Bergstraße. Während der ehemalige Kraftwerksbetreiber RWE den Rückbau der beiden Blöcke Biblis A und B mit Macht vorantreibt, richtet sich die bundeseigene Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) aktuell darauf ein, sehr viel länger auf dem Kraftwerksgelände zu bleiben. RWE strebt danach, dass der Standort spätestens im Jahr 2032 aus dem Atomrecht entlassen wird. Die BGZ muss allerdings noch viel länger für die Sicherheit des zurückbleibenden hoch radioaktiven Mülls sorgen – solange, bis ein Endlager für die Brennstäbe in den Castorbehältern gefunden ist und bereitsteht. Wie lange das dauert, ist völlig offen.
BGZ-Sprecherin Genevieve Mulack schätzt, dass dies in den 2050er Jahren der Fall sein könnte. Die Schwestergesellschaft BGE will spätestens 2031 dem Bundestag einen Standort für ein Endlager hoch radioaktiver Abfälle vorschlagen. Wie lange es dauert, bis dann eine endgültige Entscheidung fällt und ein Endlager tatsächlich zur Verfügung steht, darüber streiten die Gelehrten schon jetzt.
Jetzige Genehmigung reicht nicht
Die BGZ und ihre Zuständigkeit
Die Bundeseigene Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) hat den Auftrag der sicheren Zwischenlagerung von Atommüll von den Kernkraftwerksbetreibern übernommen.
Seit 2017 ist sie für die zentralen Zwischenlager in Gorleben und Ahaus verantwortlich, seit 2019 auch für die dezentralen Zwischenlager an den Kraftwerksstandorten – somit auch für Biblis.
Geregelt ist diese Zuständigkeit auf Basis des Gesetzes zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung.
Derzeit arbeiten 26 Mitarbeiter für die BGZ am Standort Biblis. Sie sind vor allem für die Dokumentation des eingelagerten Atommülls und für den Strahlenschutz zuständig.
Sicherheit und Zuverlässigkeit haben laut BGZ-Sprecherin Genevieve Mulack oberste Priorität, auch bei der Auswahl der Mitarbeiter.
Das Brennelemente-Zwischenlager hat 135 Castor-Stellplätze, von denen aktuell 108 belegt sind. Es ist seit 2006 in Betrieb und bis 2046 genehmigt.
Außerdem gibt es zwei Abfall-Zwischenlager für schwach und mittelradioaktiven Müll, die 1982 und 2018 in Betrieb genommen wurden. z bj
Das Brennelemente-Zwischenlager verfügt allerdings nur eine Genehmigung bis zum Jahr 2046. Zu diesem Zeitpunkt wird auch nach Einschätzung der optimistischsten Experten noch kein Endlager zur Verfügung stehen. Im besten Falle müsse man zehn Jahre überbrücken, prognostiziert Genevieve Mulack. Man habe die Frist indessen im Blick und werde rechtzeitig eine Verlängerung der Genehmigung beantragen, so die Sprecherin. Biblis sei übrigens bundesweit nicht das erste Zwischenlager, für das die Betriebsgenehmigung ablaufe. Gorleben sei noch etwas früher dran.
In der jüngsten Sitzung des Informationsforums zum Rückbau des Atomkraftwerks Biblis am Montagabend erläuterten Mulack und der Leiter des Zwischenlagers, Dirk Jonas, wie sich das Brennelemente-Zwischenlager vom übrigen Kraftwerksstandort selbstständig machen will. Bis zum Jahr 2024 soll das Zwischenlager vollständig autark sein, also einen eigenen Sicherungszaun, eigene Zuwege, eine eigene Strom- und Wasserversorgung haben. Bis zu diesem Zeitpunkt soll auch ein neues, zweistöckiges Wach- und Funktionsgebäude stehen. „Wir werden uns ja hier für etliche Jahre aufstellen müssen“, sagte Jonas.
Nach dem Rücktransport der letzten sechs Castoren mit aufbereitetem hoch radioaktivem Atommüll aus dem britischen Sellafield ist das große Zwischenlager mit 108 Castorbehältern belegt. Platz wäre für insgesamt 135 Behälter. Es sind aber derzeit keine weiteren zusätzlichen Einlagerungen geplant.
Ebenfalls auf dem Gelände stehen zwei Lagerhallen für schwach und mittel radioaktiven Müll. Hier ist der weniger strahlende Abfall aus dem Kraftwerksbetrieb und dem bereits laufenden Rückbau deponiert. Derzeit stehen nach Angaben von Dirk Jonas in beiden Hallen rund 2500 Gebinde. Es kommen im Laufe des Rückbaus jedoch noch weitere Mengen dazu. Die Kapazitäten dafür seien auf jeden Fall vorhanden.
Erster Abtransport wohl 2027
Für diesen Atommüll gibt es bereits ein Endlager: Schacht Konrad bei Salzgitter. Die BGZ-Experten gehen davon aus, dass die ersten Atommüllbehälter mit schwach- und mittelradioaktivem Müll 2027 das Bibliser Zwischenlager über Straßen und Schienen in Richtung Endlager Konrad verlassen können.
Für die vollständige Selbstständigkeit der Anlage investiert die BGZ nach eigenen Angaben eine mittleren bis hohen zweistelligen Millionenbetrag.
Vor dem Bericht der BGZ, die zum ersten Mal am Info-Forum teilnahm, stellte Matthias Röhrborn, Leiter des Rückbaus am Kraftwerkstandort, die aktuelle Entwicklung vor. Demnach werden zahlreiche Anlagen abgebaut, um Platz für eine Rückbaufabrik zu schaffen. Dazu müssten mehr als 100 Räume leergeräumt werden. Neben den mächtigen Dampferzeugern werden auch die nicht mehr benötigten Sicherheitssysteme wie Flutbehälter oder Notnachkühlpumpen abgebaut. In den ehemaligen Lagerbecken für die Brennelemente würden die hoch radioaktiven Materialien unter Wasser verpackt.
Parallel dazu läuft der Aufbau des Gaskraftwerks auf dem Gelände des früheren Mitarbeiterparkplatzes. Dieses soll nach Fertigstellung voraussichtlich im Oktober kommenden Jahres auf Erdgas-Basis Strom in einer Größenordnung von 300 Megawatt erzeugen. Damit sorgt Biblis für die Stabilität des Stromnetzes in Süddeutschland.
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