Die „Sichelhenk“ war seit altersher ein landwirtschaftliches Fest am Ende der Getreideernte. Nach extrem mühsamer sommerlicher Arbeit war man froh und glücklich, wenn die Ernte eingebracht und damit das Überleben für den kommenden Winter gesichert war. Die Arbeit mit Sichel oder Sense war abgeschlossen und sie konnte nun „gehenkt“ werden, das heißt aufgehängt werden. Das Wort henken ist uns sprachlich nur noch durch den Henker vertraut, der normalerweise mit dem Strang getötet, also gehenkt hat. Aber althochdeutsch steht es einfach für hängen. Wir hängen etwas an den Nagel, wenn etwas geschafft oder zu Ende ist. Die Bezeichnung „Sichelhenk“ für das Erntefest war auch in anderen Dörfern und Ortschaften im Ried gängig. In Schwanheim ist der älteste nachweisbare Beleg dank einer Anzeige im „Bergsträßer Anzeigeblatt“ am Sonntag, dem 20. August 1871 zu finden, also vor genau 152 Jahren.
Das Fest beginnt heute Abend um 18 Uhr mit Biergarten, Musik und Einholen der Erntekrone. Morgen fällt es auf den Tag genau wieder auf einen Sonntag, den 20. August. Durch die Kriegszeiten wurde es nicht durchgängig gefeiert und erst nach dem 1. und 2. Weltkrieg ist es wiederaufgelebt, als sich die Zeiten jeweils normalisiert hatten. Infolge der landwirtschaftlichen Veränderungen durch Motorisierung und die Aufgabe vieler Höfe geriet es in den 1960er Jahren in Vergessenheit. Ende der 1970er Jahre initiierte der damalige Ortsvorsteher Willi Hölzel die Sichelhenk als gemeinsames Fest der Vereine, das zum ersten Mal 1980 begangen wurde. Seitdem gehört auch der sonntägliche Gottesdienst zum Programm, den ich morgen als neuer Pfarrer in Schwanheim zum ersten Mal feiern darf und der um 10.15 Uhr im Dorfgemeinschaftshaus beginnt. Es regt uns dazu an, für alles zu danken, was uns an Gutem begegnet. Das sind ganz grundsätzlich die Nahrungsmittel, insbesondere die, die unserer Gesundheit dienen, aber auch die Menschen, die uns positiv gesinnt gegenüberstehen und vieles mehr. Dietrich Bonhoeffer sagte einmal, dass erst die Dankbarkeit das Leben reich macht. In diesem Sinne macht der Glaube, der zur Dankbarkeit gegenüber Gott ermutigt, das Leben reicher. Und daraus entspringt eine tiefe Lebensfreude.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/zwingenberg_artikel,-zwingenberg-ein-erntedankfest-im-sommer-_arid,2116879.html