Innenstadt

Feiner Swing auf der Sommerbühne in Bensheim

Von 
Thomas Tritsch
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Das Swing Size Orchestra unterhielt die Zuschauer auf der Sommerbühne am Wambolter Hof mit Jive-Klassikern und wunderbaren Vokalstücken. © Thomas Neu

Bensheim. Raus aus dem Keller! So lautet das Credo der aktuellen Sommerbühne am Wambolter Hof, die vom PiPaPo-Kellertheater und dem Förderkreis Kleinkunst & Kultur in Kooperation mit dem Stadtmarketing Bensheim an zwei Wochenenden bespielt wird. Am Sonntag gastierte dort das Swing Size Orchestra – eine professionelle Kombo unter der musikalischen Leitung von Jens Hunstein, die mit flottem Jump’ n Jive, swingenden Arrangements und technischer Klasse überzeugen konnten. Gut 50 Gäste hörten zu.

Für zwei Stunden traf der Anspruch einer „lebendigen Innenstadt“ tatsächlich zu. Zumal die Akustik auf dieser von Gebäuden umstellten kleinen City-Lichtung ideal ist für den beachtlich fetten Sound dieser kleinen Big Band, die einmal im Monat im Frankfurter Jazzkeller spielt und auch in Bensheim viel Energie, Spielfreude und musikalische Fantasie an den Tag legte.

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Bereits den Opener hätte man kaum erwartet: es war die von Heinz Gietz komponierte Filmmelodie aus „Die Hazy Osterwald-Story“ von 1962, die später vom ZDF für die Reihe „Musik ist Trumpf“ verwendet wurde. Schlagartig fühlte man sich in die 70er Jahre versetzt. Doch die elf Berufsmusiker hatten noch weitere Überraschungen parat.

Das Repertoire der Band aus dem Rhein-Main-Gebiet hebt sich erfrischend ab von den üblichen Evergreen-Lieferanten und musikalischen Erfüllungsgehilfen, die es im Swing-Genre zuhauf gibt.

Ohne allzu viel Zuckerguss

Ein Höhepunkt des Abends war das mitreißende Stück „Central Park North“ aus dem gleichnamigen Jazzalbum von Thad Jones und dem Mel Lewis Jazz Orchestra aus dem Jahr 1969. Die Hessen haben das monumental groovende Big-Band-Arrangement mit der Hälfte des Personals erstklassig gemeistert und jene Ecke in New York musikalisch zum Leben erweckt, wo im Bereich der 110th Street der Central Park an Harlem grenzt. Ein urban flirrendes Stück mit Rock- und Funkelementen, das die Essenz des Big Apple in den frühen 70ern ausstrahlte – und das mitten im beschaulichen Bensheim. Große Klasse!

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Von
Eric Horn
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Neben Jive-Klassikern aus den 30er und 40er Jahren wie „Is You Is or Is You Ain’t My Baby“ von Louis Jordan and Billy Austin waren es immer wieder die Vokalstücke wie „Hit that Jive, Jack“, mit denen Sängerin Jeanine du Plessis dem Sound der Band weitere Akzente geschenkt hat. „I Can’t Give You Anything But Love, Baby“ und „I Wish You Love” intonierte sie mit viel Schmelz, Substanz und Emotion, ohne den Songs allzu viel Zuckerguss zu verpassen.

Aus der „Kansas City Suite”, die Count Basie Benny Carter gewidmet hat, servierte die Band „The Wiggle Walk“ und die „Jackson County Jubilee“, und mit einer feinen Version von Van Morrisons jazzigem „Moon Dance“ und Joe Cockers „Unchain My Heart“ – als Cha Cha Cha – wilderte die Formation sogar in völlig anderen stilistischen Gefilden.

Trompeter Joachim Lösch hatte ein charmantes Solo mit dem Titel „Der verliebte Jazztrompeter“ von Erwin Lehn. Dabei erfuhr man, dass die Küsse dieser Instrumentalisten offenbar schon Anfang der 50er Jahre „nach Messing“ geschmeckt haben müssen. Löschs Flügelhorn-Solo bei „Vergangen, nicht vergessen“ offenbarte geschmeidige Wärme und hohe Strahlkraft.

Sven Claussen sorgte an Gitarre und Altsax für hochklassige Akzente, das starke Gebläse wurde von Michael Grün am Piano flankiert. Auch die Harmonie zwischen Musikern und Sängerin war makellos.

Zum Finale entführte das Swing Size Orchestra das Publikum noch in die grobkörnig-graue Welt der deutschen Edgar-Wallace-Filme. In „Der Frosch mit der Maske“ bewegt Eva Pflug die Lippen zum Lied „Nachts, im Nebel an der Themse“. Im sommerlich hellen Bensheim war die Version von Jeanine du Plessis nicht weniger reizvoll. Ein tolles Big-Band-Erlebnis in der Innenstadt, wo die Sommerbühne am kommenden Samstag (9.) wieder öffnet. Am Sonntag (10.) geht dann die Jazzkeller-Reihe ab 19 Uhr oberirdisch weiter mit einem Gastspiel mit dem Quartett „Superfro“ um den Bensheimer Bassisten Frowin Ickler.

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