Bergstraße. 13 Landkreise in Deutschland, in denen sich bereits abgeschaltete oder noch laufende Kernkraftwerke befinden, haben sich im Jahr 2022 zu einer gemeinsamen „Initiative zur Förderung des aktiven Konversionsprozesses in Landkreisen und Kommunen mit abgeschalteten Kernkraftwerken“ zusammengeschlossen.
Ziel ist, dass der Bund den anstehenden Strukturwandel in den 13 Landkreisen analog zu den Kohlerevieren angemessen unterstützt. Schließlich, heißt es in der Begründung, hätten die Landkreise jahrzehntelangmaßgeblich zur Energieversorgung in Deutschland beigetragen. Auch der Kreis Bergstraße ist der Initiative beigetreten.
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Für jeden dieser Landkreise sei mit diesem Prozess eine sehr lange Übergangsphase verbunden, in der er Unterstützung von Bund und Land benötige. Aber im Gegensatz zu den Milliardensummen, die für den Strukturwandel in den Kohlerevieren zur Verfügung stehen, gebe es für die Landkreise und Kommunen mit abgeschalteten Kernkraftwerken bislang noch keine vergleichbare Unterstützung.
„Diese Ungleichbehandlung bei einem Projekt der nationalen Energiesicherung ist aus unserer Sicht weder akzeptabel noch der betroffenen Bevölkerung vor Ort vermittelbar“, begründet der Bergsträßer Landrat Christian Engelhardt den Beitritt zur Initiative.
Versorgung Hessens mit bezahlbarer Energie
Über viele Jahre habe das Atomkraftwerk in Biblis einen entscheidenden Anteil zur Versorgung Hessens mit bezahlbarer Energie geleistet. Diese jahrzehntelange Leistung müsse sich nun auch in Unterstützung für eine sinnvolle und tragfähige Nachnutzung niederschlagen. „Wir wenden uns mit der Forderung an das Land Hessen, sich finanziell am Konversionsprozess für eine sinnvolle Nachnutzung der ehemaligen AKW-Flächen zu beteiligen“, so Engelhardt.
Der Bergsträßer Landrat erklärt weiter: „Alle betroffenen Landkreise benötigen erstens einen Ausgleichsfonds für wegfallende qualifizierte Arbeitsplätze. Zweitens halten sie eine Beteiligung an einer zukunftsorientierten nachhaltigen Energieerzeugung für sinnvoll. Und drittens erwarten sie die Unterstützung des Bundes bei der Weiterentwicklung der Infrastruktur sowie bei Anreizen für die Ansiedlung qualifizierter Betriebe zur Schaffung neuer Arbeitsplätze.“
Mit diesen Anliegen, konkretisiert in inhaltlichen Forderungen, werden sich die Mitglieder der Initiative an Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, wenden, um gemeinsame Gespräche über Förderungen aufzunehmen.
Drei konkrete Forderungen
Konkret erhebt die Initiative folgende drei Forderungen:
- „Die Wertschöpfung aus erneuerbaren Energien als Ersatz für die Kernenergie muss im Rahmen der Energietransformation sichergestellt werden. Hierzu ist eine Förderung zur Ansiedlung und für die Arbeit von Betrieben aus dem nachgelagerten Bereich der Energieerzeugung notwendig. Dazu gehören unter anderem die Herstellung, Speicherung und der Vertrieb von (grünem) Wasserstoff.“
- „Für die Schaffung von Wertschöpfung und zum Erhalt qualifizierter Arbeitsplätze muss ein Ausgleichsfonds eingerichtet werden. Die Landkreise und Kommunen abgeschalteter Kernkraftwerke müssen damit bei der Planung und Erschließung neuer Standortflächen für Industrie und Gewerbe unterstützt werden, da die Standorte der Kernkraftwerke hierfür auf Jahrzehnte hinaus nicht genutzt werden können. Zudem müssen hiermit finanzielle Anreize für Unternehmen geschaffen werden, damit diese sich in den Kommunen ansiedeln. Die durch die Abschaltung der Kernkraftwerke wegfallende Wertschöpfung und die wegfallenden Arbeitsplätze müssen so kompensiert werden.“
- „Zur Kompensation von verlorengegangenen Arbeitsplätzen müssen gezielt Forschungs- und Hochschuleinrichtungen der Länder und des Bundes sowie Landes- und Bundesbehörden in den betroffenen Landkreisen angesiedelt werden bzw. deutlich ausgebaut werden, sofern sie schon vorhanden sind. Insbesondere Forschungseinrichtungen zu erneuerbaren Energien können hier mit Betrieben aus dem Bereich der regenerativen Energieerzeugung Synergien bilden.“
Die Forderungen der Initiative zielten keineswegs darauf ab, pauschale Entschädigungen zu erhalten, wie Landrat Engelhardt ausführt: „Es geht uns darum, den Wandel hin zu einer sinnvollen und nachhaltigen Nutzung für die Zukunft zu fördern. Wir haben in unseren Landkreisen und Kommunen überdurchschnittlich viele kompetente und energieaffine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die möchten wir nach Möglichkeit halten.“
Die in den Kernkraftwerken weggefallenen Arbeitsplätze sollen mit neuen nachhaltigen Arbeitsplätzen rund in zukunftsträchtigen Bereichen kompensiert werden. „Wir möchten weiterhin einen wichtigen Beitrag zur Energieproduktion oder -speicherung leisten. Die aktuelle Situation führt uns vor Augen, wie dringend notwendig dies ist.“
Die Initiative zielt darauf ab, passgenaue und niedrigschwellige Förderungen durch den Bund und die Länder zu erreichen. Um bei diesem Anliegen breite politische Unterstützung zu erhalten, hat Engelhardt in einem ersten Schritt die Bundes- und Landtagsabgeordneten aus dem Kreis Bergstraße angeschrieben und um Unterstützung für die Initiative gebeten.
Mit Abgeordneten ins Gespräch kommen
Die Landräte aus den anderen Landkreisen der Initiative werden in gleicher Weise vorgehen. „Wir wollen mit sämtlichen Abgeordneten aus den betroffenen Landkreisen ins Gespräch kommen und auf diese Weise für eine breite Unterstützung unserer Ziele in Berlin und bei unseren jeweiligen Landesregierungen werben“, so Engelhardt.
Zur „Initiative zur Förderung des aktiven Konversionsprozesses in Landkreisen und Kommunen mit abgeschalteten Kernkraftwerken“ gehören: Landkreis Hameln-Pyrmont, Kreis Dithmarschen, Kreis Steinburg, Kreis Herzogtum Lauenburg, Landkreis Stade, Landkreis Wesermarsch, Landkreis Emsland, Kreis Bergstraße, Landkreis Schweinfurt, Neckar-Odenwald-Kreis, Landkreis Karlsruhe, Landkreis Landshut, Landkreis Günzburg. red
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