Fastnacht

Mit dem Narrenschiff durch den Dschungel in Zwingenberg

Der Karnevalverein Narrhalla brachte die ausverkaufte Melibokushalle mit einem rund fünfstündigen Programm zum Beben

Von 
Eric Horn
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Zwingenberg. Als Arzt ist man verpflichtet, kranken Menschen zu helfen: Michaela Hartnagel-Keil machte am Samstag auf der Bühne der in den Fastnachtsfarben festlich geschmückten Melibokushalle zwar einen sehr fidelen Eindruck, rief aber dennoch nach einem Mediziner. Ein Zwingenberger Hausarzt trat pflichtbewusst hervor.

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Ein Fehler, wie Hartnagel-Keil dem erheiterten Publikum und dem schmunzelnden Freiwilligen prognostizierte. „Ich verspreche euch, das war die letzte Fastnachtssitzung, die er besucht hat“, sagte die Präsidentin der Weiberfastnacht des Hessischen Rundfunks und wies den Auserwählten freundlich, aber energisch an, sich vorerst wieder auf seinen Platz zu begeben. „Ich brauch dich später hier oben auf der Bühne.“ Der Arzt befolgte, äußerlich gelassen, die Anordnung – und war „später“ Mitwirkender in einem der vielen Höhepunkte der diesjährigen Prunksitzung des Zwingenberger Karnevalverein Narrhalla (KVN).

Mit Leoparden ging es in Zwingenberg auf Safari 

Mit „Welcome to the Jungle“ ist die KVN-Kampagne in dieser Saison überschrieben. Ein Motto, das die Karnevalisten bei der Wahl ihrer Verkleidung für die Prunksitzung berücksichtigen. Die Hitliste der Kostüme wurde angeführt vom klassischen Leoparden-Outfit und dem Safari-Look. Dabei ging der Trend zur Kollektiv-Kostümierung. Die politischen Mandatsträger des ältesten Bergstraßenstädtchens waren bevorzugt entweder im Leoparden- oder Safari-Gewand unterwegs. Die Freiwillige Feuerwehr erschien, wie im normalen Leben, in einheitlicher Uniform. Bei den Brandschützern war Safari-hellbeige angesagt. Der Einzug des Elferrates mit KVN-Chef und Sitzungspräsident Markus Kropp an der Spitze wurde der ausverkauften Halle mittels Dschungel-Trommeln angekündigt.

„Welcome to the Jungle“: Die Showtanz-Gruppe des KVN nahm die Narrenschar mit auf eine tänzerische Urwald-Reise. © Ernst Lotz

Nach der Begrüßung durch Markus Kropp (kleines Bild) eröffneten die „Giraffen“ des kleinen Balletts mit einem flotten Tänzchen die Show. Bereits bei der zweiten Nummer des Abends war die Bühne voll besetzt. Das Musikcorps Bickenbach unter Leitung von Stabführer Manfred Hofmann enterte mit beschwingten Tönen („Havanna“) die Halle. Nachdem die Musikerinnen und Musiker auf dem Podium Aufstellung bezogen hatten, heizten sie der Arena unter anderem mit „I’m still standing“, „99 Luftballons“ oder der Allzweck-Hymne „Sweet Caroline“ ein. Die rund 400 Närrinnen und Narrhallesen erhoben sich zum ersten Mal von ihren Sitzen und sangen mit.

Flughafen für Zwingenberg

„Graf Diroll“ (Jordan Diroll) machte sich anschließend als Protokoller Gedanken darüber, wie die Kommune im Jubiläumsjahr „750 Jahre Zwingenberger Stadtrechte“ ihre Einnahmen erhöhen könnte – zumal das Stadtsäckel infolge des Erwerbs der ehemaligen Jugendherberge etwas leerer geworden ist. Der Graf plädierte angesichts der Vielzahl der Flugkapitäne, die am Fuße des Melibokus heimisch sind, für die Errichtung eines Flughafens mit dem neuen Weingartenhaus am Luciberg als Radarstation. Von Zwingenberg aus in den Urlaub fliegen, schwärmte der Protokoller. Nette Idee, aber wohl schwer umzusetzen. Denn Zwingenberg ist nicht nur die älteste Stadt an der Bergstraße, sondern auch die kleinste Gemarkung im Kreis. Da dürfte es eng werden mit Start- und Landebahn. Es sei denn, es wird Richtung Hähnlein ausgewichen.

Stargast des Abends ist Michaela Hartnagel-Keil

Apropos Hähnlein: Der „Stargast“ des Abends kommt aus dem Nachbarort. Das gestand Michaela Hartnagel-Keil zu Beginn ihres Auftritts schüchtern ein. „Ich bin aus Hejne.“ Die Reaktionen des Zwingenberger Publikums auf diesen Einwurf fielen durchweg positiv aus, so dass die gebürtige Einhäuserin selbstbewusst durchstartete mit ihrer Erzählung, die sie von Hähnlein über New York nach Frankfurt zum Hessischen Rundfunk ins Amt der Sitzungspräsidentin der HR-Weiberfastnacht führte.

Michaela Hartnagel-Keil. © Ernst Lotz

An der US-Ostküste war sie bei einer Model-Agentur vorstellig, wurde von den New Yorkern jedoch an eine „Moppel“-Agentur verwiesen. Für Hartnagel-Keil kein großes Ding, sie kokettierte mit ihren Rundungen. „Ich habe von allem ein bisschen zu viel. Nur meine Ohren sind normal.“

Model-Fotos als Schmuck für die Hausarzt-Praxis

Aus der Zeit ihrer eher kurzen Model-Karriere ist eine Foto-Bewerbungsmappe übrig geblieben. Diese großformatigen Porträts wollte sie der Melibokushalle nicht vorenthalten. Zur Vorführung der Aufnahme verdonnerte sie den Zwingenberger Hausarzt, der die Bilder auf der Bühne „richtig mit Arschwackler und so“ (Hartnagel-Keil) präsentieren durfte. Der wohlwollende Beobachter beurteilte den Walk des Mediziners mit: Er hat sich bemüht. Heidi Klum, die deutsche Mutter des Catwalks, hätte für diesen Gang vermutlich kein Foto vergeben. Anders Michaela Hartnagel-Keil. Sie versprach die drei Bilder zu signieren und persönlich in der Praxis aufzuhängen. „Meine Schwiegermutter ist Patientin bei dir, wie du an die Fotos kommst, musst du ihr dann erklären.“ Die Melibokushalle bebte.

Der Mann vom Bau erklärt die Wege durch den Paragrafen-Dschungel

Philipp Becker erklärte der Narrenschar als Bauarbeiter, wo sich der dichteste Dschungel weltweit befindet: nicht im Amazonas-Gebiet, nicht in Asien, sondern in Deutschland. „Es ist der Paragrafen-Dschungel.“ Ausufernde Vorschriften sind auf dem Bau die Regel. Deshalb sicherte sich Becker auf der Bühne mit Seil und Karabinerhaken ab. „Ist Vorschrift.“ Der Dschungel an Bestimmungen im Baugewerbe ist im internationalen Vergleich ein Nachteil. Wenn Bauunternehmer aus den USA und Deutschland gleichzeitig ein Projekt beginnen und der Amerikaner nach einer gewissen Zeit den Abschluss des Werkes „in vier Wochen“ vermeldet, muss der Deutsche „noch vier Formulare ausfüllen“, ehe er mit den Arbeiten beginnen kann, erläuterte der Insider.

Von Problemen mit der Strumpfhose konnte ein Gardemädchen erzählen

In klassischer Reimform trug Angela Becker ihre Büttenrede vor. Sie berichtete – offenbar von wahren Begebenheiten – aus dem Leben eines KVN-Gardemädchens, das von ihrem Vereinsvorsitzenden über die Uhrzeit für einen externen Auftritt falsch informiert wird und dadurch Stress in und mit der Garderobe bekommt. Vor allem die „ekligen“ Strumpfhosen scheinen das Problemuntensiel der Gardetänzerinnen zu sein.

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Aus der Kreisstadt war das Zugkomitee der Heppenheimer Straßenfastnacht angereist. Im Schlepptau hatte Zugmarschall Norbert Weiser den Musikzug Starkenburg sowie die wiederbelebten „Schwellköpp“, die Schirmherren des diesjährigen Heppenheimer Fastnachtsumzugs.

Originelle Tänze zeigten die verschiedenen Tanzgruppen des Vereins

Die verschiedenen Tanzgruppen des KVN sorgten für Beifallsstürme und etliche Zündungen der Fastnachtsrakete in der Melibokushalle. Das Mittlere Ballett, die Frozen Diamonds, die Garde, die Prosecco Lerchen und die Red Magics bereicherten das Programm mit ihren originellen Darbietungen. Die Narrhalla-Show-Tanzgruppe nahm die begeisterte Menge mit auf eine ausdrucksstarke und energiegeladene tänzerische Reise durch den Dschungel. Ein Highlight des Abends. Das in Rot- und Blauhemden aufgeteilte Männerballett lieferte sich einen Tanz-Wettkampf.

Den Abschluss des knapp fünfstündigen Programms bildeten die KVN-Allstars mit einer Playback-Show, bei der die „Atemlos“-Imitation von Schlager-Queen Helen Fischer im Duett mit Rapperin Shirin David für „tausend Glücksgefühle“ im Saal sorgte.

Redaktion

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