Nibelungenfestspiele

Dank Videotechnik wächst der Wormser Dom aus sich heraus

Die Organisatoren versprechen spektakuläre Bilder auf der rund 1000 Quadratmeter großen Fassade

Von 
Bernhard Zinke
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So erbebte der Wormser Dom vor vier Jahren bei „Siegfrieds Erben“. In diesem Jahr soll’s noch spektakulärer werden. © David Baltzer/Nibelungenfestspiele Worms

Worms. Die Inszenierung von 2018 war optisch spektakulär: Plötzlich schien der 1000 Jahre alte Wormser Kaiserdom in seinen Grundfesten zu beben. Die Konturen verschwammen, die Fenster wackelten. Und schließlich wuchs das schmerzverzerrte Gesicht von Jimi Blue Ochsenknecht dreifach und dreidimensional aus der Domwand heraus. Die Videosequenzen des Nibelungenfestspielstücks „Siegfrieds Erben“ sorgten damals durchweg für begeisterten Szenenapplaus. In der neuen Inszenierung – am Freitag ist Premiere des Stücks „hildensaga. ein königinnendrama“ – wollen die Festspielmacher genau daran anknüpfen. Die kreativ Verantwortlichen sind dieselben von damals: Regisseur Roger Vontobel, Bühnenbildner Palle Steen Christensen und Videokünstler Clemens Walter. „Wir werden noch eine Schippe drauflegen“, sagt Walter, „es werden deutlich mehr Videoprojektionen auf den Domwänden zu sehen sein“.

Seit Ende Juni arbeitet das Team an dem sogenannten „Mapping“, also der Übertragung der digitalen Daten auf den Dom. Die Bilder und Animationen existieren längst auf dem Computer. „Aber erst auf der großen Fläche sieht man, ob das funktioniert, was man vorbereitet hat“, beschreibt Walter die spannenden ersten Momente. Schließlich sei der Dom keine weiße Leinwand, sondern ein Mauerwerk mit allen Unebenheiten, Fenstern, Säulen, Kapitellen und Simsen.

Gelegen kam dem Team schon 2018, dass das Gebäude gerade saniert wird und es damit den Bauplan als genauen digitalen Datensatz gibt. Den dürfen die Festspiele für die Inszenierung erneut nutzen. Denn eigentlich sieht der Zuschauer, wenn die Videos starten, gar nicht den Dom selbst, sondern sein digitales Abbild, seine Projektion. Und deshalb kann das Haus wackeln, können seine Konturen verschwimmen und Bilder aus der Wand herauswachsen. Dazu müsse allerdings das natürliche Umgebungslicht so gut wie komplett erloschen sein, sonst funktioniere der Effekt nicht. Und das wird vor allem nach der Pause des Stücks der Fall sein, wenn die Schauspieler sprichwörtlich in eine andere Welt eintauchen.

Nibelungenfestspiele

Für das aktuelle Festspielstück „hildensaga. ein königinnendrama“ gibt es noch Restkarten unter nibelungenfestspiele.de oder beim Ticketservice unter 01805/33 71 71.

Die Abendkasse hat jeweils geöffnet an den Veranstaltungstagen von 17.30 Uhr bis 20.30 Uhr.

Das Stück läuft vom 15. bis 31. Juli täglich (außer 25. Juli) ab 20.30 Uhr.

Gespielt wird auch bei Regen.

Da es aktuell keine Auflagen gibt, finden auch keine Corona-Kontrollen statt. bjz/ü

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass das Videoteam für die Einrichtung der Technik, unter anderem mit modernsten Laser-Beamern, jede Menge Nachtschichten schieben muss. Wenn die Schauspielerinnen und Schauspieler Feierabend haben, geht die Arbeit für die Videografen erst richtig los. Bis zur Morgendämmerung gegen 4.30 Uhr stellen die Fachleute die Technik ein.

Was die Videotechnik in diesem Jahr nochmals verstärkt, ist die Gestaltung der Festspielbühne als große Wasserfläche. So könnten sich die Projektionen auf dem Wasser spiegeln. „Dann wird das Spiel plötzlich vieldimensional“, beschreibt der Videospezialist.

Der im Nordschwarzwald geborene Wahl-Berliner Clemens Walter ist übrigens ausgewiesener Experte für Videokunst auf Theaterbühnen, hat auch schon häufiger mit Roger Vontobel zusammengearbeitet, unter anderem für die „Aida“-Inszenierung 2016 am Mannheimer Nationaltheater. In Worms ist er nicht nur für die Projektionen auf der Fassade verantwortlich, sondern für die komplette Videotechnik während des Festspielstücks. Schließlich begleiten zwei Kameraleute das Königinnendrama und übertragen Nahaufnahmen auf zwei eigens aufgebaute Videoleinwände rechts und links.

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Clemens Walter verrät auch, wer in diesem Jahr auf der Domfassade dreidimensional in Szene gesetzt wird: Es ist Mario Adorf, der als geistiger Vater und Mitinitiator der Nibelungenfestspiele gilt.

Mario Adorf kehrt virtuell zurück

Der Schauspieler stellte die Idee in den 1990er Jahren bei einem Bürgerempfang in Worms vor. Danach arbeitete er gemeinsam mit dem damaligen Wormser Bürgermeister Gerd Lauber das Konzept aus, trug es in die Welt hinaus und knüpfte Verbindungen, die die Festspiele schließlich 2002 erstmals Wirklichkeit werden ließen. Der Schauspieler übernahm im ersten Jahr auch die Rolle des Hagen.

Nun kehrt Mario Adorf zumindest virtuell wieder zu den Festspielen zurück. Dazu reiste ein Videoteam zu dem Schauspieler nach Hause, um ihn zu filmen und ein dreidimensionales Modell von ihm zu schaffen. „Wir werden ihn in einer unerwarteten und spektakulären Weise zeigen“, erhöht Walter die Spannung. Der Effekt werde allerdings ein anderer sein als 2018 mit Jimi Blue Ochsenknecht.

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