Presse-Rundfahrt

Radfahren in Zwingenberg bleibt gefährlich

Bodenwellen, Risse und schmale Wege: Schwachstellen und Sicherheitsmängel im Radwegenetz in Zwingenberg sind beispielhaft für die Gesamtsituation.

Von 
Thomas Tritsch
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Der ADFC Bergstraße hatte zu einer Rundfahrt durch Zwingenberg eingeladen, um auf Schwachstellen im örtlichen Radwegenetz hinzuweisen. Dazu gehören Bodenwellen in der Platanenallee (re.), zugewucherte Radstreifen zwischen Rodau und Zwingenberg (oben) und der schmale, kombinierte Rad- und Fußweg an der K 67 (unten). © Thomas Neu

Zwingenberg. Wo sind die Schwachstellen im Radverkehr? An welchen Punkten ist die Sicherheit auch für Schulkinder massiv gefährdet? Und was müsste verändert werden, um die Mobilität für nicht motorisierte Zweiräder schnell und dauerhaft zu verbessern? Der ADFC Bergstraße fordert seit Jahren eine komfortable, gut ausgebaute und intuitiv nutzbare Infrastruktur, die Menschen dazu motiviert, das Fahrrad als Verkehrsmittel zu nutzen. „Die in der Straßenverkehrsordnung geforderte Sicherheit wird im großen Stil vernachlässigt“, kritisiert Joachim Hönes aus dem Arbeitskreis Verkehrspolitik.

Mit Klaus Lemmes gehörte er 2021 zu den Mitbegründern der Ortsgruppe Bensheim-Zwingenberg. Hönes ist vor allem mit dem Radwegenetz im ältesten Bergstraßenstädtchen bestens vertraut. Gemeinsam mit der Ersten ADFC-Kreisvorsitzenden Anette Seip ging es am Dienstag auf eine Presse-Rundfahrt quer durch den Ort, um die offenen Wunden und chronischen Leiden der Radwege live und in Farbe zu erleben.

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Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) ist ein gemeinnütziger Verein und Verkehrsclub für Fahrradfahrer. Er setzt sich als verkehrspolitischer Akteur und weltgrößter Interessenverband für eine konsequente Förderung des Radverkehrs ein.

Eines betonte der Tourguide gleich zu Beginn: Es gehe nicht darum, Zwingenberg als Kommune an den Pranger zu stellen. „Die Situation hier ist beispielhaft für den gesamten Kreis Bergstraße und typisch für das gesamte Land“, so Joachim Hönes am Parkplatz Niederwaldsee nahe Rodau, wo gleich die erste Problemstelle beleuchtet wurde – im doppelten Sinn.

Der kombinierte Rad- und Fußweg, der in beide Richtungen genutzt werden muss, sei mit einem Meter Breite viel zu schmal. Zwei Meter seien Minimum, so will es die Straßenverkehrsordnung (StVO). Da nutze es auch nichts, dass der Bereich am Übergang über die K67 am Abend beleuchtet ist, so Hönes. Dies suggeriere eine Sicherheit, die nicht gegeben sei. Den Schüler-Radweg zwischen Zwingenberg und Rodau kommentiert er als hochgradig verbesserungsfähig.

Querung der Autobahnausfahrt ist nicht nur für Schüler gefährlich

Der ADFC habe auch auf der Autobahnbrücke ungenügende Radwegebreiten gemessen, heißt es aus der Fahrradlobby. Bröckelnde Seitenränder und üppiger Pflanzenbewuchs verschmälerten die Spur zusätzlich. Hessen Mobil (das landesweite Straßen- und Verkehrsmanagement der Bundes-, Landes- und meisten Kreisstraßen) habe auf Nachfrage mitgeteilt, dass die Maße tatsächlich nicht den heutigen Anforderungen entsprechen, zum Zeitpunkt des Baus aber regelgerecht gewesen seien.

Für Joachim Hönes ist es ein Unding, dass man rechtliche Mängel sehenden Auges nicht behebt. Zumal eine Verbreiterung der Radwege an vielen Stellen baulich relativ problemlos machbar sei, wie er betont.

Querung der Autobahnausfahrt ist eine Gefahrenstelle

Man rollt weiter. Nur direkt über der A 5 ist der Radweg breit genug für einen entspannten Begegnungsverkehr. Unerklärlich nach innen gebogene Leitplanken machen die Passage an manchen Stellen enger. Eine schmale Rille im Asphalt könnte schmale Radreifen aus der Spur bringen. Auf der anderen Seite geht es über die Autobahnausfahrt. „Radfahrer absteigen“ steht auf einem Schild. Das Verkehrszeichen komme in der Straßenverkehrsordnung aber gar nicht vor, sagte Joachim Hönes. Gültigkeit habe es lediglich als Zusatzzeichen in Verbindung mit einem Verkehrszeichen, das unmittelbar darüber steht. Alleine aufgestellt sei dies keine wirksame Anordnung. „Man kann demnach auch nicht dagegen verstoßen.“

bzw, ADFC: Radpresse-Fahrt zum Thema: Sicherheitsmängel im Radverkehr am 14.05.24 um 16:30 h am P&R-Parkplatz westlich der A5-Autobahnausfahrt Zwingenberg. (Ausweichtermin bei zu schlechtem Wetter wäre der 16.05.). ADFC: "An konkreten Beispielen wollen wir aufzeigen, wie die Missachtung bestehender Regelungen nach dem Straßenverkehrsgesetz und -Ordnung zu gravierenden Sicherheitsmängeln führt. Doch es rührt sich nichts. So müssen oft gefährliche Routen auf dem Weg zur , Schule genutzt werden, Bild: auf dem sehr schmalen Radweg vom Parkplatz Niederwaldsee, (vorne): Joachim Hönes, dahinter Anette Seip und Klaus Lemmes, Bild: Thomas Neu © Thomas Neu

Einig ist man sich, dass die Querung der Autobahnausfahrt eine Gefahrenstelle darstellt. Hessen Mobil indes spricht nicht von einem Unfallschwerpunkt. „Noch nicht“, ergänzt Klaus Lemmes. Es müsse wohl erst etwas passieren, meint auch Anette Seip kopfschüttelnd. Der ADFC plädiert für eine Ampelanlage, um auch Kindern einen sicheren Schulweg zu ermöglichen.

Nach einer längeren Abfahrt wartet das nächste Hindernis: Der Ampelmast steht mittig an der Überführung Richtung Autohaus. „Man müsste den Übergang nur etwas nach links verlegen, und schon wäre der Pfeiler am Rand“, so Joachim Hönes, der auf der anderen Seite das Metermaß auspackt. Der blassrote Radstreifen ist gut einen Meter schmal. Eigentlich seien 1,50 Meter Minimum. Der Fußgängerstreifen misst 1,30 Meter.

Das Wurzelwerk der Platanen hat Aufbrüche verursacht

Ein benutzungspflichtiger Radweg wie entlang der Platanenallee müsse ausreichend breit, befestigt und frei von Hindernissen sein, zitiert er erneut aus der StVO. Und er müsse nach den Erfordernissen eines sicheren Radverkehrs gebaut und unterhalten werden. Die sei hier nicht der Fall.

bzw, ADFC: Radpresse-Fahrt zum Thema: Sicherheitsmängel im Radverkehr am 14.05.24 um 16:30 h am P&R-Parkplatz westlich der A5-Autobahnausfahrt Zwingenberg. (Ausweichtermin bei zu schlechtem Wetter wäre der 16.05.). ADFC: "An konkreten Beispielen wollen wir aufzeigen, wie die Missachtung bestehender Regelungen nach dem Straßenverkehrsgesetz und -Ordnung zu gravierenden Sicherheitsmängeln führt. Doch es rührt sich nichts. So müssen oft gefährliche Routen auf dem Weg zur Schule genutzt werden, in der Platanenallee wird es für die Radfahrer hügelig, vorne Klaus Lemmes und dahinter Anette Seip, Bild: Thomas Neu © Thomas Neu

Es gibt viele Bodenwellen und Risse. 2022 wurde der Radweg auf der anderen Seite mit Landesfördermitteln von der Einmündung Ahornstraße bis zur Rodauer Straße am Berliner Ring saniert. Schäden durch das Wurzelwerk der Bäume, die der Straße ihren Namen geben, hatten für teils erhebliche Aufbrüche der Teerdecke gesorgt und den Radweg zu einem nicht ganz ungefährlichen Kurs gemacht. Eine richtige und wichtige Maßnahme, sagt auch der ADFC. Allerdings habe sich der Zustand seither wieder erkennbar verschlechtert, so der Kreisverband. Bereits 2012 war dort eine neue Teerschicht aufgebracht worden.

„Die Stadt, die hier zuständig ist, begeht eine dauerhafte Ordnungswidrigkeit“, so Joachim Hönes über den kombinierten Rad- und Fußweg, auf dem auch die verpflichteten Radwegeschilder rechtswidrig seien. Die Straße sei über mehr als 600 Meter breit genug und gut einsehbar, so dass eine Ausnahmeregelung (geringere Radwegebreite) nicht begründbar sei.

Viele typische Probleme für Radfahrer auf fünf Kilometern

Zudem stehe dort seit zirka drei Jahren ein Hinweisschild, das auf Schäden aufmerksam macht. „Beseitigt werden sie aber nicht“, so die Vertreter des ADFC. Die StVO sei ein bindendes Regelwerk und müsse von staatlichen Stellen befolgt werden. Maßnahmen dürften nicht auf Jahre hinaus verschoben oder unter einen Finanzierungsvorbehalt gestellt werden.

Nicht nur in Zwingenberg seien Rechtsverletzungen und ordnungswidrige Bauausführungen offensichtlich. „Die eingeforderte Sicherheit wird vernachlässigt“, so Hönes am Dirt-Bike-Park, wo ein unbefestigter Weg zum Hundeplatz und weiter Richtung Gernsheim führt. Auch ohne Sprungschanzen sei die Piste eine sportliche Herausforderung, so der ADFC. Zwar handele es sich hier nur um eine „empfohlene“ Radstrecke, auf der die StVO nicht greife, doch der Zustand der Oberfläche sei mehr als unsicher. Löcher würden durch Schotter aufgefüllt. Das Befahren erfordere ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, so Klaus Lemmes.

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Über die B3 geht es in den Ortskern. Auf nur rund fünf Kilometern könne man viele typische Probleme erkennen, heißt es aus dem Kreisverband, der auch mit der Erneuerung der Zwingenberger Ortsdurchfahrt nicht richtig glücklich ist.

Nach 21-monatiger Bauzeit ging die Sanierung zwischen Rewe-Kreisel und Einmündung Alsbacher Straße Mitte 2021 ins Finale. Auf einen durchgängigen Radweg wurde aufgrund der Straßenbreite verzichtet.

Die grundsätzliche Planung habe stimmig ausgesehen, so Joachim Hönes. In der Praxis müsse der Radfahrer aber rund einen Meter Abstand zu parkenden Fahrzeugen einhalten, um „Dooring“-Unfälle zu vermeiden.

Von Dooring spricht man, wenn Radfahrer von einer sich öffnenden Tür erfasst werden. Die Fahrbahn ist dort 6,50 Meter breit. Zieht man die Sicherheitsabstände ab, bleiben laut ADFC noch rund 4,40 Meter. Beim Überholen könnten die erforderlichen Mindestabstände demnach nicht eingehalten werden, bemängelt der Fahrradclub.

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