Kultur

Auftakt Musik-Collagen: Mittelalterliche Lieder in neuem Glanz

Die Mezzosopranistin Sabine Lutzenberger und ihr Ensemble Per-Sonat boten in der Bergkirche in Zwingenberg einen beeindruckenden Start in die Konzertreihe.

Von 
Eva Bambach
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Beim Familienkonzert in der Katholische Kirche Mariae Himmelfahrt im Rahmen der Musik-Collagen drehte sich am Sonntag alles um Mozarts berühmte Oper „Die Zauberflöte.“ Das Münchener Ensemble „Musik zum Anfassen“ bekam dabei Unterstützung von Viertklässlern der örtlichen Melibokusschule. Die Musik-Collagen werden am Wochenende fortgesetzt. © Jürgen Strieder

Zwingenberg. Es hat sich schon herumgesprochen, dass es in Zwingenberg im Oktober hochkarätige, nicht alltägliche Musik zu hören gibt. Nun bereits zum vierten Mal – und der Auftakt zu den diesmal sieben Konzerte umfassenden Musik-Collagen muss schon als erstes Highlight gelten. Der veranstaltende Förderkreis Kunst und Kultur unter Leitung von Ulrike Fried-Heufel und Bürgermeister Holger Habich mit dem Darmstädter Cellisten Michael Veit als künstlerisch Verantwortlichem hatten zur Eröffnung und in Erinnerung an das in diesem Jahr zu feiernde 750. Stadtrechtsjubiläum Zwingenbergs die Mezzosopranistin Sabine Lutzenberger mit ihrem Ensemble Per-Sonat eingeladen.

In der locker besetzten Bergkirche lauschten die Zuhörerinnen und Zuhörer am Freitagabend Liedern von Hildegard von Bingen und Walther von der Vogelweide. Die durchdachte und mit großer Intensität vorgetragene Interpretation der auf mittelalterliche Musik spezialisierten Sängerinnen Karin Weston, Tessa Roos und Sabine Lutzenberger mit Baptiste Romain (Streichleier, Fidel, Dudelsack) begeisterte das Publikum, das sich mit einem großen Schlussapplaus bedankte.

Walther von der Vogelweide und Hildegard von Bingen

Mit Walther von der Vogelweide (gestorben um 1230) und Hildegard von Bingen (gestorben 1179) ging das Programm sogar noch einige Jahrzehnte vor das Jubiläumsdatum zurück – in eine Zeit, in der Zwingenberg zur Grafschaft Katzenelnbogen gehörte und schließlich hier eine Burg zur Kontrolle der Handelswege errichtet wurde – nicht auszuschließen, dass auch Walther von der Vogelweide einst hier durchgezogen ist.

An Originalquellen orientierte Interpretation

Anspruch des Ensembles ist die an den Originalquellen orientierten Interpretation. Die mit historischer Gewissenhaftigkeit erarbeiteten Stücke boten dem Publikum mit der Gegenüberstellung der liturgisch-geistlichen Musik der Hildegard von Bingen und der weltlichen, dem Liebeswerben gewidmeten Klängen des Minnesängers Walther von der Vogelweide einen gleichwohl abwechslungsreichen Einblick in die für heutige Hörer einerseits überaus fremde und vielleicht auch deshalb sehr faszinierende Welt jahrhundertealter Literatur und Musik.

Sabine Lutzenberger (Mitte) und Per-Sonat sangen Stücke von Walther von der Vogelweide und Hildegard von Bingen. © Thomas Zelinger

Doch gerade auch die Texte Walthers kamen mit ihrer Freizügigkeit und Unverblümtheit frisch und unverstaubt zum Tragen, zumal allen Zuhörern eine neuhochdeutsche Übersetzung der gesungenen Texte an die Hand gegeben wurde. Die Sängerinnen unterstützten mit einer dezent szenischen Mimik die Lebendigkeit und lyrische Spannung der durchaus auch von Witz und politischer Stellungnahme geprägten Lieder.

Wie die Lieder damals geklungen haben, kann nur in der Rekonstruktion erschlossen werden. Von Walther von der Vogelweide gibt es nur ein einziges mit Noten überliefertes Gedicht: Das im Rahmen der Kreuzzüge geschriebene „Palästinalied“ („Nû alrêst lebe ich mir werde“) wurde zwar nach dem Tod des Dichters, aber noch im Mittelalter notiert.

Auch der Teufel kam zu Wort

Hildegard von Bingen notierte ihre Kompositionen und lieferte damit immerhin handfeste Hinweise auf die vorgesehene Intonation. Die drei Sängerinnen brachten die große Schönheit dieser Musik zum Klingen, die von der Klage über tröstende Partien bis zur eindringlichen Warnung viele Nuancen entdecken und manchmal auch an expressionistische Musik des 20. Jahrhunderts denken ließ. Auch der Teufel kam zu Wort – mit der Stimme von Baptiste Romain in der Interpretation von Auszügen aus dem Mysterienspiel „Ordo virtutum“. Der an der Universität von Besançon Geschichte der mittelalterlichen Musik lehrende Musiker bot auf Nachbauten historischer Instrumente einen Eindruck vom rauen, konstanten Klang der Streichleier, dem warmen Ton der mittelalterlichen Fidel und dem markanten Charakter des Dudelsacks. Romain spielte dabei sowohl solistisch als auch begleitend.

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