Bergstraße. Was für ein Schlag ins Kontor. Binnen eines Tages hat die Aktie von Dentsply Sirona fast ein Viertel ihres Wertes verloren. Und Besserung ist vorerst nicht in Sicht. Zumal neben einer überraschenden Abschreibung von einer halben Milliarde Euro auf Firmenwerte auch noch die aktuelle Jahresprognose einkassiert wurde. Umsatz und Gewinn sollen nun schwächer ausfallen als bisher angekündigt. Auch eine Woche nach der Hiobsbotschaft war die Aktie so wenig Wert wie die letzten 20 Jahre nicht. Viel Arbeit habe man vor sich, sagte Konzernchef Simon Campion. Die Transformation wolle er fortsetzen, wohin genau, hat er nicht gesagt. Nur von Initiativen gesprochen, die positiv zur Profitabilität beitragen und die Grundlage des Unternehmens langfristig stärken. An der Börse wird da noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten sein. Einige Finanzanalysten haben die Aktie bereits abgestuft.
Eine komplett entgegengesetzte Entwicklung weist das zweite große Unternehmen an der Bergstraße auf. Die Aktie des Elektrotechnikkonzerns TE Connectivity erlebte zuletzt einen Höhenflug. Im Geschäftsjahr 2024 wurden Rekordwerte bei Gewinn und Marge erzielt. Im nächsten Quartal sollen Umsatz und Gewinn weiter steigen. Außerdem will der Konzern künftig Aktien in Höhe von 2,5 Milliarden Dollar zurückkaufen. Das Unternehmen stellt elektronische Steckverbindungen her und profitiert unter anderem von der weltweit wachsenden Produktion von Elektroautos.
Unterm Strich bleibt das Depot Bergstraße/Südhessen stabil
Immerhin konnte der Höhenflug von TE Connectivity den Absturz von Dentsply Sirona im Depot Bergstraße/Südhessen auffangen. Und auch noch die Schwäche der Aktie des Darmstädter Merck-Konzerns. Unter Strich blieb in den vergangenen vier Wochen der Depotwert Bergstraße/Südhessen stabil. Das Depot Rhein-Main verlor ein Prozent, allerdings in ganzer Breite und mit nicht so hohen Ausschlägen bei den Einzelwerten. Mit zwei Prozent im Plus lag das Depot Rhein-Neckar. Damit schnitten alle drei Depots im Aktienranking des BA zuletzt besser ab als der Deutsche Aktienindex Dax, der zwei Prozent verlor.
Die Schwäche von Merck führen Finanzanalysten auf Misserfolge mit den Kassenschlager-Kandidaten Evobrutinib (Multiple Sklerose) und Xevinapant (Krebs) zurück. Die wenig erfolgreiche Pharmaforschung von Merck ist schon häufiger Gegenstand von Kritik gewesen. Positiv wertet James Quigley von der US-Investmentbank Goldman Sachs Studiendaten zum Krebsmittel Pimicotinib. Diese seien wertvoll für die Einlizenzierungsstrategie des Chemie- und Pharmakonzerns. Nach der Bekanntgabe von Quartalszahlen in dieser Woche gab der Aktienkurs im Handelsverlauf nach. Und das obwohl sich das Geschäft mit Halbleitermaterialien erholte, die Pharmasparte gut lief und auch in der Laborsparte, die zuletzt unter Nachfragelücken gelitten hatte, ging es erstmals wieder voran. Die Jahresprognose wurde präzisiert. Ziel ist jetzt ein Mittelwert der bisherigen Bandbreite der Erwartungen. Und der Umsatz dürfte eher am unteren Ende der Vorhersage liegen, teilte Merck mit. Das könnte der Börse zu wenig gewesen sein.
Im Depot Rhein-Neckar spielten sich in den vergangenen Wochen ähnliche Szenen ab wie im Depot Bergstraße/Südhessen. Für negative Stimmung sorgte die Aktie des Chemiekonzerns BASF, für gute Nachrichten war der Softwarekonzern SAP zuständig.
Die schweizerische Großbank UBS hat die Einstufung für BASF nach einer Investorenkonferenz auf „Neutral“ belassen. Dort habe Konzernchef Markus Kamieth von einer Fortsetzung der guten Dynamik im Kerngeschäft des dritten Quartals in den Oktober hinein berichtet, so Analyst Geoff Haire. Die Aussichten für die BASF verbessern sich, meint Chris Counihan vom Analysehaus Jefferies in seinem Ausblick für 2025. Nach 32 Monaten sinkender Gewinnschätzungen sieht auch Aktienanalystin Georgina Fraser von der US-Investmentbank Goldman Sachs bei der BASF den Boden erreicht.
Beim Softwarekonzern SAP geht es weiter aufwärts. Analyst Charles Brennan vom Analysehaus Jefferies verwies auf die kürzlich vorgelegten Zahlen des Softwareherstellers zum dritten Quartal und die angehobenen Jahresziele hin. Insgesamt habe sich gezeigt, dass SAP sich besser als andere in einem unverändert schwierigen Umfeld schlage. Das Unternehmen bleibe die beste Momentum-Story im europäischen Software- und Dienstleistungssektor.
Für Unruhe sorgte dieser Tage der Energiekonzern MVV, der ankündigte sein Gasnetz in Mannheim ab 2035 stillzulegen. Fernwärme könnte ein Ersatz sein. Die hat für die MVV den Vorteil, dass es, anders als beim Gas, keine direkte Konkurrenz gibt und so auch Preiserhöhungen einfacher sein dürften. Die Aktionäre (die Stadt Mannheim hält 50,1 Prozent, der Vermögensverwalter First Sentier Investors 45 Prozent) sind vor allem an einer stabilen Dividende interessiert, Gas hin oder her.
Ebenfalls ein Stabilitätsanker im Depot Rhein-Neckar ist die Aktie des Schmierstoffspezialisten Fuchs (früher Fuchs Petrolub). Trotz belastender Sondereffekte sei die Profitabilität gestiegen, so Analyst Lars Vom-Cleff von Deutsche Bank Research. Bei einem anderen Mannheimer Traditionsunternehmen sieht es weniger gut aus. Wenn die heftige Gewinnwarnung von Südzucker im September eines deutlich gemacht habe, dann dass die kommenden 12 bis 15 Monate kein Zuckerschlecken würden, meint Analyst Axel Herlinghaus von der DZ Bank. Die Weltmarktpreise hätten sich zwar zuletzt stabilisiert, doch führe insbesondere der EU-Zuckermarkt aktuell - wegen höherer EU-Lagerbeständen - ein unschönes Inselleben. Auf dem gegenwärtigen Niveau sei die Aktie weitgehend fair bewertet. Ein Engagement dränge sich aber nicht auf.
Im Depot Rhein-Main gaben die Aktien von Deutscher Bank und Commerzbank leicht nach. In Reaktion auf die Zahlen zum dritten Quartal lasse er seine Gewinnprognosen für die Jahre 2024 bis 2026 weitgehend unverändert, so Analyst Kian Abouhossein von der US-Bank JPMorgan. Für die Aktie der Deutschen Bank sieht er weiteres Aufwertungspotenzial und in ihr den „Top Pick“ unter den globalen Investmentbank-Papieren.
Die kanadische RBC hat das Kursziel für die Commerzbank-Aktie gesenkt. Der Stachel niedrigerer Zinsen mache sich bemerkbar, meint Analystin Anke Reingen. Eine mögliche Übernahme durch die italienische Unicredit bleibe sehr wahrscheinlich. Weil aber die Gewinne der Commerzbank sänken und eine Übernahmeofferte wohl nicht so schnell kommen wie zunächst gedacht, sinke das Kursziel.
„Der Winter kommt, aber die Fluggesellschaften haben sich warm angezogen“, so Analyst Alexander Irving vom US-Analysehaus Bernstein Research über die Lufthansa. Auf den Nordatlantik-Routen gingen die Fluggesellschaften am diszipliniertesten mit ihren Kapazitäten um. Der größte Bremsklotz blieben die Asien-Strecken, auf denen der Aufholprozess nach der Covid-Pandemie noch immer andauere. Conor Dwyer von der US-Investmentbank Morgan Stanley sieht bei der Lufthansa eine Bodenbildung nach dem erneut schwachen Geschäftsbericht. Operativ zeichne sich eine Besserung ab.
Das dürfte auch für den Flughafenbetreiber Fraport gelten. Dirk Schlamp von der DZ Bank betont, dass wichtige Projekte auf einem guten Weg seien. Er bleibt aufgrund der relativ niedrigen Bewertung und der erwarteten weiteren Verkehrserholung bei seiner Kaufempfehlung für die Aktie.
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