Regierung

Außenpolitik wird feministisch

Annalena Baerbock und Entwicklungsministerin Svenja Schulze präsentieren neue Leitlinien, die Frauen mehr berücksichtigten

Von 
Jan Dörner
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Annalena Baerbock (Grüne) stellt die neuen Leitlinien zur feministischen Außenpolitik im Weltsaal des Auswärtigen Amts vor. © Wolfgang Kumm/dpa

Berlin. Die Außenministerin gibt sich gelassen: Es handele sich um eine Selbstverständlichkeit, sagt Annalena Baerbock (Grüne). Man sorge „auch in der Außen- und in der Entwicklungspolitik dafür, dass wir mit unserer Politik alle Menschen erreichen.“ Die Außenministerin steht mit Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) vor dem Kanzleramt. Zuvor hatte das Bundeskabinett die neuen Leitlinien der Bundesregierung für eine feministische Außen- und Entwicklungspolitik beraten. Unsere Redaktion beantwortet die wichtigsten Fragen:

Feministische Außenpolitik: Worum geht es dabei?

Die Hälfte der Weltbevölkerung seien Frauen, sagt Baerbock. Deswegen müssten ihre Probleme in der Außenpolitik berücksichtigt werden. Das sei nicht überall auf der Welt der Fall. „Außenpolitik ist ein Politikbereich, dessen Strukturen in besonderem Maße männlich dominiert sind und daher die Perspektive, die Ideen und die Erfahrungswelt von Männern privilegieren“, schreibt Claudia Zilla in einer Analyse für die Stiftung Wissenschaft und Politik.

Ein Grundgedanke feministischer Außenpolitik ist, dass Frauen in Diplomatie, Regierungen und Parlamenten stärker vertreten sein müssen, damit auch ihr Blick in politisches Handeln einfließt. Damit sollen Frauen und ihre Lage in Krisen und Konflikten gleichberechtigt in den Fokus genommen werden.

Woher kommt der Begriff der feministischen Außenpolitik?

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Th. Knuf, Chr. Rebhan
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Schweden erklärte 2014, fortan eine „feministische“ Außenpolitik zu verfolgen. Die Regierung in Stockholm definierte eine „3R“-Formel: Rechte von Frauen stärken, ihre Repräsentation in der Politik erhöhen und Ressourcen gezielt zur Verbesserung der Lage von Frauen einsetzen. „Ressourcen sind nicht nur Geld“, erläutert Schulze. Es gehe auch um Zugang zu Bildung, zum Gesundheitswesen oder zum Finanzsystem in Form von Krediten.

Welche Probleme drohen, wenn die weibliche Perspektive fehlt?

Wird etwa in einem Land ein Konflikt um Wasserressourcen geführt, ist es aus der Sichtweise feministischer Außenpolitik falsch, wenn eine internationale Friedenstruppe nur auf den Hauptstraßen präsent ist. Denn es ist häufig Aufgabe der Frauen, Wasser aus Brunnen zu holen. Dafür gehen sie oft über Feld- und Waldwege, wo sie ungeschützt sind. Wer das bei der Suche nach einer Befriedung der Spannungen nicht mitdenkt, könnte mit seinen Bemühungen um eine Lösung des Konflikts leicht scheitern. Die Lehre früherer Konflikte sei: Sind Frauen nicht sicher, ist niemand sicher, beschreibt Baerbock das Konzept. Die Außenministerin nennt als praktisches Beispiel den Wiederaufbau eines von der islamistischen Terrororganisation Boko Haram zerstörten Dorfes in Nigeria: Wenn man bei der Planung der Sanitäranlagen nach dem Geruch gehe, könne man auf den Gedanken kommen, sie am Dorfrand zu planen. Frage man sich aber, was es für Frauen und Kinder heißt, die Toiletten nachts aufzusuchen, dann treffe man diese Entscheidung anders. Es mache auch einen großen Unterschied, ob es in dem Dorf Elektrizität und damit eine Beleuchtung zentraler Plätze gebe: „Weil Frauen im Dunklen in Gebieten, die ohnehin unsicher sind, nicht allein vor die Tür gehen können“, sagt Baerbock.

Wie können Frauen in Konflikten geschützt werden?

Vergewaltigungen, sexuelle Versklavung und andere geschlechtsspezifische Verbrechen gehörten zu vielen bewaffneten Konflikten, heißt es in den Leitlinien des Auswärtigen Amts für eine feministische Außenpolitik. „Oft sind sie nicht nur Begleiterscheinungen, sondern brutaler Teil der strategischen Kriegsführung.“ Vergewaltigungen dürften nicht als Normalität im Krieg akzeptiert werden, fordert Baerbock. „Feministische Außenpolitik bedeutet, sich dagegenzustellen, klarzumachen, dass Vergewaltigungen ein Kriegsverbrechen sind. Und dass die Täter zur Verantwortung gezogen werden müssen“, schreibt ihr Ministerium.

Was heißt feministische Außenpolitik für das Militär?

Bei der Ausbildung und Zusammensetzung von Friedensmissionen müsse die Frage gestellt werden, wie der Schutz von Frauen erhöht werden könne, fordert Baerbock. Dazu gehöre, dass auch Soldatinnen der Truppe angehören, weil diese nach Sexualverbrechen im Gegensatz zu ihren männlichen Kameraden einen Zugang zu den Opfern aufbauen können. Auch dürfen Soldaten in manchen Ländern Frauen nicht durchsuchen und abtasten, Soldatinnen schon. „Ein stärkerer Anteil von Frauen auch in Armeen erhöht die Sicherheit von ganzen Gesellschaften“, ist Baerbock überzeugt.

Wie will die Bundesregierung Frauen stärker fördern?

Hilfsgelder sollten künftig „gendersensibel“ eingesetzt werden, kündigt Baerbock an. Am Beispiel des Dorfes in Nigeria bedeutet das: Die Bundesregierung will sichergehen, dass der Wiederaufbau allen Bewohnern zugutekommt. Schulze plant, dass bis 2025 insgesamt 93 Prozent der neu zugesagten Projektmittel an Vorhaben gehen, die Gleichstellung voranbringen. Bisher sind es etwa 65 Prozent.

Welche Kritik gibt es an feministischer Außenpolitik?

Manche Kritiker befürchten, dass unter dem Label „feministisch“ Politik nur für Frauen gemacht werden soll. Es sei auch nicht feministisch, wenn die Politik gezielt auf Menschenrechte und Bedürfnisse von Schwächeren oder Minderheiten achte. Anderen ist die Idee zu unkonkret, um in der Praxis Erfolg zu haben. „Wir sind nicht naiv. Wir werden mit einer feministischen Außenpolitik nicht alle Probleme dieser Welt lösen können“, sagt Baerbock. „Aber wir werden damit genauer hinschauen.“

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