Zwingenberg. Vor Kurzem gab es eine Ausstellung der besonderen Art in der Remise am Alten Amtsgericht. Veranstaltet wurde das Event vom Arbeitskreis Asyl und Integration in Zwingenberg. Ausgestellt wurde eine Vielzahl an Kunstwerken unterschiedlicher Art. Das Hauptaugenmerk lag auf Tonarbeiten von Geflüchteten. Mit ihren Werken erzählen die Menschen ihre eigene (Flucht-)Geschichte und gestalteten mit der Tonarbeit etwas, das sie mit den Erlebnissen verbindet. Diese Geschichten sind fesselnd und traurig zugleich.
Mentale Verarbeitung durch Kunst
Dauit, ein Eritreer, der seit sieben Jahren in Deutschland ist, töpferte ein großes Boot und fasste seine Geschichte kurz damit zusammen. Seine Angehörigen und er sind mit einem Boot über Libyen nach Italien gekommen. Von dort aus ging es weiter nach Deutschland. Auf dem gefährlichen Weg der Flucht erkrankten vier Menschen aus der Gruppe und starben - und mussten zurückgelassen werden.
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Tetiana, eine geflüchtete Frau, hatte ihre Wünsche für ihr Leben im neuen Land niedergeschrieben. Sie hofft auf Frieden und Gesundheit für ihre Familie. Für ihre Tochter wünscht sie sich eine Ausbildung und ist glücklich, dass dies in ihrem Gastland möglich ist. Diese und viele weitere Schicksale wurden in den Tonwerken verarbeitet. Eine andere Geflüchtete töpferte ein Haus, neben dem ein Hund saß. Sie musste ihr Haus verlassen und damit auch ihren eigenen Hund auf der Flucht zurücklassen.
Trotz der vielen, bewegenden Geschichten, gab es auch Arbeiten, die Mut machten. Neben den getöpferten Kunstwerken hingen etwa Papiervögel aus bunter Pappe im Saal sowie Shirts mit selbstgestaltetem Batik-Muster, das ein schönes Bild und bunten Farbverlauf ergab. Auf einem kleinen Tisch waren Spiele ausgestellt oder Tafelbilder, die die deutsche Sprache näherbrachten.
Grenzen überwinden
Auf ein Holzbrett wurde eine Weltkarte gemalt, über die Grenzen dieser Karte wurden unterschiedliche Playmobil-Figuren mit einem Band gespannt, die sich miteinander verbunden fühlten und an den Händen hielten. Ein weiteres Brett zeigte viele bunte Hände mit dem Slogan „Ich bin Ich und Du bist Du – Gut so“.
Töpfermeisterin Elma Kieser bewahrte die Tonarbeiten vor der Vernissage bei sich auf und unterstützt das Projekt ehrenamtlich. An der Ausstellung künstlerisch mitgewirkt haben insgesamt 15 geflüchtete Menschen.
Harald Becker, ehrenamtlicher Betreuer der in Zwingenberg lebenden Asylsuchenden, eröffnete die zweitägige Ausstellung und betonte zunächst, worauf es ankomme bei einer erfolgreiche Integration von geflüchteten Menschen: „Sowohl Flüchtlinge, als auch die Aufnahmegesellschaft müssen einander offen gegenüberstehen und aufeinander zugehen, damit Integration gelingen kann“.
So ein Zusammenwachsen sei ein andauernder und sehr differenzierter Prozess. Die Abhängigkeit der Geflüchteten vergehe mit der Zeit, wenn man diese umfassend in allen Lebensbereichen teilhaben lasse. Integration sei dafür da, Separation aufzuheben. Deshalb wirke der Arbeitskreis Asyl und Integration Zwingenberg darauf hin, möglichst gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche, dauerhafte Eingliederung zu schaffen.
Becker begrüßte zudem Rebecca Opitz, Regionalbeauftragte Süd des Vereins Landesvereinigung Bildung Hessen, der Vernetzungs- und Beratungsangebote fördert. Ziel sei es, bestehende Kulturarbeit sichtbar zu machen, Akteure zu vernetzen und Impulse für gemeinsame kulturelle Bildungsarbeit zu geben, sagte Frau Optiz.
Viele Angebote für Flüchtlinge
Um gute Voraussetzungen für die Betroffenen zu schaffen, arbeiten viele Ansprechpartner in Zwingenberg mit dem Arbeitskreis zusammen. Beate Stein engagiert sich ehrenamtlich intensiv als Kunsttherapeutin. Die eigene Ausdrucksform wirke sich positiv auf den Integrationsprozess aus. Neben ihrer Aktivität im Arbeitskreis arbeitet Frau Stein auf der Palliativstation der Universitätsklinik Frankfurt als Kunsttherapeutin.
Ein weiteres Angebot ist die ehrenamtliche Sprechstunde in Zwingenberg. Diese findet jeden Mittwochmorgen statt und dient als Beratung für geflüchtete Menschen. Christiane Eichhorn, Koordinatorin der Flüchtlingssozialarbeit im Sozial- und Integrationsbüro der Stadt Groß Gerau, leitet diese Sprechstunde ehrenamtlich. Jeden Donnerstag gibt es zudem die Möglichkeit das Begegnungscafé zu besuchen.
Gerhard Harm trifft sich regelmäßig im Vereinsraum des Alten Amtsgerichts und bietet den Flüchtlingen Hilfe an. Sandra Ott vermittelt Frauen spielerisch die deutsche Sprache, um Freude am Lernen zu wecken. Eine kleine Gruppe engagierter Männer und Frauen organisiert Kochevents mit den Geflüchteten. Jeder Bürger, der Migranten unterstützen will, kann eine Patenschaft annehmen. Diese beinhaltet das Unterstützen bei Terminen oder Telefonaten, die Suche nach den richtigen Behörden und Formularen oder Hilfe beim Ausfüllen von Dokumenten. Auch die Migranten selbst könnten etwas zu den Fördermaßnahmen beitragen. Durch den Dialog mit Betroffenen solle es ihnen leichter gemacht werden, an ihren vorhandenen Fähigkeiten und Kompetenzen anzuknüpfen. Dadurch könnten sich später die Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern.
Zusätzlich könnten sich die Betroffenen durch den ständigen Austausch mit Helfern besser mit den Integrationsangeboten identifizieren. Sie sollten nicht als passive Hilfeempfänger, sondern als eigenverantwortliche und mitgestaltende Akteure angesehen werden. Zukünftig sei es noch immens wichtig, die Angebote schulischer Bildung auszubauen und die Flüchtlinge stärker in das Gemeindeleben einzubeziehen.
Ukrainische Klänge
Während die Besucher die ausgestellten Werke betrachteten, sorgten drei ukrainische Musiker für die musikalische Darbietung. Natalia Korchynska spielte Mandoline, Roman Taranov Gitarre und sein Sohn Liubomyr Taranov Kontrabass. Natalia Korchynska und Roman Taranov sind professionelle Musiker aus der Ukraine und Preisträger ukrainischer und internationaler Wettbewerbe. Auch Liubomyr, der die Liebe zur Musik von seinem Vater erbte, belegte wiederholt erste Plätze bei regionalen und ukrainischen Wettbewerben. Das Trio spielte überwiegend ukrainische Musik, mit Ausnahme eines bulgarischen Liedes.
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