Mannheim. Ampel-Desaster, Sieg der Unionsparteien und starke AfD – so lassen sich die Highlights der Bundestagswahl zusammenfassen. „Hauptgründe für das SPD-Fiasko sind ein historisch schwacher Kanzler, Defizite bei den Top-Themen Wirtschaft und Migration und die miserable Bilanz der rot-grün-gelben Bundesregierung“, sagt Matthias Jung von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen.
Verantwortlich für die SPD-Schlappe ist natürlich auch der Bundeskanzler. „Olaf Scholz war im Wahlkampf omnipräsent und hat bis zur letzten Minute immer wieder sein Mantra wiederholt, dass er es doch noch schaffen kann“, sagt Jung. Er wirft Scholz allerdings auch die falsche Wahlkampfstrategie vor: „Warum haben die Sozialdemokraten ihren Wahlkampf nicht auf soziale Themen zugeschnitten? Daraus hat die Linke Kapital geschlagen“, sagt Jung. Diese habe mit Forderungen wie höhere Steuern für die Reichen an den Wahlurnen gepunktet.
Vom Ampel-Frust haben bei der Bundestagswahl die anderen Parteien profitiert. „Die Basis für den CDU/CSU-Wahlsieg legen mehr denn je ältere Menschen, inhaltlich punktet die Union mit ökonomischem Sachverstand und Zukunftskompetenz. CDU/CSU-Spitzenkandidat Friedrich Merz überzeugt nur bedingt, hat aber im Kanzlerkandidaten-Quartett dank noch schwächerer Konkurrenz einen relativen Vorteil“, so die Analyse des Mannheimer Wahlforschers.
CDU/CSU überzeugt vor allem beim Thema „Wirtschaft“
Bei den Inhalten kann die Union laut der Wahlanalyse am ehesten ökonomisch überzeugen: In einem Umfeld, in dem die Wirtschaft auf Talfahrt und Deutschlands Zukunftsvorbereitung so schlecht wie nie gesehen wird, setzen bei „Wirtschaft“ und „Zukunft“ die meisten auf die Politik der Union. 48 Prozent meinen, dass sich die Wirtschaftslage mit einer CDU/CSU-geführten Regierung verbessern würde. Dass durch sie dann auch die Probleme im Bereich „Flüchtlinge und Asyl“ besser gelöst würden, glauben dagegen nur 40 Prozent. Bei den Parteikompetenzen in diesem Bereich liegen die Unionsparteien nur relativ knapp vor der AfD (26/21). „Die Union hätte viel stärker das Wirtschaftsthema bespielen sollen. Wenn alle nur noch über Asyl und Flüchtlinge reden, spielt das der AfD erst recht in die Karten“, sagt Jung.
Die AfD – sie hat den größten Stimmenzuwachs am Wahlsonntag verbuchen können – ist keine reine Protestpartei mehr, wie der Blick auf die Daten belegt. Gewählt wird sie für 68 Prozent ihrer Anhänger wegen der „politischen Forderungen der AfD“ und nur für 29 Prozent „als Denkzettel“. Häufiger flankiert vom Gefühl der Benachteiligung heißt das wichtigste Wahlmotiv im AfD-Lager „Flüchtlinge und Asyl“ – in einem Land, das nach Ansicht von 62 Prozent aller Deutschen (AfD-Anhänger: 92 Prozent) die „vielen Flüchtlinge nicht mehr verkraften“ kann.
Für die eigene Wahlentscheidung war „Flüchtlinge und Asyl“ (28 Prozent) in der Gesamtheit zwar wichtiger als „Rente“ (22) oder „Klimaschutz“ (20), noch mehr Relevanz hatten aber „Frieden und Sicherheit“ (51) „Wirtschaft“ (40) und „Soziale Gerechtigkeit“ (34 Prozent). „Während die SPD in ihrer Domäne soziale Gerechtigkeit viel Vertrauen verliert, legt die Linke hier klar zu; für 42 Prozent ist die Linke die einzige Partei, die wirklich Politik für Menschen mit geringem Einkommen macht‘“, fasst Jung zusammen.
Massive Unterschiede nach Alter, Geschlecht und Wohnort
Zur starken Polarisierung bei den Kandidaten und bei vielen Themen kommen massive Unterschiede im Wahlverhalten nach Alter, Geschlecht oder Wohnort. In der Generation 60plus wählen 38 Prozent CDU/CSU und 23 Prozent SPD, bei den unter 30-Jährigen sind es gerade noch 13 beziehungsweise elf Prozent. Nach einem spektakulären Plus stärkste Partei wird in der Gruppe U30 mit 24 Prozent die Linke, die AfD schafft 21 Prozent, die Grünen kommen hier nur noch auf zwölf Prozent.
Nachdem die CDU/CSU bei Männern stärker zulegt als bei Frauen, erzielt sie bei Männern 29 Prozent und bei Frauen 27 Prozent. Noch deutlicher ist der Gender-Gap bei der AfD (23/17 Prozent), die besonders viele Männer mittleren Alters rekrutiert. SPD und Linke sind bei Frauen erfolgreicher als bei Männern (SPD: 18/15 Prozent; Linke elf/sieben)
In Städten mit über 100.000 Einwohnern ist neben den Grünen jetzt auch die Linke überproportional stark. „Union und AfD haben in Großstädten ihre bekannten Defizite, in kleineren Städten liegen beide Parteien über ihrem Gesamtergebnis“, sagt Jung.
Was die nächste Koalition betrifft, überwiegen durchweg die Vorbehalte. Am geringsten ist die Distanz gegenüber einer Koalition aus Union und SPD (gut/schlecht/egal: 38/47/12 Prozent). Noch weniger Zustimmung gibt es zu Schwarz-Grün und zu allen Dreierbündnissen. Eine Koalition der CDU/CSU mit der AfD wird klar abgelehnt (gut/schlecht/egal: 20/74/vier Prozent). Dabei gilt die AfD, in der 69 Prozent der Befragten eine Gefahr für unsere Demokratie sehen, auch qualitativ nicht als Alternative: Trotz Ampel-Desaster und Unions-Defiziten glaubt nur ein Viertel der Deutschen, dass ein Mitregieren der AfD zu besserer Politik führen würde.
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Kommentar Merz wird Kanzler, aber gewonnen hat die AfD