Festspiele

Festspiele in Worms: Nibelungen diesmal im Swimmingpool

Bühnenbildner Palle Steen Christensen hat die Bühne vor dem Wormser Kaiserdom in eine riesige Wasserfläche verwandelt

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Bernhard Zinke
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Eine Festspielbühne im Wasser. Die Vorbereitungen vor dem Wormser Kaiserdom für die Premiere am 15. Juli laufen auf Hochtouren. © Bernhard Zinke

Worms. Einen hohen Schauwert hatten die Nibelungenfestspiele vor dem Wormser Kaiserdom immer. Im Verlauf der vergangenen 20 Jahre sind schon überdimensionale Elefanten aufmarschiert und ganze Züge auf die Bühne gerollt. Die Darsteller sind auf echten und auf Eis-Pferden vor den Dom geritten, und mächtige Totenköpfe grinsten ins Publikum. Diesmal ist die Spielfläche sehr viel einfacher gestaltet. Aber die Inszenierung des neuen Stücks „hildensaga.ein königinnendrama“ wird dadurch vermutlich nicht minder spektakulär.

Die Bühne vor dem Nordportal des Kaiserdoms besteht – abgesehen von zwei größeren Videoleinwänden im Hochformat – aus nichts anderem als einer großen Wasserfläche. In dem 100 Kubikmeter fassenden Bassin werden sich die Schauspielerinnen und Schauspieler denn auch die meiste Zeit während des Stücks aufhalten.

Bürger ärgern sich über vermeintliche Energieverschwendung

Die Planungen zum Bühnenbild der Nibelungenfestspiele in Worms habe den Viernheimer Werner Leupold nicht kalt gelassen: „In Zeiten von Wasser- und Energieknappheit finde ich es, gelinde gesagt, vermessen, 100 Kubikmeter Wasser zu vergeuden und diese auch noch auf 30 Grad Celsius zu erwärmen“, schreibt Werner Leupold an die Redaktion. In Schwimmbädern werde gerade die Wassererwärmung ausgeschaltet. Und da frage keiner nach dem Wohlbefinden der Badegäste. „Aber für einen ,Künstler’ und eine ,gestörte Regie’ wird warmes Wasser erzeugt. Hoffentlich gießt es bei der Veranstaltung, damit die Zuschauer auch warmes Wasser abbekommen“, wünscht der Viernheimer den Festspiel-Besuchern.

Leupold ist nicht der Einzige, den die vermeintliche Ressourcenvergeudung umtreibt. Auch bei der Wormser Festspielgesellschaft häufen sich nach der Präsentation des Bühnenbilds die Nachfragen in dieser Richtung. „Wir sind uns des Themas Umwelt und Klimaschutz durchaus bewusst“, sagt die Sprecherin der Nibelungenfestspiele, Iris Kühn. Allerdings klinge der Umstand, dass das Wasser des Beckens auf 30 Grad erwärmt wird, auch dramatischer, als sich die Fakten darstellten.

Unter anderem wegen der Speicherung der natürlichen Sonnenenergie habe man bei der Anlage des Bassins schwarze Teichfolie verwendet und eben nicht herkömmliche, helle Schwimmbadfolie. Außerdem sei der Pool zum überwiegenden Teil gerade mal knöcheltief. Nur ein schmaler Bereich hab eine Wassertiefe von 1,50 Meter. Das Wasser heize sich in diesen heißen Sommertagen somit quasi von alleine auf.

Proben in Neopren-Anzügen

Nicht zuletzt probten die Schauspieler aktuell in Neopren-Anzügen, damit das Wasser eben nicht vorab so hochgeheizt werden müsse. Die Temperatur von 30 Grad werde vor allem während der 14 Tage der Festspiele erreicht. Aber: Ja, es sei letztlich richtig, was der Bürger sage: „Wir heizen einen Pool“, so Sprecherin Iris Kühn. Allerdings nicht mit Gas, sondern mit Ökostrom des lokalen Energieversorgers.

„Nachhaltigkeit spielt schon seit längerer Zeit eine Rolle bei uns“, versichert die Sprecherin. So habe man frühzeitig die Beleuchtung der Festspiele auf stromsparende LED-Scheinwerfer umgerüstet. Auf diese Weise brauche man nicht nur weniger Strom, sondern komme sogar mit erheblich weniger Scheinwerfern aus, um die gleichen Lichteffekte zu erzeugen.

Energie gespart werde explizit, indem Geräte – auch über Nacht – abgeschaltet würden, damit sie keinen Stand-by-Strom verbrauchen.

Auch gebe es einen ganzen Fuhrpark an Fahrrädern, mit denen die Mitwirkenden sich durch die Stadt bewegen können und damit weitgehend auf Autos verzichten. Mehrweg-Geschirr für Publikum und Mitwirkende und Trinkwasser-Auffüllstationen im Backstage-Bereich seien weitere Punkte in Sachen Umweltbewusstsein. Die technische Betriebsdirektorin schaue jährlich aufs Neue gemeinsam mit der Intendanz darauf, an welchen Stellschrauben nachjustiert werden könne. bjz

Für Bühnenbildner Palle Steen Christensen, der vor vier Jahren schon an der Inszenierung des Festspielstücks „Siegfrieds Erben“, ebenfalls mit Regisseur Roger Vontobel, maßgeblich beteiligt war, ist das schlichte Bild eine reizvolle Herausforderung. „Es wird eine Menge Reflexionen durch die Wasserfläche geben“, deutet der Däne das an, was schon vor zwei Jahren hätte umgesetzt werden sollen. Doch dann kam die Pandemie und verordnete auch den Festspielen eine Zwangspause. Im vergangenen Jahr hatte Luther zum Reichstgasjubiläum den Vorzug erhalten. So kommt das Drama mit Brünhild und Kriemhild im Mittelpunkt des Geschehens eben in diesem Jahr auf die Bühne.

100 Kubikmeter Inhalt

Rein inhaltlich habe sich an den Plänen zur Inszenierung seit damals gar nichts verändert, nur technische Details, erläutert Christensen. Schließlich wiegen die 100 Kubikmeter Wasser inklusive des Beckens soviel, dass ein Statiker das Gewicht und die Tragekonstruktion des Beckens genau berechnen musste.

Vor vier Jahren habe man bei „Siegfrieds Erben“ viel mit Schlamm gearbeitet. Davon hätten einige Zuschauer auch etwas abbekommen, erinnert sich Christensen. Auch diesmal könnte das Publikum in den ersten Reihen ebenfalls durchaus ein paar Spritzer abbekommen. Aber diesmal sei es ja nur Wasser.

Damit die Darstellerinnen und Darsteller nicht frieren, wird das Wasser auf einer Temperatur von 30 Grad gehalten. Chlor sorgt dafür, dass keine Keime entstehen können. Schließlich ist das große Becken auch eine reizvolle Bademöglichkeit für Tauben,Turmfalken und anderes Federvieh rund um den Wormser Dom. Auch für die Kostüme sei der Spielort im Wasser eine Herausforderung. Die Schauspieler tragen auf jeden Fall spezielle rutschfeste Unterwasserschuhe.

Größter Sachsponsor

Gebaut haben das Wasserbecken Christian und Christina Augel mit ihrer Firma Well Solutions. Das Unternehmen aus Eich (Kreis Alzey-Worms) stellt den Festspielen das Becken kostenlos zur Verfügung und ist damit nach Darstellung der Festspielgesellschaft der größte Sachleistungssponsor in diesem Jahr. Über den finanziellen Gegenwert will Augel nicht reden. Es sei sicher ein fünfstelliger Betrag, lässt er sich dann doch entlocken. „Kultur ist ein Spiegel der Gesellschaft. Wenn die Kultur vor die Hunde geht, geht die Gesellschaft vor die Hunde“, begründet Augel sein Engagement.

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red
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Im Grunde sei es ein normales Schwimmbad, nur eben nicht in der gewohnten eckigen Form, sagt der Fachmann. Von der Masse des Wassers her hat er schon ähnlich große Pools gebaut. Die spezielle Form mit mehreren Ecken sei dagegen eine Herausforderung gewesen.

Tagsüber läuft eine Filteranlage, um das Beckenwasser von allem Dreck zu säubern. Sie werde jedoch am Abend zur Vorstellung jeweils abgeschaltet, um Lärm während des Stücks zu vermeiden, sagt Augel, der die Pooltechnik derzeit täglich überwacht: „Es wäre der Super-Gau, wenn das Becken zum Beispiel undicht werden würde.“

Projektionen auf Domfassade

Spektakulär dürften auch die Videoprojektionen auf der Domfassade werden. Derzeit proben die Techniker in den Nachtstunden und lassen allerlei Figuren über die Wände wabern. Bereits 2018 sorgten dreidimensionale Videoprojektionen für Überraschungen. So schien das Gotteshaus zu wackeln, und aus der Fassade wuchs das Gesicht von Schauspieler Jimi Blue Ochsenknecht. Dasselbe Team von damals ist nun in Worms wieder am Start.

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