Bensheim. Wo Walter Trout draufsteht, gibt’s die volle Packung Bluesrock. Auch mit 73 Jahren denkt der US-Amerikaner noch lange nicht ans Aufhören. Im Gegenteil. Er hat mit „Broken“ gerade das 31. Album in seiner langen Karriere herausgebracht. Das sprüht nur so vor Energie. Davon konnten sich jetzt auch die Besucher im mit 500 Fans sehr gut besetzten Musiktheater Rex in Bensheim überzeugen.
Dass der Mann aus New Jersey als einer der besten Gitarristen überhaupt gilt, in Fachkreisen vielfach in einem Atemzug mit Eric Clapton oder Jimi Hendrix genannt wird, zeigt er an diesem Abend von Anfang an. „I can tell“, ein Bo-Diddley-Cover, geht ab wie die Feuerwehr. Im Mittelpunkt hier wie beim restlichen Konzert: Trouts Gitarre. Die lässt er jaulen, jammern, krachen.
Der Bluesrock-Mann arbeitet über eineinhalb Stunden wie ein Berserker auf der Bühne und verausgabt sich völlig. Kein Vergleich zu anderen seines Alters, die schon im wohlverdienten Musiker-Ruhestand sind. Vor zehn Jahren hätte er selbst nicht mehr daran gedacht, jemals wieder live spielen zu können, blickt Trout zurück.
Er litt unter einer unheilbaren Lebererkrankung und brauchte eine Transplantation. Deshalb auch sein Aufruf, sich als Organspender zu registrieren. Mit den folgenden Einspielungen „Battle Scars“, „Survivor Blues“ und „Ride“ arbeitete der 73-Jährige nach seiner (musikalischen) Wiederauferstehung die schwere Zeit auf, als er acht Monate im Krankenhaus lag, das Singen und Gitarre spielen verlernt hatte.
Davon ist jetzt nichts mehr zu spüren. Das kommt nicht nur in der neuen Platte zum Ausdruck, von der gleich fünf Songs zu hören sind. Sehr eindrucksvoll und autobiographisch ist der Titeltrack, dem Trout einige Worte widmet. Denn der Name bezieht sich auf seine Jugendzeit, als er „broken“, ein gebrochener Mensch mit vielen Lastern war. Für die Einspielung gewann er Beth Hart als Gesangspartnerin.
Die Lust am Spielen ist ihm in jeder Minute anzumerken, egal ob seine Finger nur so über die Saiten fliegen oder bei „Follow you back home“ das Tempo etwas zurückgenommen wird. Walter Trout lebt seine Musik mit jeder Faser, geht in ihr auf und lässt die Menschen an der Freude darüber teilhaben. Der volle, fette Bluesrock-Sound begeistert die eingeschworenen Fans. Dazu kommt seine raue Shouter-Stimme.
Beim begnadeten Gitarristen sitzt jeder Ton. Schließlich kann er bereits auf eine über 50-jährige Karriere, etwa mit John Lee Hooker, Canned Heat oder John Mayall’s Bluesbreakers zurückblicken. Den Boogie-Meistern ist das Stück „Bleed“ gewidmet, das auf Anregung seines Drummers Michael Leasure entstand. Der ist mit wallender grauer Mähne und ebenso grauem Bart ein Hingucker für sich.
Neben eigenen Stücken spielt er auch gerne eine Hommage an Bluesgrößen wie etwa Floyd Lee oder die Alabama State Troopers. Dabei kann er sich auf seine Top-Mitmusiker verlassen, die mit viel Spaß bei der Sache sind. John Avila (Bass) und Bob Fridzema (Keyboards) hauen rein, was das Zeug hält. Gerade letzterer ragt immer wieder durch seine Piano- und Hammond-Klänge heraus.
Mit Fridzema liefert sich Trout immer wieder ein musikalisches Battle. Mächtige Songs durchdringen den Saal bis in den letzten Winkel. Da stehen Profis auf der Bühne, die sich nichts beweisen müssen, weil sie es einfach können. Das überträgt sich auch ins Publikum, das Trouts Soli frenetisch bejubelt. Die schüttelt er scheinbar so nebenher aus dem Ärmel.
„Courage in the dark“ passt in die heutige Zeit, meint Trout - es gilt, im Dunkeln Mut zu zeigen. „I’ve had enough“, auf der Platte mit Dee Snider von Twister Sister eingespielt, und „Talkin’ to myself“ komplettieren die Songs aus seiner neuen Scheibe.
Diese Songs sind teilweise von Wehmut durchzogen, zeigen aber durch die alterweise Betrachtung Zuversicht und sind musikalisch ein Knaller. Dass der 73-Jährige voll im Saft steht, wird auch an den hervorragenden Reaktionen auf seine 31. Veröffentlichung deutlich.
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