Politischer Aschermittwoch

Bergsträßer FDP fordert mehr Transparenz und Kontrolle

Die Liberalen kritisieren, dass sich das Betreiben von Flüchtlingsunterkünften zu einem fragwürdigen Geschäftsmodell entwickelt hat.

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In angeregter Diskussion: Christopher Hörst, Till Mansmann, Burkhard Vetter und Gottlieb Ohl (v.l.). © Thomas Zelinger

Bergstraße. Ende vergangenen Jahres hatte die FDP in einem Antrag im Kontext der Haushaltsberatung gefordert, dass sich der Kreis auf seine Kernaufgaben konzentrieren möge. In einem Haushaltssicherungskonzept sollten konsolidierende Maßnahmen beschrieben werden, mit denen vor dem Hintergrund erwartbarer Defizite ein Haushaltsausgleich erreicht werden könnte.

Pflichtaufgaben und freiwillige Leistungen sollten auf ihre jeweils haushaltswirksamen Aspekte hin überprüft werden. Sinnhaftigkeit und Wirkung politisch gewollter, jedoch nicht verpflichtender Leistungen seien mit den Kernaufgaben eines hessischen Landkreises zu vergleichen und abzuwägen. Überschrieben war der Antrag mit dem Titel „Finanzielle Spielräume sichern – auf Kernaufgaben konzentrieren“.

Der Fraktionsvorsitzende im Kreistag, Christopher Hörst, bezeichnete das Papier beim politischen Aschermittwoch in Heppenheim als politischen Weckruf. Letzten Ende gehe es dabei nicht nur um die qualitative Definition irgendwelcher Leistungen, sondern um insgesamt mehr Effektivität in der kommunalen Selbstverwaltung, die durch mehr Kontrollmöglichkeiten seitens der gewählten Mandatsträger verbessert werden soll.

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Es sei nach wie vor nicht transparent genug, wie viel Geld wohin fließe. Dass dies selbst für Kreistagspolitiker schwer nachzuvollziehen sei, spreche – im negativen Sinn – für sich. Beim traditionellen Heringsessen im „Goldenen Engel“ verwies Hörst auf das Subsidiaritätsprinzip, nach dem Planungs- und Strukturentscheidungen über die zukünftige Gestaltung einer Stadt oder einer Gemeinde primär durch lokale Gremien selbst entschieden werden, bevor die Zuständigkeit übergeordneter Ebenen greift.

Ziel müssten souveräne, mit politischem und finanziellem Handlungsspielraum ausgestattete Städte und Gemeinden sein, die sich mit ausreichenden Mitteln auf ihre zentralen Aufgaben fokussieren. Dafür müsse man gegebenenfalls sogar die Hessische Gemeindeordnung (HGO) oder die Landkreisordnung überarbeiten, so der Fraktionschef. Er kritisierte, dass das Land zu viele Aufgaben von oben nach unten delegiere, ohne dabei die finanziellen, personellen oder infrastrukturellen Möglichkeiten der Kommunen zu berücksichtigen.

Beispielhaft nannte er die Not-Unterkünfte für geflüchtete Menschen im Kreis Bergstraße. Die Situation im Bensheimer Zeltlager war in den vergangenen Wochen sehr prominent auch in überregionalen Medien beleuchtet worden. Der Landkreis hatte diesbezüglich mehr Unterstützung von Bund und Ländern eingefordert, da es schwieriger werde, für immer mehr Menschen geeignete Unterkünfte zu finden.

Aufgaben auf die Kommunen abgewälzt

Das Land wälze hier elementare Aufgaben an die Kommunen ab, so Hörst, der in diesem Zusammenhang auf eine weitere, damit eng verzahnte Entwicklung hinweist: Die Errichtung und der Betrieb von Flüchtlingsunterkünften sowie daran gekoppelte Verträge mit der öffentlichen Hand über die Bereitstellung von teilweise enorm heruntergekommenen Immobilien und die Erbringung von Beherbergungsleistungen hätten sich im Kreis Bergstraße zu einem mehr als fragwürdigen, aber sehr lukrativen Geschäftsmodell entwickelt.

Damit würde mit der Not der Menschen Geld verdient. Das Land zahle hohe Prämien als finanzielle Hilfe für private Vermieter, die beispielsweise Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine Wohnraum zur Verfügung stellen. Es sei daher dringend geboten, solche Unterkünfte und die dahinter agierenden Köpfe genauer unter die Lupe zu nehmen, sagte Hörst. Es sei wichtig, das Thema öffentlich zu diskutieren, weil man sonst populistischen und rechtslastigen Parteien wie der AfD in die Hände spiele.

"Rechtslastigen Parteien mehr Zulauf verschafft"

Der Kreisbeigeordnete Burkhard Vetter befürchtet das ohnehin. Der Kreisvorsitzende der Vereinigung liberaler Kommunalpolitiker (VLK) und Vorsitzende der FDP Bürstadt geht davon aus, dass die verstärkte Zuweisung von Flüchtlingen eine Stimmung in der Gesellschaft befördere, die rechtslastigen Parteien wieder mehr Zulauf verschafft. Es sei daher notwendig, dass demokratische Parteien Fakten benennen können, ohne gleich massive Sanktionen – auch innerhalb der eigenen Partei – befürchten zu müssen.

Als Mitglied des Kreisausschusses sei es für ihn darüber hinaus nicht nachvollziehbar, dass er wesentliche Informationen zu der Flüchtlingsfrage aus den Medien erfahren müsse. Konkret nannte er die Planungen für ein Containerdorf für bis zu 250 Geflüchtete in Bürstadt, das spätestens April fertig gestellt sein soll. Vetter bezeichnete es als äußerst bedenklich, dass er als gewählter Kommunalpolitiker nicht in den Entscheidungsprozess eingebunden gewesen sei. Auch eine persönliche Anfrage beim Landrat sei bislang unbeantwortet, sagte er.

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Als einziger hessischer Landkreis hatte die Bergstraße bisher Flüchtlinge nicht auf die Kommunen verteilt, sondern selbst für deren Unterbringung gesorgt. Doch dann wurden die Ressourcen so knapp, dass auch die Kommunen Menschen aufnehmen müssen. Bereits Ende 2022 hatte der Landkreis alle Kommunen angesprochen, entsprechende Areale zu nennen. Angebote blieben zunächst aber aus. Seit Mai werden Flüchtlinge daher nach einem bestimmten Schlüssel auf die Kommunen verteilt.

Die Bergsträßer FDP fordert mehr Konsequenz bei der Abschiebung von Migranten ohne Aufenthaltsrecht. Derzeit werde Einwanderung in Deutschland nicht ausreichend gesteuert. Man müsse die Ausbildung der Menschen, die hier arbeiten wollen, schneller anerkennen. Die staatliche Rückführung sei ein Teil des Regelwerks, in dem illegale Migration und motivierte Integration klar voneinander unterschieden werden müssten. tr

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