und Einschüchterungen bis zu Misshandlungen und Tötungen. Häusliche Gewalt betrifft alle Bildungs- und Einkommensschichten gleichermaßen. Sie existiert in allen Altersgruppen, Nationalitäten, Religionen und Kulturen.
Auch im zweiten Corona-Jahr hatte die häusliche Gewalt in Deutschland zugenommen. 2021 verzeichneten die Behörden rund 161 000 Opfer von Gewalt durch Partner oder Ex-Partner. Die Zahlen stammen von den Innenministerien und der Landeskriminalämter. Dies entspreche einem Anstieg von 1,3 Prozent im Vergleich zu 2020. Das bundesweite Hilfsangebot mit rund 350 Frauenhäusern, 100 Schutzwohnungen und mehr als 600 Beratungsstellen soll weiter ausgebaut werden.
Das Frauenhaus Bergstraße mit Hauptsitz in Bensheim bietet Frauen aller Nationalitäten Zuflucht und Schutz, die von psychischer und körperlicher Gewalt betroffen sind. Hilfesuchende Frauen ab 18 Jahren – mit und ohne Kinder – werden zu jeder Tages- und Nachtzeit aufgenommen und erhalten Beratung und Unterstützung. In 34 Jahren wurden bereits mehr als 3000 Frauen und Kinder aufgenommen. Die Einrichtung ist meist zu 100 Prozent belegt. Die angeschlossenen Beratungs- und Interventionsstellen gibt es neben Bensheim auch noch in Lampertheim und Fürth. tr
Ganz neu ist eine Benefiz-Laufaktion, die der Arbeitskreis gegen häusliche Gewalt gemeinsam mit dem Verein Frauenhaus Bergstraße und den kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten im Kreisgebiet organisiert: Bis zum 10. Dezember kann sich jeder beteiligen, der gegen Gewalt aktiv werden möchte. Gewertet werden alle Kilometer, die zu Fuß zurückgelegt werden – entweder durch Laufen oder (Nordic) Walking. Das finale Ranking der Teilnehmer dient aber ausschließlich der persönlichen Motivation und dem Spaß am Mitmachen, wie die Veranstalter betonen. Anmelden kann man sich unter der Webadresse „my.raceresult.com/222601/info“ für 15 Euro anmelden. Der Erlös geht an das Frauenhaus. Gestern fiel der offizielle Startschuss im Heppenheimer Starkenburg-Stadion.
Der öffentliche Auftakt soll Menschen auf ein ernstes Thema aufmerksam machen und anregen, sich für eine gute Sache in Bewegung zu setzen, so Landrat Christian Engelhardt, der als einer von wenigen im Laufdress erschienen war. Engelhardt lobte den Arbeitskreis gegen häusliche Gewalt für seine gute und kontinuierliche Arbeit, die er seit 2004 leistet.
Sechs Kommunen sind im Boot
Gegründet auf Initiative des Frauenhauses, engagieren sich rund 30 Menschen für Gewaltprävention im Kreis Bergstraße. Im Arbeitskreis sind alle Institutionen vernetzt, die bei häuslicher Gewalt kostenlos und vertraulich Hilfe anbieten und Betroffene in ein gewaltfreies, selbstbestimmtes Leben begleiten.
„Wir hoffen, dass viele Menschen sich der Aktion anschließen“, so Nicole Schmitt vom Büro für Frauen und Gleichstellung im Kreis Bergstraße, die in Heppenheim auch die Bürgermeisterinnen Christine Klein (Bensheim) und Angelika Beckenbach (Abtsteinach) sowie deren Heppenheimer Amtskollegen Rainer Burelbach begrüßte. Aus Bensheim kamen die Frauenbeauftragte Marion Vatter und die ehrenamtliche Stadträtin Josefine Koebe (Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen), der Verein Frauenhaus Bergstraße war unter anderen mit der Ersten Vorsitzenden Martina Evertz vertreten. Auch die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten Gerasimoula Grigoraki (Bürstadt) und Maria Lauxen-Ulbrich (Viernheim) waren ins Stadion gekommen, um die Aktion zu bewerben. Sechste Kommune im Boot ist die Stadt Lorsch.
Bis zum „Tag der Menschenrechte“
Der 10. Dezember wurde als Abschlusstag der Aktion nicht zufällig gewählt: Der Tag der Menschenrechte erinnert an das Datum des Jahres 1948, als die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedet hatte. Auch Geschlechtergerechtigkeit und Frauenrechte zählen zu den Menschenrechten, die nicht verhandelbar sind.
Zu den alljährlichen Aktionen im Kreis Bergstraße zählt auch die bundesweit bekannte Fahnenhissung von Terre des Femmes, die sich in diesem Jahr zum 21. Mal jährt und 2022 unter der Botschaft „#TrautesHeimLeidAllein“ die Kernthemen von Terre des Femmes vereint: angefangen vom Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung, häusliche und sexualisierte Gewalt, gegen Frauenhandel und Prostitution bis hin zur Förderung von Frauenrechten wie Gleichbehandlung und Selbstbestimmung.
In Bensheim, Zwingenberg, Heppenheim, Fürth und Lorsch wird die Flagge „frei leben – Nein zu Gewalt an Frauen“ am 25. November um 11 Uhr am jeweiligen Rathaus gehisst. Auch am Landratsamt soll die Flagge wehen.
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