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SPD-Mehrheit steht hinter Faeser

Die Doppelrolle als Bundesinnenministerin und Spitzenkandidatin macht der SPD-Politikerin anders zu schaffen als erwartet

Von 
Gerhard Kneier
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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will hessische Ministerpräsidentin werden und wirbt beim Landesparteitag für sich. © Andreas Arnold/dpa

Hanau. Die SPD-Politikerin Nancy Faeser geht bei der Landtagswahl am 8. Oktober als Bundesinnenministerin ins Rennen um das Amt des hessischen Ministerpräsidenten. Dass sie ihren Berliner Kabinettsposten aber nur bei einem Wahlsieg aufgeben will, hat ihr zunächst vor allem bei der politischen Konkurrenz heftige Kritik eingebracht. Von einer „Rückfahrkarte“ war die Rede, die Spitzenkandidatur für die hessische SPD betreibe sie nur halbherzig. Doch im beginnenden Landtagswahlkampf spielt das Thema kaum eine Rolle. Die Doppelrolle als Innenministerin im Bund und SPD-Kandidatin in Hessen erweist sich indes auf andere Art als problematisch.

Wegen Asylkompromiss kritisiert

„Nancy Seehofer? Nein danke“ steht auf dem Schild einer Frau, die am Samstag zu etwa einem Dutzend Demonstranten vor der Halle in Hanau gehört, in der gleich der entscheidende Landesparteitag der hessischen Sozialdemokraten zur Landtagswahl beginnt. Fünf Tage zuvor ist die ehemalige SPD-Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti mit heftiger Kritik an dem von Faeser mit ausgehandelten Flüchtlingskompromiss der EU aus der Partei ausgetreten. Die Bundesinnenministerin hatte sich vergeblich dafür eingesetzt, Familien mit Kindern von den verschärften Asylverfahren an den Außengrenzen der Union auszunehmen. Weil er Verbesserungen für die Flüchtlinge an anderer Stelle vorsieht und damit das Bekenntnis der Europäischen Union zum individuellen Asylrecht enthält, trug sie den Kompromiss dennoch mit.

Doch das ging auch einer Reihe von SPD-Mitgliedern zu weit. „Not my Europe“ (Nicht mein Europa) steht auf den T-Shirts einiger Jusos und Linken in der Parteitagshalle, die mit den Flüchtlingslagern an den EU-Außengrenzen unzufrieden sind. Und die Jungsozialisten haben einen Initiativantrag vorgelegt, der ein striktes Nein zu dem Vorhaben enthält. Doch schnell wird auf dem Parteitag klar, dass die SPD Hessen mit ganz großer Mehrheit hinter Faeser steht. Auf Platz Eins der Landesliste zur Landtagswahl erhält sie in geheimer Wahl ein Rekordergebnis von 94,4 Prozent. Freudestrahlend nimmt die 52-Jährige einen Ebbelwoi-Bembel mit der Aufschrift „Hessen ist Chefin-Sache“ als Geschenk entgegen und bedankt sich für das „überragende Ergebnis, das beste, das ich jemals von der hessischen SPD bekommen habe“.

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307 Delegierte stimmten für Faeser, nur 13 mit Nein, und fünf enthielten sich. Knapp vier Monate vor der Landtagswahl sei ihre Partei geschlossen, „geschlossener geht gar nicht“, fügt sie vor Journalisten hinzu. Allerdings liegt die SPD in den Umfragen noch sieben Prozentpunkte hinter der CDU. Das sei aber „in Schlagweite“, sagt Faeser und verweist darauf, dass ihre Partei vor der Bundestagswahl noch weiter zurücklag und dennoch gewonnen habe. Mit dem Rückenwind von Hanau könne es die SPD auch in Hessen noch schaffen, wieder Nummer Eins zu werden.

Protestbriefe spielen keine Rolle

Bei aller Kritik am Asylkompromiss, die auf dem Parteitag fast nur die Jusos artikulieren, stellt sich die SPD in Hanau in allen Punkten demonstrativ hinter die Frau, die nach der Kür zur ersten Bundesinnenministerin Deutschlands jetzt erste Ministerpräsidentin Hessens werden will. Der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky gibt in seinem Grußwort gleich zu Beginn die Richtung vor und lobt, dass Faeser in der EU den lange erhofften, aber bislang nie erreichten Kompromiss zum Asylrecht gefunden hat. „Danke dafür, Nancy“, ruft er unter Beifall aus. In der rund zweistündigen Aussprache über Faesers Rede spielt das Thema so gut wie keine Rolle. Ebenso wenig der Austritt Ypsilantis oder der Protestbrief von drei ehemaligen Landtagsabgeordneten gegen den Asylkompromiss.

Erst am Nachmittag kommt der Leitantrag des Parteivorstands zu diesem Thema dran, mit dem der Kritik die Spitze genommen werden soll. Darin wird auf die derzeit „schrecklichen Zustände“ in den Flüchtlingslagern, illegalen Pushbacks und Menschenrechtsverletzungen verwiesen. Dazu stelle die Einigung die für den Moment beste noch zwischen den Regierungen realisierbare Alternative zum Status quo dar. Beifall erhält Landrat Wolfgang Schuster aus dem Lahn-Dill-Kreis, der auf die mit Zeltstädten für Flüchtlinge überlasteten Kommunen verweist und Faeser dafür dankt, dass jetzt endlich etwas geschehe. Am Ende geht der Vorstandsantrag klar durch.

Einstimmig angenommen wird das Wahlprogramm „Die besten Kräfte für Hessen“. Faeser nennt Sicherung der Arbeitsplätze, Bildung, Gesundheitspolitik und sozialen Wohnungsbau als Schwerpunkte. Ohne ihn auch nur einmal beim Namen zu nennen, bezeichnet sie den aktuellen Regierungschef Boris Rhein (CDU) als „Grüß-August“, den sie mit Handeln und Anpacken ablösen wolle. Auch die Landesliste für die Wahl im Oktober geht in Hanau glatt durch.

Korrespondent

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