Das Wichtigste in Kürze
* Die CDU/CSU legt laut Politbarometer zu, während die AfD Stimmen verliert. * Die hitzige Debatte um Union und AfD im Bundestag änderte wenig an Umfragewerten. * Viele Deutsche halten Merz nicht für kanzlertauglich, sehen ihn aber als geringeres Übel.
Mannheim. Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) hat in den vergangenen eineinhalb Wochen von seinen politischen Gegnern eine Menge einstecken müssen, weil die Union im Bundestag gemeinsame Sache mit der AfD gemacht hat. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich warf dem CDU-Politiker sogar vor, er hätte damit das „Tor zur Hölle“ geöffnet. Merz wiederum attackierte das linke Lager. Selten zuvor war die Stimmungslage im Berliner Polit-Betrieb so aufgeladen. Vor diesem Hintergrund ist das Ergebnis der Sonntagsfrage der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen überraschend unspektakulär, denn es gibt kaum Bewegung.
Die Debatte nach dem tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg hat jedenfalls weder der Union geschadet noch der AfD genutzt. Die CDU/CSU legt leicht um einen Prozentpunkt auf 30 Prozent zu, die AfD büßt einen ein und kommt auf 20 Prozent. Die FDP muss weiter um den Einzug in den Bundestag zittern, ihr fehlt dafür ein Prozentpunkt. Auch im linken Lager tut sich wenig. Die Grünen verbessern sich leicht auf 15 Prozent (plus eins) und teilen sich damit den dritten Platz mit der SPD (unverändert). Die Linke erzielt jetzt sechs Prozent (plus eins) und steigert ihre Chancen auf den Verbleib im Parlament.
Warum hat sich aber am Meinungsbild der Deutschen nach dem Riesenstreit um die gemeinsame Abstimmung von Union und AfD im Bundestag so wenig geändert? „Die Wählerinnen und Wähler kennen die Protagonisten auf der politischen Bühne, die alle keine besonders guten Imagewerte haben, schon lange. Das Thema Asyl und Flüchtlinge ist zwar extrem aufgeladen, die hitzige Debatte führt aber dazu, dass sich die jeweiligen politischen Lager in ihrer Einstellung bestätigt fühlen. Es ist eine Wechselwirkung zwischen Selbstvergewisserung und Gegenmobilisierung“, sagt Matthias Jung von der Forschungsgruppe.
50 Prozent der Befragten glauben, dass die Brandmauer hält
Wie groß die Lagerbildung ist, zeigt sich bei der Frage, ob die Union der Demokratie geschadet hat, weil sie einen Antrag in den Bundestag eingebracht hat, bei dem sie für eine Mehrheit bewusst die Stimmen der AfD in Kauf genommen hat. Genau 50 Prozent der Befragten sehen darin eine Gefahr für die Demokratie. 24 Prozent bestreiten dies, für 22 Prozent spielt die gemeinsame Abstimmung von Union und AfD keine große Rolle. Besonders stark ist die Kritik am Verhalten der Union mit 77 Prozent bei der SPD-Anhängerschaft. Noch größer ist die Empörung in den Lagern der Linke (89 Prozent) und der Grünen (85 Prozent). Dagegen begrüßen 63 Prozent der Anhängerinnen und Anhänger der AfD die gemeinsame Abstimmung im Parlament.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schürt im Wahlkampf jetzt auch das Misstrauen gegen Merz. Er behauptet, dass es nach der Bundestagswahl womöglich sogar zu einer schwarz-blauen Koalition kommen könnte. Merz schließt das kategorisch aus. 50 Prozent der Befragten erwarten, dass sich die CDU an ihr Wort hält und auf Bundesebene auch weiter eine politische Zusammenarbeit mit der AfD ablehnt. 43 Prozent glauben das nicht. Dass die Brandmauer fällt, erwarten 60 Prozent der AfD-Anhänger, bei der Linke sind es 64 Prozent, im Lager der Grünen sehen 60 Prozent das so. „Das linke Lager wird Merz ohnehin nicht wählen, für Merz ist entscheidend, dass 79 Prozent der Unionsanhänger ihm glauben. Auch in der FDP sehen 63 Prozent das so“, sagt Jung. Nach seiner Einschätzung würde es für Merz erst dann kritisch, wenn sich daran etwas ändern würde.
FDP bei der Bundestagswahl das Zünglein an der Waage
Apropos FDP. Merz macht gegenwärtig mächtig Stimmung gegen die Liberalen. „Vier Prozent sind vier Prozent zu viel für die FDP und vier Prozent zu wenig für die Union“, sagt der Unionskanzlerkandidat und macht damit klar, dass es keine Leihstimmen für die FDP geben darf, selbst wenn diese dann an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern würde. „Das ist in meinen Augen ein großer strategischer Fehler, denn damit lenkt Merz die Aufmerksamkeit auf die FDP. Das ist aber gefährlich für die Union“, sagt Jung. Warum? „Es gibt im bürgerlich-liberalen Bereich eine große Wählerschaft, die sich überlegt, ob sie wirklich der Union ihr Stimme geben soll, weil das dann zwangsläufig dazu führen würde, dass die CDU/CSU mit der SPD oder den Grünen koaliert. Und das schmeckt vielen nicht“, so der Wahlforscher. Trotz aller Polarisierung des Wahlkampfs geht die Mehrheit der Deutschen in der Tat davon aus, dass sowohl die SPD als auch die Grünen nach der Bundestagswahl bereit sind, mit der Union zu koalieren.
Ob es nach dem Wahltag wirklich für ein Zweierbündnis reicht, hängt aber auf Basis der aktuellen Umfrage vom Abschneiden der FDP ab. Bleibt sie draußen, läuft es auf Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün hinaus. Sollten es die Liberalen aber dennoch schaffen, wäre die Mehrheit futsch. Erst recht, wenn auch noch das BSW die Hürde nehmen würde. Die Wahrscheinlichkeit, dass Olaf Scholz das Kanzleramt nach dem 23. Februar räumen muss, ist mit Blick auf das aktuelle Politbarometer jedenfalls gestiegen, von der erhofften Aufholjagd seiner Sozialdemokraten ist nichts zu spüren. Dafür, dass die Union ihren großen Vorsprung bis zur Bundestagswahl in zwei Wochen noch verspielt, gibt es derzeit keine Anzeichen. Immerhin sind CDU und CSU so stark wie SPD und Grüne zusammen. Aber Umfragen sind eben keine Wahlergebnisse.
„Die Deutschen treffen ihre faktische Wahlentscheidung erst in zwei Wochen. Es wird diesmal auch weniger Briefwahlen als in der Vergangenheit geben“, sagt Jung. Rund ein Drittel der Deutschen hat sich noch nicht festgelegt. Vielleicht wollen sich auch deshalb 45 Prozent der Befragten das TV-Duell am Sonntag zwischen Scholz und Merz ansehen. Ein Drittel will es sich noch überlegen. Allerdings erwarten 41 Prozent, dass es keinen Gewinner geben wird. Womöglich liegt das auch daran, dass die Mehrheit der Deutschen Merz nicht für kanzlertauglich hält. „Er ist für viele das geringere Übel, 2021 war das bei Scholz der Fall“, sagt Jung.
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