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Martin Zingsheim: „Wir haben alle einen an der Klatsche“

Der Musikkabarettist Martin Zingsheim gastierte mit seinem Programm „Normal ist das nicht“ im Theater Mobile.

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eh
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Die Frage „vegetarisch oder normal“ beschäftigte Martin Zingsheim. © Strieder

Zwingenberg. Aus dem Land der Dichter und Denker ist ein Land der Experten geworden: Virologen, Militärstrategen und seit kurzem auch Nahostkenner.

Normal ist das nicht, findet Martin Zingsheim dieses neue Schwarm-Expertentum – und so tittelt das Programm des Kölner Musikkabarettisten: „Normal ist das nicht“. Und weil das in der Zingsheim’schen Wahrnehmung so ist, fasst er die Quintessenz seiner Erkenntnisse bei seinem Auftritt im Theater Mobile in einem kurzen Satz zusammen: „Wir haben alle einen an der Klatsche.“

Mann über Bord, Frau glücklich

Zingsheim, promovierter Musikwissenschaftler, ist seit 2011 mit seinen Soloprogrammen unterwegs. Der 39-Jährige hat für sein Schaffen diverse Kleinkunstauszeichnungen erhalten, unter anderem war er 2014 der erste Preisträger des Lorscher Abts. Im Zwingenberger Mobile hat er in der Vergangenheit bereits vor ausverkauftem Haus gespielt, bei seinem jüngsten Gastspiel war der Gewölbekeller unter dem Alten Amtsgericht ebenfalls gut besucht.

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Da nun nicht nur Weihnachten, sondern offenbar auch wieder Corona vor der Tür steht, streute er immer wieder Anmerkungen zur Pandemie ein.

Ein Gerücht zum Beispiel: Corona wurde von den Frauen erfunden, damit sich die Männer endlich mal gründlich die Hände waschen. Passend dazu schiebt er eine Schlagzeile zum Verhältnis zwischen Mann und Frau nach: Mann über Bord, Frau überglücklich!

Oder etwas zum Nachdenken mit Blick auf das Zusammenspiel zwischen Corona und Nachhaltigkeit. Das Fernweh während der Pandemie hat dazu geführt, dass riesige Wohnmobile zum neuen Verkaufshit wurden. Mit dem LKW durch die Gegend fahren und seine Geschäfte in einer Chemie-Toilette erledigen – normal ist das nicht.

Am Wochenende in die Eifel

Zingsheim würde selbst gerne nachhaltiger leben, weniger Fleisch essen, weniger fliegen. Aber wer will schon auf rheinischen Sauerbraten oder auf einen Gig auf Fuerteventura verzichten. Auf der anderen Seite waren zwei Jahre ohne Kabarett-Vorstellungen kein großes Problem, außer für die Kabarettisten.

Apropos Reisen: Der gemeine Kölner begibt sich wöchentlich auf einen Abenteuerausflug: „Seit 35 000 Jahren jedes Wochenende in die Eifel.“ Er macht das mit seinen Kindern genauso und freut sich über die Freundlichkeit, mit der in den Kantinen der Jugendherbergen die kulinarischen Vorlieben erfragt werden: „Vegetarisch oder normal?“

Besoffen beim Zoom-Elternabend

War was gut an Corona? Durchaus. Dass man besoffen an den Zoom-Elternabenden teilnehmen konnte, ohne den anderen Videokonferenzakteuren verdächtig vorzukommen. Ein Vorteil, wenn man Vater von vier Kindern ist und praktisch in Dauerschleife Eltern-Meetings von Schule oder Kindergarten anstehen. Sich selbst bezeichnete Zingsheim übrigens als „eigentlich ganz normal“: Er hat einen Telekom-Vertrag, ist Sparkassenkunde, fährt einen Volkswagen und hat eine heterosexuelle Frau.

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eh/red
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Da wir eh alle einen an der Klatsche haben, plädiert Zingsheim für neue Denkansätze, denn: Es kann nur besser werden. Für ihn gehören Fußball-Fans ins Museum und Museumsgänger ins Fußballstadion. Das eröffnet beiden Gruppen neue kulturelle Horizonte, auch wenn sich die Atmosphäre an beiden Kulturorten ändern dürfte. Würde man den Hooligans im Museum ein P wie Pablo als Stichwort geben, würde man ein lautes Pizzaro als Antwort entgegen gegrölt bekommen.

Neue Helden sind nicht nötig

Oder ist vielleicht alles gar nicht so schlecht, wie alle immer meinen? Im Mittelalter war’s jedenfalls schlimmer: Ein Dieb bekam damals die Hand abgehakt, heute bekommt er einen Sozialarbeiter namens Holger an die Seite gestellt.

Braucht das Land neue Helden? Für NRW vielleicht die von Hape Kerkeling entwickelte Kunstfigur Schlemmer, Horst Schlemmer. Nein, ist nicht nötig, findet Martin Zingsheim und setzt sich für eines seiner Lieder ans Mobile-Klavier. Für ihn sind „engagierte Müdda“, „engagierte Vädda“ und „engagierte Lehrer und Lehrerinnen“ die Helden des Lebens. Langer Schlussapplaus für Martin Zingsheim im Theater Mobile. eh

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