Mannheim. Bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg haben SPD und Grüne Federn lassen müssen. „Auf den letzten Metern haben die etablierten Parteien nach dem Entsetzen über Donald Trumps Ukraine-Politik einen Mobilisierungsschub erhalten. Das hat auch zu einer höheren Wahlbeteiligung geführt - und zwar auf Kosten der AfD“, sagt Matthias Jung von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen. Die SPD verteidigt in der Hansestadt klar ihre Position als stärkste Partei. Während die Grünen, die 2020 so stark wie nie waren, Stimmen verlieren, legt die CDU nach ihrem Fiasko vor fünf Jahren deutlich zu, bleibt aber weiter vergleichsweise schwach. Die Linke schafft erneut ein sehr gutes Ergebnis, die AfD gewinnt leicht, bleibt jedoch weit unter ihrem Ergebnis bei der Bundestagswahl.
„Das Wahlergebnis muss man abgekoppelt von den bundespolitischen Rahmenbedingungen sehen. Trotz der zeitlichen Nähe zur Bundestagswahl haben sich die Wählerinnen und Wähler an den Problemen in der Hansestadt orientiert“, sagt Jung. Die SPD punktet mit Sachkompetenz, hohem Ansehen und einem überragenden Spitzenkandidaten. Gute Noten gibt es auch für die rot-grüne Senatsarbeit. „CDU und AfD können in Hamburg, wo die Probleme ganz anders gelagert sind als im Bund, inhaltlich kaum landen, im großstädtischen Umfeld haben beide Parteien weiterhin große strukturelle Defizite“, analysiert Jung.
Sozialdemokraten sind in Hamburg besonders beliebt
Basis für den SPD-Erfolg ist ihre hohe Reputation vor Ort. Auf der Beliebtheitsskala von plus fünf bis minus fünf erzielen die Sozialdemokraten einen Wert von 2,3. Die Bundes-SPD kommt nur auf 0,8. Die Hamburger Grünen (0,7) werden nur wenig besser bewertet als die Bundespartei (0,2), rangieren aber trotz heftigen Imageeinbußen vor einer weiterhin indisponierten Hamburger CDU (0,0).
Sehr schwach ist in Hamburg auch das Ansehen der Bundes-CDU (0,2; 2020: 0,6), deren Chef keinen Rückenwind bringt: Zwar hat das Abschneiden der Union bei der Bundestagswahl nach Meinung von 42 Prozent der CDU jetzt geholfen, Friedrich Merz hat in Hamburg aber ein klares Negativimage (minus 0,7).
Schwacher Spitzenkandidat der CDU
In einer ganz anderen Liga spielt Hamburgs Regierungschef: Peter Tschentscher (SPD) bescheinigen 79 Prozent im Amt gute Arbeit. Er bleibt auch dank parteiübergreifend hohem Ansehen mit 2,3 (2020: 2,7) in der Ministerpräsidenten-Spitzenklasse. Katharina Fegebank (Grüne) wird trotz Einbußen positiv gesehen (1,1; 2020: 1,7). Die CDU hatte mit Dennis Thering einmal mehr einen schwachen Spitzenkandidaten im Rennen (0,2). Als zukünftigen Ersten Bürgermeister bevorzugen 56 Prozent aller Befragten Tschentscher, nur 15 Prozent sind für Fegebank und lediglich 14 Prozent für Thering.
SPD-Vorsprung bei „Wirtschaft“ und „Zukunft“
Bei den Parteikompetenzen besonders bemerkenswert bleibt der klare SPD-Vorsprung bei „Wirtschaft“ und „Zukunft“ – in einer Stadt, in der Wirtschaftslage und Zukunftsfähigkeit relativ gut bewertet werden. Anders als im Bund oder in anderen Bundesländern meint hier mit 57 Prozent außerdem eine Mehrheit, dass Hamburg „die vielen Flüchtlinge verkraften kann“. Das Ansehen der AfD ist extrem schlecht (minus 3,9) und 83 Prozent der Befragten meinen, dass diese Partei „nicht zu einer weltoffenen Großstadt wie Hamburg passt“.
Bei wenig Bundespolitik und viel Lokalkolorit war die Bürgerschaftswahl am Ende auch ein Votum für Kontinuität im Senat: Während ein Bündnis aus SPD und CDU in Hamburg abgelehnt wird, erzielt eine Koalition aus SPD und Grünen ein Zustimmungsniveau von 58 Prozent.
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