Bergstraße. Der EU-weit streng geschützte Feldhamster hat den Bau eines großen Solarparks am Viernheimer Essigzapfen westlich des Blockheizkraftwerks vereitelt. Beteiligte Akteure haben die Information dieser Redaktion auf Nachfrage bestätigt. Die Stadtwerke wollten auf der Fläche von 8,5 Hektar mit Photovoltaik (PV) neun Megawatt Leistung erzielen, das entspricht einer Versorgung von 3000 Haushalten. Die Investition hätte bis zu sechs Millionen Euro betragen.
Der Viernheimer Bürgermeister Matthias Baaß, Aufsichtsratschef der Stadtwerke, sagt, man sei beim Kauf eines alternativen Geländes weit vorangekommen. Details will er wegen laufender Verhandlungen nicht nennen.
Nach Viernheim ausgewandert
Zur Veranschaulichung: Ein Hektar umfasst eine Fläche von 10 000 Quadratmetern. Und 85 000 Quadratmeter entsprechen knapp zwölf Fußballfeldern.
Die Stadtwerke beziehungsweise ihre PPP Energieplan GmbH hatten den promovierten Biologen und Feldhamster-Experten Ulrich Weinhold mit einem Gutachten zur Umweltverträglichkeit beauftragt. Weinhold betreibt sein Institut für Faunistik in Heiligkreuzsteinach. Er hatte seinerzeit schon die Umsiedlung der Feldhamster auf dem Gebiet der späteren SAP-Arena wissenschaftlich begleitet und geleitet.
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Der Experte ist deutschlandweit und darüber hinaus im Einsatz. Und auf dem Essigzapfen wurde er fündig. Er sagte, die Hamster seien vom nahe gelegenen Mannheim-Straßenheim hierher ausgewandert. Der Kreis Bergstraße habe sich schon vor Jahren zum Feldhamsterschutzgebiet erklärt, ebenso verfahre Viernheims Nachbarkommune Mannheim.
Man hätte womöglich experimentieren können – schauen, ob sich eine große PV-Anlage mit dem Tier verträgt. Bislang bestünden hierzu keine belastbaren Erkenntnisse. „Aber mit den Letzten ihrer Art macht man keine Experimente“, betont Weinhold im Gespräch mit dieser Redaktion. Die Feldhamster in Straßenheim seien die letzte Population in ganz Baden-Württemberg.
Die Stadtwerke hätten zwar eine Fläche von 8,5 Hektar mit PV überbauen wollen. Beantragt hätten sie es aber für eine Fläche von 30 Hektar, sagt Weinhold. Das entspricht 300 000 Quadratmetern – oder gut 42 Fußballfeldern. Das Unternehmen habe sich das Gelände für einen weiteren Ausbau sichern wollen.
Die Untere Naturschutzbehörde, also der Kreis Bergstraße, hat sich bei ihrer Ablehnung des Projekts vollumfänglich an das Gutachten des Experten gehalten. Das geht aus der schriftlichen Antwort der Behörde auf unsere Anfrage hervor.
Weinhold sieht den Konflikt zwischen dem Natur- und Artenschutz und anderseits der Notwendigkeit, erneuerbare Energien auszubauen. Er empfiehlt allerdings, sich nicht auf Ackerland oder Grünflächen zu beschränken, sondern bereits versiegelte Flächen zu nutzen. „Wir müssten viel mehr Dächer bestücken. Oder warum nicht die riesigen Parkflächen des Rhein-Neckar-Zentrums mit PV überdachen?“ Auf Acker- und Grünland auszuweichen, sei nur die einfachste und vergleichsweise kostengünstige Methode, sagt er.
„Gefährliche Abhängigkeit“
Willi Billau, Vorsitzender des Bauernverbands Starkenburg, wird nicht müde, die Zerstörung landwirtschaftlicher Flächen durch immer neue Umgehungsstraßen, Neubaugebiete oder riesige Hallen für Speditionen und Großfilialisten in aller Deutlichkeit zu kritisieren. Er sieht die Versorgung der Region mit heimischen Produkten in Gefahr.
„Wir befinden uns bei manchen Kulturen doch jetzt schon unterhalb der Eigenversorgungsgrenze“, sagt Billau. Die Pläne in Viernheim kritisiert er genau so wie die in seiner Heimatstadt. In Lampertheim soll ein PV-Park auf fünf Hektar Ackerfläche entstehen. Gerade erst habe der Krieg gegen die Ukraine wieder gezeigt, wie gefährlich es sei, sich von Importen abhängig zu machen.
Landwirte sträubten sich nicht gegen erneuerbare Energien. Aber PV-Anlagen sollten, da hält Billau es mit dem Ökologen Weinhold, auf bereits versiegelten Flächen entstehen. „Sie sehen doch, dass wir Landwirte Photovoltaik befürworten. Auf all unseren Hallen sehen Sie diese Anlagen installiert.“
Natürlich gäben manche Berufskollegen ihre Äcker her – weil sie ihre Betriebe aufgeben müssten oder wollten, so Billau. Und dann sei der Flächenverkauf für PV-Anlagen, also an Investoren, die beste Lösung. Es müsse gesetzlich geregelt werden, dass etwa Speditionshallen, die allerorten aus dem Boden schießen, nur inklusive PV auf dem Dach genehmigungsfähig sind, sagt Billau.
Bürgermeister Matthias Baaß überlässt der Redaktion auf die Frage, was die Stadt unternehme, um PV-Anlagen auf versiegelten Flächen zu ermöglichen, eine Vorlage für den Bauausschuss. Zusammengefasst geht daraus hervor, dass Stadt, Brundlandtbüro und Stadtwerke Möglichkeiten prüfen.
Allerdings erschweren teils Eigentumsverhältnisse oder technische Voraussetzungen einen Fortschritt. Tatsächlich ist die Zahl der Anlagen aber gestiegen, so dass inzwischen etwa zehn Prozent des Bedarfs in Viernheim durch Photovoltaik gedeckt werden. Die Parkflächen des RNZ betreffend erklärt Baaß, man sei in Kontakt. /sm
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