Das Wichtigste in Kürze
- Das ZEW Mannheim analysierte die Steuerpläne der Parteien zur Bundestagswahl.
- Niedrige Einkommen profitieren bei SPD, Grünen, Linke und BSW, hohe bei Union, FDP, AfD.
- Die Steuerpläne finanzieren sich durch unterschiedliche Belastungen für Staat und Steuerzahler.
Rhein-Neckar. Am 23. Februar haben die Deutschen die Qual der Wahl. Sie stimmen nicht nur darüber ab, ob Olaf Scholz (SPD) das Kanzleramt räumen muss oder wie es mit dem Heizungsgesetz und der Hilfe für die Ukraine weitergeht. Wer sein Kreuz hinter einer bestimmten Partei macht, entscheidet auch darüber, ob er künftig mehr oder weniger Geld auf dem Konto hat. Denn mit ihren Steuerplänen verfolgen die Parteien unterschiedliche Ziele.
ZEW Mannheim untersucht Reformvorschläge der Parteien
Das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat untersucht, wie sich die zentralen Reformvorschläge der Parteien auf die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte auswirken. Konzentriert haben sich die Forscher dabei auf die Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag, die Vermögensteuer, das Bürgergeld, den Mindestlohn und die Pläne für ein Klimageld. Nicht berücksichtigt wurden Maßnahmen, die sich nicht auf die verfügbaren Einkommen, sondern auf die Kaufkraft auswirken - also zum Beispiel die Mehrwertsteuer oder die CO2-Abgabe. Angeschaut hat sich das ZEW die Pläne der im Bundestag vertretenen Parteien und des BSW. Andere Parteien haben nach den bisherigen Umfragen der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen keine Chancen auf den Einzug ins Parlament.
Aus den Berechnungen des ZEW-Teams lassen sich zwei Trends herauslesen: „SPD, Grüne, Linke und BSW wollen untere und mittlere Einkommen entlasten. Sie würden das über höhere Steuern für Spitzenverdienerinnen und -verdiener finanzieren. Bei Union, FDP und AfD steigen hingegen die Entlastungen mit dem Einkommen“, sagt ZEW-Wissenschaftler Holger Stichnoth.
Die Linke will Geringverdiener besonders stark entlasten
Ein Alleinverdiener-Ehepaar mit zwei Kindern und niedrigem Einkommen würde von den Steuerplänen der Linke am meisten profitieren. Bei einem Bruttoeinkommen von 40.000 Euro jährlich hätte das Ehepaar 6.150 Euro mehr in der Tasche. Beim BSW (1.010), den Grünen (870), der SPD (860) und der Union (300) würde die Entlastung deutlich niedriger ausfallen.
Weniger auf dem Konto hätte die Familie, wenn FDP oder AfD ihre Wahlprogramme umsetzen könnten. Besonders stark würde das Minus bei den Liberalen mit jährlich 1.520 Euro ausfallen. Der Hauptgrund dafür sind nach Angaben des ZEW die Reformpläne der FDP beim Bürgergeld. Bei der AfD wäre die Belastung mit 440 Euro geringer. Zwar plant auch die AfD Steuererleichterungen, die Anrechnungsregeln beim Wohngeld wirken sich aber negativ aus. Wer ein höheres Einkommen hat, stellt sich schon ab 60.000 Euro pro Jahr auch bei der AfD und der FDP steuerlich besser.
AfD entlastet Spitzenverdiener am meisten
Bei den Programmen von Union, FDP und AfD profitieren Haushalte mit hohem Einkommen stärker von den geplanten Steuerreformen. Besonders hoch fällt die Entlastung bei der AfD aus: Ein Alleinverdiener-Ehepaar mit zwei Kindern könnte bei einem jährlichen Bruttoverdienst von 180.000 Euro ein finanzielles Plus von 19.100 Euro erzielen. Nicht ganz so stark ausfallen würde die Entlastung bei der FDP (11.900) und der CDU/CSU (5.840). Deutlich geringer wäre das Steuerplus bei der SPD mit 2.200 Euro. Sollten die Grünen an die Regierung kommen und ihre Steuerpläne durchsetzen, hätte die Familie nur 100 Euro mehr im Jahr in der Tasche. Beim BSW würde sich gar nichts ändern. Nur die Linke würde die einkommensstarke vierköpfige Familie belasten - aber auch nur mit 800 Euro.
Was wollen die Parteien genau ändern?
Und wie sehen die Steuerpläne der Parteien konkret aus? Die SPD will den Grundfreibetrag erhöhen. Der Spitzensteuersatz soll von 42 auf 45 Prozent steigen, auch die Reichensteuer wollen die Sozialdemokraten erhöhen – nämlich von 45 auf 47 Prozent. Dagegen soll der Freibetrag beim Solidaritätszuschlag von 18.130 auf 21.189 Euro steigen. Die Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge würde nach diesen Plänen dagegen wegfallen. Allerdings wollen die Sozialdemokraten die Reichen zur Kasse bitten. Nach ihrer Vorstellung soll nämlich die Vermögensteuer wieder aktiviert werden. Vermögen über 100 Millionen Euro würden mit zwei Prozent besteuert. Den Mindestlohn will die SPD auf 15 Euro im nächsten Jahr anheben. Außerdem soll es ein Klimageld von 136 Euro pro Person geben.
Union plant keine Änderung beim Spitzensteuersatz
Die Union will wie die SPD den Einkommensteuertarif spürbar abflachen und den Grundfreibetrag erhöhen. Der Spitzensteuersatz bliebe allerdings unverändert, soll aber erst ab einem zu versteuernden Einkommen von 80.000 Euro (derzeit 66.700 Euro) fällig werden. Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende soll auf 4.500 Euro steigen. Den Solidaritätsbeitrag möchte die Union abschaffen. Der Kindergeldfreibetrag soll auf 11.000 Euro steigen, auch Familien würden nach der Vorstellung von CDU und CSU mehr Kindergeld bekommen.
Die Grünen wollen den Grundfreibetrag auf 12.500 Euro anheben. Der Solidaritätszuschlag soll wegfallen, im Gegenzug aber der Spitzensteuersatz auf 46,5 Prozent (ab 73.500 Euro) steigen. Ab 100.000 Euro würde ein Steuersatz von 48 Prozent fällig. Wie die SPD wollen die Grünen die Abgeltungssteuer abschaffen, der Mindestlohn soll im nächsten Jahr auf 15 Euro steigen.
Wie hat das ZEW Mannheim gerechnet?
Die ZEW-Forscher untersuchten, welche finanziellen Wirkungen die Reformvorschläge verschiedener Parteien für Privathaushalte entfalten. Die Berechnung beruht auf Daten des Sozio-Ökonomischen Panels (SOEP).
Berücksichtigt wurden die Programme der aktuell im Bundestag vertretenen Parteien sowie des Bündnisses Sahra Wagenknecht. Waren die Vorschläge in den Programmen zu unkonkret für eine Berechnung, trafen die Forscher plausible Annahmen auf Basis von Beschlüssen und Äußerungen der Parteien. Die Berechnung berücksichtigt dabei keine ökonomischen Folgewirkungen. Ob beispielsweise ein angehobener Mindestlohn nicht nur das Einkommen erhöht, sondern darüber hinaus auch Jobs kostet, oder Steuerentlastungen für Wirtschaftswachstum sorgen, wurde nicht berechnet.
Die Berechnungen wurden in Kooperation mit der „Süddeutschen Zeitung“ durchgeführt. Die SZ hat bei der Recherche der Wahlprogramme unterstützt, das ZEW hat die Informationen durchgerechnet.was
Die Liberalen planen eine Anhebung des Grundfreibetrags um 1000 Euro. Der Spitzensteuersatz soll erst ab 96.000 Euro greifen. Die Liberalen wollen den „Mittelstandsbauch“ abschaffen, es soll nur noch eine Progressionszone geben. Der Solidaritätszuschlag soll wegfallen, der Sparer-Freibetrag für Kapitaleinkünfte auf 2.000 Euro verdoppelt werden. Das Wohngeld würde gestrichen und der Regelsatz für das Bürgergeld müsste sinken.
Die AfD will den Grundfreibetrag auf 15.000 Euro erhöhen. Die Werbungskostenpauschale soll nach ihrer Vorstellung auf 2.000 Euro, der Kinderfreibetrag auf 12.000 Euro steigen. Der Solidaritätszuschlag wird demnach gestrichen, den Sparer Freibetrag für Kapitalerträge will die AfD anheben. Die Partei will außerdem ein Familiensplitting einführen, dies hätte zur Folge, dass die Summe der erzielten Einkünfte durch die Zahl der Familienmitglieder geteilt würde.
Linke will eine „Milliardärssteuer“ einführen
Die Linke will den Grundfreibetrag auf 16.800 Euro anheben. Der Steuersatz soll ab 70.000 Euro auf 53 Prozent steigen. Bei der Reichensteuer plant die Linke einen Satz von 60 Prozent ab 260.533 Euro und 75 Prozent bei einem Einkommen ab einer Million Euro. Außerdem soll die Vermögensteuer wieder aktiviert werden. Der Steuersatz soll je nach Höhe des Vermögens progressiv steigen. Bei Milliardären würde das Vermögen mit zwölf Prozent besteuert. Dagegen soll der Regelsatz des Bürgergelds auf 813 Euro steigen. Das Kindergeld will die Linke auf 379 Euro im Monat erhöhen, jede Person soll außerdem ein jährliches Klimageld in Höhe von 320 Euro als Direktzahlung erhalten.
Das BSW will ebenfalls die Vermögensteuer reaktivieren, die wie bei der Linken progressiv - allerdings nicht so stark - auf drei Prozent bei Vermögen ab einer Milliarde Euro steigen soll. Anheben will das BSW den Mindestlohn auf 15 Euro. Auch den Grundfreibetrag will das BSW anheben - nämlich auf 16.600 Euro.
Größter Haushalt bei SPD, Linke, Grünen und BSW
Natürlich müssen die Steuerpläne auch finanziert werden. Das wiederum wirkt sich auch auf den Staatshaushalt aus. Dieser besteht aus den Budgets der Sozialversicherung und den Haushalten des Bundes und der Länder. Am stärksten wachsen würde der Etat nach den Plänen der Linken - nämlich um 46 Milliarden Euro. Bei den Grünen wären es etwas mehr als vier Milliarden Euro, beim BSW etwas weniger. Die Vorschläge der SPD summieren sich auf Mehrausgaben von mehr als einer Milliarde Euro. Bezahlen müsste das alles der Steuerzahler, die privaten Haushalte würden also stärker belastet.
Dagegen sinken die staatlichen Einnahmen nach den vom ZEW untersuchten Plänen von FDP, AfD und Union. Bei den Liberalen müsste der Staat insgesamt mit 116 Millionen Euro weniger auskommen. Bei der AfD wären es immerhin noch 97 Millionen Euro. Bei der CDU/CSU würden die Mindereinnahmen mit 47 Milliarden Euro bedeutend geringer ausfallen. Dies wiederum käme den privaten Haushalten zugute, die dann entlastet würden.
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