Bergstraße. Bei der bundesweiten Suche nach einem geeigneten Standort für ein sicheres Atommüll-Endlager ist der Kreis Bergstraße noch nicht außen vor. Wie berichtet hat ein sich von einer Linie Lindenfels und Heppenheim Richtung Süden erstreckender Streifen die ersten beiden Hürden bei der Prüfung durch Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) genommen. Innerhalb dieses Gebietes liegen unter anderem die Weschnitztalgemeinden Fürth, Rimbach und Mörlenbach. Auf der interaktiven Karte des BGE-Endlagersuche-Navigators (navigator.bge.de) wird dieser Bereich türkisfarben dargestellt. Die Farbgebung bedeutet, dass dieses Gebiet die Prüfschritte 1 und 2 der „repräsentativen vorläufigen Sicherheitsuntersuchung“ weitgehend bestanden hat. Darin sind jedoch bislang nur bereits vorhandene Daten zum Untergrund eingeflossen. Ab 2028 sollen dann ausgewählte Areale, die diese ersten Hürden genommen haben, von der Oberfläche aus genauer untersucht werden.
„Viele Faktoren sprechen gegen die Ansiedlung eines Endlagers“
Der Kreis Bergstraße steht einem möglichen Endlagerstandort für hochradioaktive Abfälle im vorderen Odenwald kritisch gegenüber, heißt es in einem am Dienstag vom Landratsamt versandten Pressestatement. „Unsere Region ist dicht besiedelt, weist eine hohe Lebensqualität auf und ist geprägt durch eine vielfältige Kulturlandschaft sowie sensible Naturräume. Diese Faktoren sprechen klar gegen die Ansiedlung eines Endlagers“, sagt Landrat Christian Engelhardt.
Zudem trage der Kreis Bergstraße bereits heute erhebliche Lasten aus der Nutzung der Kernenergie: „Mit dem ehemaligen Atomkraftwerk Biblis und dem dortigen Zwischenlager für radioaktive Abfälle sind wir seit Jahrzehnten mit den Folgen der Energiepolitik konfrontiert.“ Es sei aus Sicht des Kreises nicht vertretbar, die Region erneut mit einer solchen Infrastruktur zu belasten.
Warum jetzt genau dieses Gebiet im vorderen Odenwald als geeignet angesehen wird und benachbarte Areale nicht, lässt sich im Endlagersuche-Navigator ablesen. Klickt man auf die in Kategorie C (geringe Eignung) einsortierten westlich und östlich angrenzenden Streifen auf der Karte wird unter anderem eine „ungünstige tektonische Gesamtsituation“ als Ausschlusskriterium genannt. Verwiesen wird auf zwei überregionale Störungszonen – die Otzberg-Störung und die Ostrandverwerfung des Oberrheingrabens. Hier kann es beispielsweise sein, dass es im Untergrund tektonische Verschiebungen gegeben hat und Gesteinsschichten zerklüftet sind.
Dem nördlich angrenzenden Bereich mit der Stadt Lindenfels selbst und dem Lautertal wird ebenfalls eine geringe Eignung (Kategorie C) bescheinigt. „In diesem Gebiet treten kristalline Wirtsgesteine auf“, heißt es in der Begründung.
Die Oberrheinische Tiefebene, in der unter anderem die Bergstraße und das hessische Ried liegen, war ohnehin nicht mehr für Untersuchungen in Betracht gekommen.
Bekannt wurden die aktuellen Einschätzungen am Montag, als die Bundesgesellschaft für Endlagerung am Montag zum zweiten Mal seit 2024 ihren aktuellen Arbeitsstand veröffentlicht hat. Die möglichen Endlager-Regionen in Hessen wurden dabei weiter eingegrenzt: Nach wie vor zählen Gebiete mit Steinsalz in Nord- und Osthessen sowie welche mit kristallinem Gestein in Südhessen zu den potenziell denkbaren Lagerstätten. Insgesamt sind das jedoch nur noch etwa drei Prozent der Landesfläche.
„Die Auswahl eines Endlagerstandorts ist ein sehr komplexer Prozess, der geologische Eignung, langfristige Sicherheit und gesellschaftliche Akzeptanz vereinen muss“, schreibt das Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) in einer Pressemitteilung. Ziel ist demnach, Ende 2027 mehrere Standortregionen vorzuschlagen, die eine bestmögliche Sicherheit für die Endlagerung erwarten lassen. Der geologische Landesdienst im HLNUG begleitet diesen Suchprozess für Hessen.
Bereits seit 2020 konzentrierte sich die Suche in Hessen auf Teilgebiete in Süd-, Nord- und Nordosthessen, die nur noch etwa 15 Prozent der Landesfläche umfassten. 2024 hatte die BGE bereits für Nord- und Nordosthessen voraussichtlich ungeeignete Steinsalz-Gebiete bekanntgegeben. Am Montag folgte die Bewertung für einen großen Teil des hessischen Kristallin-Gebietes, das aus der weiteren Endlagersuche ausscheidet. „Die nun vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass die verbleibenden Gebiete in Hessen weiterhin eine Schlüsselrolle in dieser bundesweiten Suche einnehmen“, so das HLNUG. Die nächsten Schritte werden entscheiden, wie es mit den verbleibenden Regionen weitergeht und welche Konsequenzen sich für die Bevölkerung, die Umwelt und die regionale Entwicklung ergeben.
Zwischenergebnisse sind nicht verbindlich
Gebiete, die den ersten oder zweiten von vier Prüfschritten nicht bestanden haben, wurden in die Kategorien D (ungeeignet) und C (geringe Eignung) eingeteilt. Sie sind für das weitere Verfahren voraussichtlich ungeeignet. So wurden das komplette Teilgebiet „Nördliche Phyllitzone“ südlich von Heusenstamm und ein Großteil des hessischen Anteils vom Teilgebiet „Mitteldeutsche Kristallinzone“ in Südhessen in die Kategorie C und somit als „gering geeignet“ eingestuft. Nur besagtes Gebiet südlich von Lindenfels bis zur südlichen Landesgrenze hat die beiden ersten Prüfschritte weitgehend bestanden. Noch nicht abgeschlossen sind die Arbeiten an den Prüfschritten 1 und 2 unter anderem bei den hessischen Anteilen des „Werra-Fulda-Beckens“ in Osthessen.
Die BGE weist laut HLNUG darauf hin, dass die Zwischenergebnisse nicht verbindlich sind, sondern sich im Laufe der weiteren Arbeiten noch ändern können, etwa durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Mitte 2026 und im Frühjahr 2027 sollen weitere Arbeitsstände veröffentlicht werden. Ende 2027 will die BGE abschließende Vorschläge für Standortregionen zur übertägigen Erkundung vorlegen, die dann vom Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) geprüft werden. Bei der Bewertung fließen neben den Ergebnissen der Sicherheitsuntersuchungen auch geowissenschaftliche Kriterien und planungswissenschaftliche Aspekte ein. Dabei könnte beispielsweise auch eine Rolle spielen, dass das jetzt nicht ausgeschlossene Gebiet im vorderen Odenwald ein Teil des Unesco-Geo-Naturparks Bergstraße-Odenwald ist. Am Ende beschließen nicht BGE oder BASE über die zu erkundenden Standorte, sondern der Deutsche Bundestag.
„Wir respektieren das laufende Verfahren der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), das sich derzeit in einer geowissenschaftlichen Prüfphase befindet. Aktuell kommt potenziell noch ein Viertel der Fläche Deutschlands als Endlager-Fläche aufgrund der geowissenschaftlichen Kriterien infrage. Eine abschließende Bewertung durch den Kreis kann jedoch erst erfolgen, wenn konkrete Standortvorschläge vorliegen und die raumordnerischen sowie gesellschaftlichen Kriterien in die Entscheidung einbezogen werden. Dies beginnt laut aktuellem Zeitplan ab 2028. Bis dahin werden wir den Prozess aufmerksam begleiten und die Interessen unserer Bürgerinnen und Bürger mit Nachdruck vertreten“, betont Landrat Christian Engelhardt.
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