Konzert

Ein Mann, der musikalische Genres sprengt

Der Sänger und Gitarrist Matthias „Biber“ Herrmann gastierte im Theater Mobile und spielte eine Melange aus Blues, Country, Boogie-Woogie und Flamenco

Von 
Marvin Zubrod
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„Last Exit Paradise“ heißt das aktuelle Album von Biber Herrmann, das er im Mobile präsentierte. © Thomas Neu

Zwingenberg. Eine Bühne vollgepackt mit fünf Gitarren, dahinter ein Klavier, und nebenan: ein einziger Stuhl. Was Matthias alias „Biber“ Herrmann am letzten Wochenende im Theater Mobile präsentierte, war kein gewöhnlicher Auftritt eines Folk-Blues-Sängers. Vielmehr war es eine Melange aus Country, Boogie-Woogie und Flamenco, die das Publikum auf eine Reise von den Südstaaten der USA bis an die andalusische Küste Spaniens entführte.

Eine musikalische Familie

Wer verstehen will, wie es dazu kam, muss zurück in die Kindheit Herrmanns. Der Rheinhesse entstammt einer musikalischen Familie. Der Großvater war Trompeter, die Mutter spielte Klavier, Geige und Cello, der Vater beherrschte Akkordeon und Mundharmonika. Doch das Gitarrenspiel brachte sich Herrmann im Alter von zehn Jahren selbst bei – und von da an hatte es ihn gepackt. Aber bis zum Traum, von der Musik leben zu können, war es ein langer Weg. Nach einer Tour durch die Metropolen Europas mit Gitarre und Mundharmonika im Gepäck erfolgt ein Abstecher in den Weinbau, ehe sich Biber, der seinen Spitznamen von seinen Geschwistern bereits zu Kindheitszeiten verpasst bekam, in den neunziger Jahren mit der Musik selbstständig macht.

„Biber“ nennen ihn seine Geschwister seit Kindheitstagen

Wie genau es zur Namensgebung kam, weiß keiner mehr so genau. Herrmanns älterer Bruder behauptete, der Jüngere hätte ihm immer die „Tom und Biberherz“-Comics gestohlen, die Schwester sagte, es habe in den Sechzigern eine Familiensendung mit dem Titel „Unser kleiner Biber“ gegeben. Bereits im Alter von elf Jahren, als Matthias Herrmann seinen ersten Auftritt hatte, nannte er sich Biber. Damit war die Grundlage für eine Karriere als Künstler gelegt. Geprägt hat ihn die Zusammenarbeit mit Fritz Rau. Rund 80 Auftritte innerhalb von vier Jahren absolvierte der Hesse mit dem berühmten Konzertveranstalter, der mit Größen wie den Rolling Stones kooperierte. „Wir haben viel Zeit im Auto und Hotel verbracht“, erzählt Herrmann dem Publikum. Die Erfahrung von seinen Reisen verarbeitet der Autodidakt in seinen Liedern. So auch bei „Hey Nightporter“, das einen Tötungsdelikt in einer Pension behandelt, in der Biber erst eine Woche zuvor übernachtete.

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Mystisch wird es, als Herrmann zum fünfsaitigen Banjo greift, und episch, wenn er sein Gitarrenspiel an der Mundharmonika begleitet. Zeitweise fühlt man sich in das Amerika des frühen 20. Jahrhunderts zurückversetzt. Ob „Special Rider“ von Skip James, „Got My Mojo Working“ (Preston Foster), „I Can’t Be Satisfied“ (Muddy Waters) oder „I Just Want to Make Love to You“ (Willie Dixon): Matthias Herrmann beherrscht die Klassiker des Blues, als hätte er sie selbst geschrieben – und er hat noch mehr im Repertoire.

Klang wie eine Band

Mühelos changiert er zwischen perkussiven Elementen und groovigem Bass, bringt minutenlange, virtuose Gitarrensoli hervor und lässt mit dem „Fingerstyle“ – eine Technik, bei der die Saiten gezupft werden – sein Spiel so facettenreich klingen, als stünde eine ganze Band auf der Bühne.

„Talking ‘bout my guitar“, ein Song von Herrmanns neustem Album „Last Exit Paradise“, handelt von der Bindung zwischen ihm und seinem wichtigsten Instrument. Die Beziehung zwischen Gitarre und Künstler sei vergleichbar mit einem Tango, sagt er. Jede Bewegung ist einstudiert, Mensch und Musik verschmelzen zu einer Einheit – und die Leidenschaft für spanischsprachige Klangwelten hat den Rheinhessen bis heute nicht losgelassen.

Schon in seiner Jugend hatte Herrmann für zwei Jahre Spanisch gelernt und seine Sprachkenntnisse jüngst noch mal aufgefrischt. „Por el bien de Los Niños“ ist eigentlich eine Parodie des aus dem Frankfurter Raum stammenden Badesalz-Komikers Gerd Knebel alias Gerdo Sintrenza. Doch wenn Herrmann die andalusischen und maurischen Klänge interpretiert, ist von einem hessischen Schliff nichts mehr zu spüren. Eine Flamenco-Karriere strebt der begnadete Gitarrist trotzdem nicht an. Zwar gibt es einige Gemeinsamkeiten zwischen dem immateriellen Kulturerbe aus Südspanien und dem amerikanischen Blues – so leben beide Stile von perkussiven Elementen, also dem „Klopfen“ auf den Gitarrenkörper –, aber die rhythmischen Anschläge des Flamenco gelten als komplexer.

Mit viel Gefühl gedenkt er seinen Eltern

Gefühlvoll wird es, als sich Herrmann an den Flügel setzt. Drei Songs hat er auf Klavier geschrieben, „Wie ein Leuchten in der Ewigkeit“ ist einer davon – und der einzige auf Deutsch. Das Musikstück ist seinen 2018 verstorbenen Eltern gewidmet. Es ist ein Lied über Vergänglichkeit und das Gefühl der eigenen Endlichkeit. Doch niemals geht man so ganz. „Sie sind nie wirklich weg, weil sie mich bis heute prägen“, sagt Biber über seine Eltern.

Mit „Shake, Rattle and Roll“ von Bill Haley liefert Herrmann einen Boogie als Schlussakkord. Aber in den Vereinigten Staaten, der Wiege des Blues, war der Gitarrist noch nie. „New Orleans würde ich gerne einmal erleben“, erzählt Biber auf Nachfrage. Denn während der Corona-Pandemie beschäftigte er sich intensiver mit dem Klavierspiel, experimentierte mit neuen Songs und widmete sich dem Boogie.

Nur das Land der unbegrenzten Möglichkeiten weiß noch nichts von dem Mann, der Genres sprengt. Doch die USA warten am anderen Ende des Ozeans. Wie ein Leuchten in der Ewigkeit.

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