Theater Mobile

Wilhelm Busch swingt in Zwingenberg mörderisch

Von 
Thomas Tritsch
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Das „Huub Dutch“-Duo versetzte das Publikum im Zwingenberger Theater Mobile mit seinem Programm „Swingin’ Busch“ in Begeisterung. Am 18. März ist die Mini-Band erneut zu Gast. © Thomas Neu

Zwingenberg. Bei Wilhelm Busch war nach sieben Streichen Schluss. Gut 150 Jahre später liefern „Huub Dutch“ die achte Episode hinterher: die Vertonung der Lausbubengeschichten von „Max und Moritz“. Eigentlich der frechste Streich von allen: verjazzte Verskunst in Reinform. Denn es ist nicht weniger als brillant, wie das Duo die berühmtesten vierhebigen Trochäen der deutschen Kinderliteratur in höllisch swingende Miniaturen verwandelt und den beiden Frechdachsen einen bösartigen Groove unter ihre berühmten Terroranschläge legt. Das Publikum im Theater Mobile war zu Recht begeistert.

Allein dafür hätten der schwäbische Pianist und der holländische Multiinstrumentalist den Kleinkunstpreis Baden-Württemberg verdient, der ihnen im letzten Jahr zugesprochen wurde. Christian Oettinger und Hubertus Weijers, in Eppelheim stationiert, gelingt es wie wenigen anderen Mini-Bands, leichte Unterhaltung und lockeren Charme mit musikalischem Niveau und klugen Arrangements zu verbinden. So auch bei den gereimten Bildergeschichten, die mehrere Generationen deutscher Kleinkinder –wenn auch nicht immer moralisch überzeugt – medial geprägt und sprachlich beeinflusst haben. Viele Wendungen sind in den Sprachalltag eingeflossen. Das Buch und seine Protagonisten wurden international bekannt.

Süffiges zum Eingrooven

„Menschen necken, Tiere quälen, Äpfel, Birnen, Zwetschgen stehlen“: Vor dem Prolog serviert das Duo im Mobile-Keller eine süffige Aufwärmrunde zum Eingrooven. „Cheek To Cheek“ von Irving Berlin singt „Huub Dutch“ nur in Begleitung seines Eigenbau-Basses: ein Zementkübel, ein Besenstiel und ein Stück Wäscheleine. Das genügt, um aus dem Fred-Astaire-Klassiker ein kantiges Solo zu bauen. Zu Paolo Contes „Come Di“ kommt dann auch „Herr Oettinger aus Baden-Württemberg“ auf die Bühne. Gemeinsam verspotten sie musikalisch die deutsche, respektive schwäbische Häuslebauer-Mentalität und die Eigenleistungswut der Eigenheimbesitzer.

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Dann wird es ernst. Es ist Zeit für „Dabbelju Busch“ – nicht der ehemalige US-Präsident, sondern der niedersächsische Humorist und Zeichner, der in „Max und Moritz“ grotesk-makabre Stories mit viel Witz, Pep und Grausamkeit inszeniert hat. Das Vorwort wird mit Latin-Sounds und Trompeteneinlagen untermalt, bevor es mit Swing, Boogie-Woogie und Blues durch sieben Etappen geht. Christian Oettinger (Piano) hat es geschafft, sämtliche Streiche im originalen Text zu vertonen und daraus ein bildstarkes Musiktheater zu erschaffen: Eine opernhafte Collage, eine rebellische Moritat gegen die Respektspersonen im 19. Jahrhundert in einem aggressiven bis anarchistischen Duktus, der in seiner schwarzen Dramaturgie bis heute fasziniert.

In dem Busch-Soundtrack von „Huub Dutch“ offenbart sich aber auch die inhaltliche Dramatik der Geschichten: Man spürt regelrecht, dass für Witwe Boltes Hühnchen die letzten Minuten begonnen haben. Nach einer elegischen Todesmelodie steigt der Spannungsbogen wieder messerscharf an, als die beiden Kerle die posthum gegrillten Federviecher durch den Kamin aus der Pfanne angeln.

Zur Episode mit Schneider Böck, der erst im kalten Bach und dann mit heißem Bügeleisen auf dem Bauch im Bette landet, erklingt ein klassischer Blues, bevor Oettinger mit einem Piano-Stakkato eine kurze Verfolgungsjagd akustisch koloriert. Und bevor die explosive Pfeife von Lehrer Lämpel in die Luft geht, begleiten den strengen Pädagogen pathetische Klänge mit der „Mundposaune“ auf dem Weg von der Kirche in das schon bald gar nicht mehr so stille Lehrerzimmer. Aber auch die Maikäfer unter Onkel Fritz’ Matratze hört man förmlich krabbeln. Das ist musikalischer Humor vom Feinsten und spiegelt, wie souverän „Huub Dutch“ das Spiel mit Rhythmus, Tempo und Sprache beherrschen – von der instrumentalen Artistik nicht zu schweigen. Das Duo tänzelt stilsicher zwischen Walzer, Rap und Samba, streut orientalische Impressionen ein und kehrt immer wieder in die Jazz- und Blues-Ecke zurück. Das alles wird von einem federnden Swing zusammengehalten, der perfekt mit Buschs plastischer Sprache korrespondiert.

Lautmalerische Akzente

Hinzu kommt das eingespielte und leichtfüßige Duett der beiden Vollblutmusiker, die neben einem köstlichen Minenspiel auch lautmalerische Akzente setzen und aus gackernden Hühnern eine ganze Jazz-Nummer bestreiten. Doch die Vertonung von „Max und Moritz“ hat vor allem eines geschafft: Man hört genau hin und entdeckt die einflussreichen Episoden nach Jahrzehnten wieder neu. Inklusive des musikalischen Potenzials dieser lakonisch-fetzigen Dramolette, die in ihrer konsequenten Chronologie und politisch unkorrekten Natur einen feinen Anachronismus zur Gegenwart bilden. Die Gefahr des Nachmachens wäre heute ohnehin gering: Säcke schleppende Müller, schmauchende Lehrer und von Maikäfern überbevölkerte Bäume würde man vergebens suchen.

„Huub Dutch“ hat den Witz und die Raffinesse der Vorlage mit so viel Sensibilität, Charme und Respekt in ein musikalisches Werk übersetzt, das durch seine feine Ironie und subtile Schärfe – so darf man leise mutmaßen – wahrscheinlich auch dem Dichter selbst gefallen hätte. Sieben Streiche: ein einziger Geniestreich.

Freier Autor

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