Konzert

Feine Hommage an Miles Davis und Chet Baker

Das Thomas Siffling Swing Quintett begeisterte das Publikum bei seinem ersten Gastspiel im ausverkauften Theater Mobile. Klänge verschmolzen zu einem akustischen Gesamtkunstwerk.

Von 
Thomas Tritsch
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Das Swing Quintett konzentrierte sich bei seinem Auftritt im Gewölbekeller auf die musikalischen Vorbilder von Bandleader Thomas Siffling. © Thomas Zelinger

Zwingenberg. Es war das erste Gastspiel in Zwingenberg, aber weit hat es Thomas Siffling ja nicht gerade: seit 2018 ist er künstlerischer Leiter des Jazzclubs „Ella & Louis“ im Mannheimer Rosengarten. Spielstätte, Bar und Treffpunkt von Liebhabern erlesener Musik. Der Gründer und Programmdirektor ist bekannt für seinen progressiven Einsatz elektronischer Elemente und unkonventionellen Erweiterungen im Jazz. Im Theater Mobile hat sich der 51-jährige Musiker auf zwei Monumente des Jazz – und persönliche Vorbilder konzentriert: Miles Davis und Chet Baker.

Mit seinem eleganten, klaren und warmen Trompetensound und seinem offenen Visier gilt Siffling als einer der wichtigsten Vertreter der jüngeren deutschen Jazzszene. Von 1994 bis 1998 hat er in Heidelberg und Mannheim studiert, doch schon vor seiner musikakademischen Ausbildung spielte der gebürtige Karlsruher im Baden-Württembergischen Jugendjazzorchester mit. 2000 gründet er mit dem Saxofonisten Olaf Schönborn das Label Jazz’n’Arts. Neben eigenen Alben erspielt er sich mit unterschiedlichen Bands einen hervorragenden Ruf als Livemusiker und feilt an seiner eigenen, markanten und leicht erkennbaren Klangsprache, mit der Siffling ein großes Publikum erreicht.

Einst Professor für Jazz-Schlagzeug an der Hochschule für Musik Saar

Auch der Zwingenberger Gewölbekeller war bis auf den letzten Platz besetzt, als er am Samstagabend mit seinem Swing Quintett zwei stramme, kompakte und dramaturgisch fein ausformulierte Sets zum Besten gab. Danach nur eine Zugabe (Kurt Weills „September Song“), wie das bei seinen Konzerten seit einigen Jahren üblich ist. Ein Prinzip, das den künstlerischen Gesamteindruck homogener und den thematischen Faden eines Gigs konturenstarker machen soll. Direkt falsch ist das nicht.

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Nach einhundert Minuten Netto-Spielzeit wird die Band mit tosendem Applaus verabschiedet. Dazu gehören neben Sifflings langjährigem Wegbegleiter Schönborn an Alt-, Sopran- und Baritonsaxofon Joel Locher am Kontrabass, André Weiss am Klavier und der exzellente Drummer Oliver Strauch, einst Professor für Jazz-Schlagzeug an der Hochschule für Musik Saar und sicherlich einer der besten seiner Art im Lande.

Strauchs nuancenreiches, sehr beredtes Spiel vereint die emotionale Eleganz des Modern Jazz mit filigranen Soli und lyrischen Motiven – wie geschaffen für den Cool-Jazz von Chet Baker, eine der genialsten und tragischsten Figuren des Genres. Er hat den modernen Jazz in der ersten Reihe mitgeprägt und galt als größer Rivale von Miles Davis.

Ein Knicks vor den Originalen

Während Bakers Trompetenspiel voller sanfter Melancholie, schnörkelloser Klarheit und schlanker Schönheit war, verfeinerte Davis den lyrisch swingenden Ton mit rhythmischem Drive zum modalen Jazz. Mit dem legendären Album „Kind of Blue“ stieg er dem hektisch-hitzigen Bebop auf die Bremse und feierte die Anmut des einzelnen Tons.

Mit den Stücken „So What“, „Freddie Freeloader“ und „All Blues“ hat sich Thomas Siffling gleich drei Klassiker dieses 1959er Meilensteins ausgesucht und mit seiner Band wahrlich brillant interpretiert: ein Knicks vor den Originalen, ohne vor Ehrfurcht in die Knie zu gehen. Die Musiker bewiesen eindrucksvolle melodische Kreativität und lyrischen Minimalismus, Siffling und Schönborn bewegten sich souverän wie fantasievoll über die wenigen Tonleitern der stark taktgebundenen Songs. Ein Hörgenuss, der durch die saubere Akustik des Theaterkellers noch gestreichelt wurde.

Sifflings Spiel ist ein modulares Gestalten von Tönen, eine Art der musikalischen Bildhauerei. Er formt mit Trompete und Flügelhorn Klänge zu plastischen Skulpturen, reiht sie wie einzelne Perlen zu einem akustischen Gesamtkunstwerk zusammen. Sein poetischer, melodiebezogener Stil betört auch Zuhörer, die man nicht unbedingt zu den Jazz-Puristen zählen würde.

Ein Urbaner, gefälliger Sound

Dennoch ist sein urbaner, gefälliger Sound keine Verwässerung des Jazz auf einer niederen, vielleicht auch kommerziell reizvolleren Ebene. Als Musik-Unternehmer verfolgt er seinen eigenen Businessplan und ist somit ein Teil jener Dynamik, von der diese Gattung nach wie vor lebt. Thomas Siffling ist ein Weiterentwickler des Jazz und genau deshalb ein Impulsgeber für die Zukunft dieser Musik.

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Und es zaubert einem schon ein stilles Lächeln ins Gesicht, wenn er bei „Just Friends“ und „My Funny Valentine“ den leisen, brüchigen, fast schüchternen und schwer verständlichen Gesang von Chet Baker trifft. Nur ein Hauch von Stimme, aber einprägsam und fokussiert wie sein berühmtes Trompetenspiel: makellose Brillanz, alles Überflüssige ist abwesend – kristallene Klangschönheit und beseelte Ausdruckskraft, wie es sie im Jazz so nie wieder gab. Siffling kommt Bakers malerischem Westcoast-Jazz durch seinen samtweichen Trompetensound und seine lyrische, niemals aufdringlich dominante Spielweise sehr nahe.

Feine Piano- und Schlagzeugsoli

Hinzu kommen ein monströs swingendes Schlagzeug, ein intensiver Bass und elegante Pianolinien sowie ein Saxofon, das zwischen verträumter Lyrik und energetischer Wucht changiert und dem Gesamtsound eine enorme Plastizität und Präsenz verleiht. Das Ensemble zeigt enorme Spielfreude und innere Harmonie, ohne in Automatismen oder (tödliche) Routine zu verfallen.

Mit „One Hand Clapping“ kommt in Zwingenberg noch eine Eigenkomposition des Bandleaders zu gehör, bevor es mit dem Standard „Oleo“ von Sonny Rollins ins Finale ging. Erstmals eingespielt 1954 vom Miles Davis Quintett. Der Kreis schloss sich mit einer Uptempo-Nummer, die wie geschaffen ist für das Ende eines Livekonzerts: das Thema ist lediglich die Startrampe für eine formal befreite, hoch expressive Exkursion in wilde Klangbereiche mit duellierenden Instrumenten und feinen Piano- und Schlagzeugsoli.

Mit diesem Gastspiel hat das Theater Mobile innerhalb eines breitgefächerten Musik- und Kulturprogramms gezeigt, dass es auch Jazz kann. Und zwar richtig guten.

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