Berlin. Der syrische Diktator Baschar al-Assad wurde durch islamistische Rebellen gestürzt. Doch mehrere internationale Akteure verfolgen verschiedene Interessen in dem Land. Ein Überblick.
Türkei
Die Türkei ist der große Gewinner des Assad-Sturzes. Präsident Recep Tayyip Erdoan hat die Rebellengruppen in der nordwestsyrischen Provinz Idlib seit Jahren mit Geld, Waren und vermutlich auch Waffen unterstützt.
Erdoan hat zwei Schlüssel-Prioritäten. Erstens will er die rund drei Millionen syrischen Migranten, die die Türkei aufgenommen hat, in ihr Heimatland zurückführen. Der innenpolitische Druck auf den Staatschef hat zugenommen, weil die Türkei in einer Wirtschaftskrise steckt. Zusätzliche soziale Kosten für die Geflüchteten will Erdoan vermeiden. Zweitens möchte er verhindern, dass die Kurden in Nordostsyrien ihre Autonomieregion in einen Staat umfunktionieren. Die Türkei hat in Nordsyrien eine Pufferzone errichtet. Von dort aus greifen türkische Soldaten zusammen mit islamistischen Rebellen immer wieder kurdisches Gebiet an.
Israel
Die Regierung in Jerusalem hat ein überragendes Interesse daran, dass Syrien nicht mehr Teil der pro-iranischen und damit israelfeindlichen „Achse des Widerstandes“ ist. Sie will verhindern, dass Waffen aus dem Iran durch Syrien zur schiitischen Hisbollah-Miliz im Libanon transportiert werden. Von dort aus hat die Hisbollah seit Oktober 2023 immer wieder Raketen auf Israel abgefeuert. Auch soll ausgeschlossen werden, dass schiitische Milizen und iranische Revolutionsgarden von Syrien aus Ziele in Israel anvisieren können. Nach dem Sturz Assads verlegte Israel seine Streitkräfte in die Pufferzone auf den besetzten Golanhöhen und an anderen Orten. Die israelische Luftwaffe hat auch eine Chemiewaffenfabrik in Syrien angegriffen – aus Sorge, dass die Waffen in die Hände der Rebellen fallen könnten. Wie sich die Islamisten gegenüber Israel positionieren, ist derzeit unklar.
USA
US-Präsident Joe Biden will vermeiden, dass ein instabiles Syrien zu einem Rückzugsort für islamistische Terroristen wird. Aus diesem Grund haben die USA auch noch rund 900 Soldaten in dem Land stationiert. Die USA führen dort immer wieder Luftschläge gegen Rest-Gruppierungen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) aus – so auch am Sonntag.
Ob der zukünftige US-Präsident Donald Trump dieses eher defensive Engagement fortführt, ist offen. Auf seiner Plattform Truth Social schrieb er: „Syrien ist ein Durcheinander, es ist nicht unser Freund. Die Vereinigten Staaten sollten nichts damit zu tun haben.“
EU
Die Europäer wollen in Syrien nur eins: Stabilität. Ein Machtkampf unter den Anti-Assad-Rebellen würde die Gefahr neuer Flüchtlingswellen erhöhen. Umgekehrt hofft die EU, dass eine stabile Regierung und mehr gesellschaftliche Freiheiten Millionen syrische Geflüchtete zu einer Rückkehr in ihr Heimatland bewegen könnten. Europa könnte in diesem Fall Wirtschaftshilfe leisten. Manch einer in der EU wünscht sich, dass die Gemeinschaft die Entwicklung nicht nur von der Seitenlinie beobachtet, sondern bereits heute diplomatische Initiativen ergreift.
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