Ukraine-Krieg

Die Folgen für das Atomkraftwerk

Die Anlage Saporischschja braucht zur Kühlung Wasser aus dem Dnipro. Ist das nach dem Dammbruch noch möglich?

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bk/ja
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Ein russischer Soldat bewacht das Kernkraftwerk Saporischschja. © AP/dpa

Berlin. Berlin Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms droht dem Kernkraftwerk Saporischschja zwar keine unmittelbare Gefahr. Von Überschwemmungen ist es nicht betroffen, da es flussaufwärts am Dnipro liegt. Trotzdem hat der Dammbruch auch für Europas größtes Atomkraftwerk durchaus Folgen, die gefährlich werden können, wie der Leiter des radiologischen Notfallschutzes im Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), Florian Gering, und Nicole Meßmer, Referentin für Krisenkommunikation, erläutern.

Das aus sechs Blöcken bestehende AKW bezieht Wasser für seine Kühlung aus einem Wasserbecken, das mit dem Dnipro über einen Kanal verbunden ist. Welche Auswirkungen ein Bruch des Staudamms auf das Kernkraftwerk Saporischschja hätte, wurde bereits 2011 in einem EU-Stresstest untersucht, an dem sich die Ukraine freiwillig beteiligte. Als Ursache war damals ein Erdbeben angenommen worden. Der Stresstest ergab, dass auch nach einem Bruch des Damms nicht mit einem abrupten Absinken des Pegels im Kühlteich zu rechnen sei.

Laut BfS ist der Wasserstand des durch einen Damm geschützten Kühlbeckens offenbar noch nicht betroffen. Der Wasserstand des Stausees lag am Dienstagmorgen bei 16,6 Metern, was bis aufWeiteres zur Kühlung des Kraftwerks ausreicht. Ein weiterer Abfall des Wasserstandes kann aber nicht ausgeschlossen werden.

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Michael Backfisch
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Nach Informationen der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) verfügt das Atomkraftwerk neben dem Wasserbecken über zusätzliche Möglichkeiten zur Kühlung. Seit dem 11. September 2022 sind die Reaktoren heruntergefahren - der Kühlbedarf ist daher nicht mehr so hoch wie in einem in Betrieb befindlichen Kraftwerk. Die Stromversorgung der Anlage ist derzeit gewährleistet.

Radioaktivität gesunken

Das Bundesamt für Strahlenschutz sieht mehrere direkte und indirekte Faktoren, die die Gefahr eines Störfalls oder Notfalls erhöhen. Dazu zählen der Krieg in der Region, die angespannte Personalsituation im Kraftwerk, dessen lückenhafte Kontrolle und Versorgung mit Ersatzteilen sowie die Stromversorgung. Das Positive ist, dass das von Russland seit März vergangenen Jahres besetzte AKW schon seit mehreren Monaten abgeschaltet ist und dadurch die Radioaktivität in den Blöcken – insbesondere von radioaktivem Jod – deutlich gesunken ist.

Käme es in einem der vier Reaktoren zu einem unbeherrschbaren Notfall wie im japanischen Fukushima, erwarten Experten in einem Nahbereich von bis zu 20 Kilometern die größten Strahlenbelastungen. Hier besteht die größte Gefahr, an Krebs zu erkranken. Die Betroffenen müssen mit einer Evakuierung rechnen.

In 100 bis 200 Kilometern Entfernung ist die Bevölkerung auch noch erheblichen Strahlungen ausgesetzt. Hier sollten sich die Menschen zum eigenen Schutz in Häusern oder Keller aufhalten – insbesondere Kinder, Jugendliche und Schwangere sollten Jodtabletten erhalten, sollte es zu einem Notfall kommen.

Für den Strombedarf der Ukraine hat das AKW erhebliche Bedeutung. Die Ukraine erzeugt mehr als 50 Prozent ihres Stroms aus Kernkraft. Aktuell sind drei Atomkraftwerke am Netz: Chmelnyzkyj, Riwne und Süd-Ukraine. Alle laufen störungsfrei und haben einen hohen Sicherheitsstand, der mit westlichen Standards vergleichbar ist. bk/ja

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