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Inklusive Mode und Muster für alle

Menschen mit Behinderungen haben andere Anforderungen an Kleidung. Innovative Designer schaffen Stücke mit dehnbaren Stoffen und passenden Schnitten

Von 
Pia Benthin
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Adaptive Mode soll sich Lebenssituationen anpassen: Dazu gehört, dass Kleidung beim Anschieben eines Rollstuhls nicht stört. © Ekaterina Yakunina/Westend61/dpa-tmn

Trier/Mannheim. Tief geschnittene Jeans mögen bequem sein. Doch wer sich hinsetzt, merkt womöglich: Da schaut hinten ziemlich viel Haut raus. Sitzt man lange Zeit, drücken vielleicht Nieten und Taschen. Und wie gut passt ein Trenchcoat, wenn man ihn nicht im Stehen trägt?

Beispiele, die eines zeigen: Nicht jedes Kleidungsstück sitzt immer. Vor allem aber: Nicht jedes Stück deckt die Bedürfnisse aller Menschen gleichermaßen ab. Menschen, die die meiste Zeit sitzend verbringen, zum Beispiel im Rollstuhl, haben andere Ansprüche an Kleidungsstücke als Menschen, die für gewöhnlich gehen.

Mode, die auf diese Bedürfnisse eingeht, nennt man adaptive Mode. „Adaptive Mode schließt niemanden aus und wird auf Augenhöhe mit Menschen mit Behinderung entwickelt“, erklärt Anna Flemmer, Modedesign-Expertin für Inklusion.

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Von
Sabine Meuter
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Inklusive Mode sollte „easy und intuitiv“ sein, so die Designerin, „und sich an den Bedürfnissen der Zielgruppe orientieren“. Eine klassische Rollstuhlhose ist hinten höher geschnitten und hat längere Beine.

Obwohl der Markt für adaptive Mode wächst, kann es eine Herausforderung sein, Stücke zu finden, die den Geschmack treffen. Anna Franken, die eine neuromuskuläre Erkrankung hat und im Rollstuhl sitzt, störte sich vor allem an der Eintönigkeit der Rollstuhlmode. Sie ist Modedesignerin und Gründerin des adaptiven Modelabels Wundersee Fashion, das Kleidungsstücke in rollstuhlgerechten Schnitten designt. „Ich habe geschaut, was ich selbst im Alltag brauche, vor allem, um die Mode besser an- und ausziehen zu können“, sagt Franken.

In der Kollektion von Wundersee Fashion ist der Trenchcoat vorne lang und hinten kurz, „damit man den Mantel auch unterwegs im Rollstuhl leicht an- und ausziehen kann“, erklärt Franken. Zudem schließt ihr Modell mit Magneten und hat kürzere Ärmel, damit die beim selbstständigen Anschieben eines Rollstuhls nicht stören.

Franken, die Mitglied im Verband Deutscher Mode- und Textil-Designer (VDMD) ist, und für diesen im Rat des Deutschen Designtags sowie im Fachausschuss Inklusion des Deutschen Kulturrates, designt mithilfe von Onlineumfragen. Es gibt Kniffe, die viele Bedürfnisse abdecken, sagt sie. Zum Beispiel, dass auf der Unterseite keine Nähte sein sollten, weil diese zu Druckgeschwüren führen könnten.

Etiketten in Brailleschrift

Und es geht bei adaptiver Mode nicht nur um die Funktionalität der einzelnen Stücke. Auch modische Teilhabe ist ein Aspekt. Manche Menschen mit Behinderung würden etwa gar keine speziellen Bedürfnisse äußern und möchten lieber herkömmliche Mode kaufen, weiß Anna Flemmer aus dem mehrjährigen Austausch mit Menschen mit Behinderung und der Arbeit mit Fokusgruppen. Dafür wäre es hilfreich, wenn Läden mit Blindenleitsystem ausgestattet oder Onlineshops barrierefrei seien.

Flemmer entwirft „Mode für alle, aber eben mit dem Schwerpunkt Sehbehinderung“, wie sie sagt. Solche Stücke lassen sich wenden. Sinnvoll dann, wenn es schwerfällt, die rechte und linke Stoffseite zu unterscheiden. Wichtig sei auch Pflegehinweise und Größen barrierefrei darzustellen, beispielsweise auf Korketiketten in Brailleschrift oder mit QR-Codes zum Vorlesen.

Dehnbarer Stoff

Manchmal machen etwa schon kleine Details einen Unterschied – Reißverschlüsse zum Beispiel, die bewusst an anderer Stelle gesetzt werden. Und sind Oberteile kurz geschnitten und gehen nur bis zur Taille, kann das Menschen, die Stunden im Büro sitzen, gleichermaßen entgegenkommen wie Menschen, die einen Rollstuhl verwenden.

In der Kollektion der Designerin Claire Common findet sich eine Hose mit aufgenähten Taschen auf Kniehöhe. Das kann praktisch sein für Menschen, die im Rollstuhl sitzen. Ein Kleid sei aus einem dehnbaren Stoff gestrickt, „zieht sich aber wieder zusammen und behält dadurch seine Form“, erklärt Common. „Das ist sowohl inklusiv als auch adaptiv, weil man leicht die Möglichkeit hat einzusteigen.“ dpa

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