Lesung

Fluch reist durch die Zeit bei Lesung von Britta Habekost

Die Autorin Britta Habekost stellte im Zwingenberger Theater Mobile ihren historischen Roman „Untergang von Thornton Hall“ vor.

Von 
Niklas Wagner
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Britta Habekost spannt in ihrem Schauerroman den Erzählbogen vom Untergang von Pompeji im Jahr 79 n.Chr. bis ins 18. Jahrhundert. © Thomas Neu

Zwingenberg. Düstere Unterhaltung am Sonntagabend? Dem Anlass entsprechend hatte das Theater Mobile einen ganz besonderen Programmpunkt an das Ende des Halloween-Wochenendes gesetzt. Britta Habekost gastierte im wohl kuscheligsten Gewölbekeller Zwingenbergs und las aus ihrem historischen Schauerroman „Untergang von Thornton Hall“. Habekost ist bekannt für die Lesungen aus der Krimiromanserie „Elfenwels“, die sie gemeinsam mit ihrem Mann Chako Habekost unternimmt und mit dessen sechstem Band das Paar im November des vergangenen Jahres im Mobile gastierte. Im nächsten Jahr ist die Lesung aus dem siebten Band „Weinbergblut“ bereits geplant, wie Habekost verriet.

Im Gegensatz zur lustigen, heiteren Handlung in der Krimireihe, geht es in „Untergang von Thornton Hall“ ernster zu. Das hängt mit der düsteren Seite der Autorin zusammen. „Ich schreibe gerne historische Romane“, sagte Habekost. Titel wie „Stadt der Mörder“ oder „Melodie des Bösen“ unterstreichen die Leidenschaft Habekosts für das Finstere und bisweilen Düstere. Die verschiedenen Stimmungslagen, ob mystisch, gruselig oder romantisch, übersetzte Michael Freund am Klavier in ein wunderbares Musikspiel, das besonders zum Tragen kam, als es kurze Probleme mit dem Mikrofon gab. Freund nutzte diesen Moment, um unter anderem die Filmmusik des bekannten Films „Ziemlich beste Freunde“ zu spielen, die vom italienischen Komponisten Ludovico Einaudi stammt und für Gänsehaut im Publikum sorgte.

Englischer Adliger auf „Kavaliersreise“

Die Idee für den Roman entstand auf einer Italienreise. „Wir sind richtige Italien-Freaks“, so Habekost. Diese Italiensehnsucht zieht sich thematisch durch das Buch, in dem die Hauptfigur Elinda Audley im Jahre 1758 nach Italien reist, um dort ihren verschollenen Bruder David zu finden. Der Hintergrund der Handlung wiederum fußt auf historischen Gegebenheiten. Im 18. Jahrhundert gingen viele junge englische Adlige auf die sogenannten Kavaliersreisen. „Sie wurden auf Reisen geschickt, bevor sie ihre gesellschaftliche Rolle einnehmen sollten“, erläuterte Habekost.

Auf eine solche Italienreise macht sich auch David, kehrt von dieser aber nicht zurück, was die Familie ratlos macht. Sie engagiert „mit ihren letzten Groschen“ den Bärenführer Blake Colbert, der David aufspüren soll. Obwohl Elinda einen anderen Mann heiraten soll, fühlt sie sich dem attraktiven Colbert hingezogen und begleitet ihn auf die Reise. Aber wie genau? „Das müsst ihr selber nachlesen“, verriet Habekost mit einem Lächeln. Der Autorin war es wichtig, eine Frau als Hauptfigur auszuwählen. Die besagten Kavaliersreisen und sonstige Unternehmungen zu dieser Zeit waren schließlich nur Männern vorbehalten. Habekost möchte aber den feministischen Blick auf die Geschichte akzentuieren, was ihr gut gelingt. „Es war mir so eine Freude, einer jungen Frau so etwas zu verschaffen“, sagte sie. Die kleine Romanze zwischen Elinda und Blake gipfelt in einem Kuss in Rom.

Graue Wolken über Pompeji

Die eigentliche Handlung hat allerdings einen nicht unwesentlichen Ursprung in einem Ereignis in Pompeji aus dem Jahre 79 nach Christus. In diesem Jahr brach der Vesuv aus und verschüttete neben Pompeji auch andere antike Städte wie Herculaneum oder Oplontis. In der Anfangsszene des Buches geht es tatsächlich ziemlich düster zu, als Habekost beschreibt, wie sich über Pompeji eine „große graue Wolke“ bildete, die die Pompejaner in Angst und Schrecken versetzte.

Kurz vor dem Vulkanausbruch lässt die Prostituierte Vibia von einer alten Frau einen Fluch auf ein Bleitäfelchen kritzeln. Diese Praxis sei etwa unter Sklaven oder Personen, die wenige Rechte besaßen, weit verbreitet gewesen, berichtete Habekost. Diese Bleitäfelchen wurden dann an bestimmten Orten vergraben. Als dann kurz darauf die Steine aus dem Vulkan herausgeschleudert werden und ihren Zuhälter Tilius töten, fragt sich Vibia, was sie mit ihrem Fluch angerichtet hat.

Teile des Bleitäfelchens, das einst von Vibia in Pompeji vergraben wurde, tauchen später im Roman wieder auf, als die Familie Audley im Quarantänehaus versucht, von den erkrankten Mitgliedern der Reisegruppe Informationen über Davids Aufenthaltsort zu erhalten. „Wir sind Engländer, wir glauben nicht an Flüche“, sagt Elindas Vater Robert, als er das kleine „Metall-Ding“ in den Händen hält. „Aber ihr wisst natürlich, was sich in der Rocktasche dieses dahinsiechenden Lords befunden hat“, blickte Habekost mit erwartungsvollem Blick ins Publikum und ergänzte, dass bei vielen Ausgrabungen in Pompeji diese kleinen Fluch-Täfelchen gefunden worden seien.

Der Kontrast zwischen den eher rationalen Engländern, die sich damals „ein bisschen so aufgeführt haben wie Donald Trump“, und dem italienischen Aberglauben ist ein zentrales Spannungsfeld innerhalb des Romans. So sei auch das Genre des Schauerromans entstanden, erklärte Habekost. Die Engländer schrieben über ihre Erfahrungen und schufen so eine neue literarische Gattung.

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Am Ende des Buches gelangen Elinda und Blake nach Pompeji, da sie dort David vermuten. „Dort gehen sie in die Villa des Diomedes. Das ist eine der ersten ausgegrabenen römischen Villen in Pompeji“, kündigte Habekost die letzte Textpassage an. Dort treffen die beiden auf einen „kauzigen alten Mann“, der über Davids Aufenthaltsort Bescheid wissen soll. In diesem Gespräch zeigt sich eindrücklich das erzählerische Talent Habekosts, als sie im wechselseitigen Dialog der drei Figuren, deren Gesagtes auf spezielle Art und Weise intoniert. „Die Hexe vom Vesuv hat ihn sich geholt“, flüsterte Habekost und in diesem Moment hat dies wirklich etwas Düsteres, fast Geheimnisvolles.

Es stellt sich heraus, dass David am „Sumpf-Fieber“ erkrankt ist und zu einer Heilerin gebracht wurde. Wo diese zu finden sei? „Ihr findet sie nicht, sie findet euch“, intonierte die Autorin wieder den mysteriösen Alten. Woran kann man sie erkennen, will Elinda wissen, die nun zunehmend nervöser wird, was in einer höheren Stimmlage zum Ausdruck kommt. Ihr Gesicht sei durch Narben gezeichnet, „als hätte sie zu lange in den Vulkan gestarrt“, sprach Britta Habekost zum letzten Mal mit der Stimme des Alten und schließt das Buch.

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