Lorsch. Den Traum, eigenes Gemüse auf den Tisch zu bringen, können sich bald deutlich mehr Menschen als bisher erfüllen. Auch diejenigen, die weder einen Acker noch einen großzügigen Garten haben, können ernten. Die „Pflanzentheke“ aus Lorsch macht das möglich. Das Unternehmen entwickelt und vertreibt Farmen für den Obst- und Gemüseanbau. Angebaut wird vertikal – und das ist ungemein platzsparend.
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Das ist nicht die einzige Besonderheit: die Pflanzen brauchen außerdem keine Erde. Sie werden mit einer Nährlösung versorgt. „Man spart 90 Prozent Wasser“, sagt Dr. Michael Müller, der nun gemeinsam mit Dr. Julia Dubowy Vertretern der Wirtschaftsförderung Bergstraße um Geschäftsführer Dr. Matthias Zürker die Pflanzentheke und ihr Prinzip vorstellte. Mit der Information zum Wasserverbrauch rief er große Aufmerksamkeit hervor, mit der zu den Personalkosten gleichfalls.
Nicht jedes Gemüse eignet sich für diesen Anbau
Denn zu den weiteren Vorteilen des hydroponischen Farmsystems zählen neben Wasser- und Platzersparnis auch geringe Arbeitskosten. Sie sollen im Idealfall „fast Null“ betragen, berichtete Müller über ein weitgehend autark funktionierendes System. Per Hand bestücken, das Wachstum überwachen und die Theke gelegentlich reinigen, mehr ist nicht zu tun. Rückenschmerzen wie bei klassischer Feldarbeit sind Vergangenheit. Digitalisierte Prozesse können zusätzlich helfen.
Sehr viel weniger Pflanzenschutzmittel als in vielen landwirtschaftlichen Betrieben üblich benötigt das auf kleinem Raum in einem Stahlgestell in die Höhe wachsende Grün noch dazu. Schnecken müssen die erdlosen Pflanzen nicht fürchten.
Zugegeben, nicht jedes Gemüse eignet sich für diese moderne und ressourcenschonende Art des Anbaus. Das räumen die Unternehmer ein. Kartoffeln jedenfalls kamen in der Auflistung von Müller und Dubowy nicht vor, als sie von der Bandbreite der Anbaumöglichkeiten schwärmten. Mit Kürbissen sollte man wegen der Größe, mit Tomaten wegen der nötigen Halterung ebenfalls nicht anfangen. Aber Blattsalatarten sowie Kräuter gedeihen sehr gut, auch mit Kohl und kleinen Gurken erzielt man gute Ergebnisse, sehr gute auch mit Erdbeeren. Derzeit laufen Versuche mit Wasabi. Am Hanfanbau haben sie kein Interesse, so die Gründer auf Nachfrage: „Wir bleiben beim Salat.“ Dass die Erzeugnisse auch geschmacklich punkten, davon konnten sich die Besucher überzeugen.
Team der Pflanzentheke erhielt eine Einladung ins Schloss Bellevue
Die Palette der Möglichkeiten wird sich künftig erweitern können. Modelle mit flexibleren Abständen werden entwickelt. Das Interesse an der Theke wächst jedenfalls, wie Müller und Dubowy von Messebesuchen berichten. Im Juni sind sie zur „Woche der Umwelt“ in Berlin eingeladen, erzählen sie nicht ohne Stolz, ins Schloss Bellevue immerhin.
Bei der großen Fachausstellung geht es vor allem um Anregungen zur Klimaneutralität. Da ist die „Pflanzentheke“ genau richtig. Weil mit den Mini-Farmen Nahrungsmittel lokal produziert werden, verkürzen sich Lieferketten und Transportwege, unterstreichen die Lorscher den Aspekt Nachhaltigkeit: Lokale Produktion und lokaler Konsum.
Landwirte betrachteten Unternehmen wie die „Planzentheke“ nicht als Konkurrenz, heißt es von den Gründern. „Wir verkaufen Gemüse nicht selbst“, erinnern sie. Gerade die jüngere Generation zeige sich offen für neue Anbaumethoden. Man arbeite auch gut mit Agrarberatern zusammen und sei im eigenen Betrieb inzwischen dabei, personell aufzustocken. „Die Pflanze nimmt sich, was sie braucht“, erklärt Dubowy mit Blick auf das Kreislaufsystem. Der Salat wächst in der Theke sogar schneller als nach herkömmlicher Methode und es ließen sich bis zu 85 Prozent Düngemittel sparen. Die Pflanzen großflächig im Innenbereich unter künstlichem Licht zu ziehen, sei nicht das Ziel. Die „Pflanzentheke“ bevorzugt natürliches Sonnenlicht.
Team der Pflanzentheke arbeitet mit der ESA zusammen
Der Einsatz der Theken in unterschiedlichen Größen ist vielfältig. Der Betreiber eines Biergartens habe Interesse signalisiert, berichten die Unternehmer, Kunden mit Gewächshaus ebenso. Auch ein Automatenverkauf bietet sich an, Gemüse mit feuchtem Wurzelballen hält sich frisch. In Großraumbüros könnten Pflanzentheken als grüne Raumteiler funktionieren, jeder könnte sie daheim auf die Terrasse stellen.
Mit der ESA arbeite man zusammen. Weltraum und Gemüseanbau? Die Wetterdaten sind nützlich, erklärt Müller. Großes Plus der Pflanzentheke ist nicht zuletzt die Klimaresilienz und die Sicherheit, mit der modernen Weise, Lebensmittel auch bei Wetterextremen umweltschonend produzieren zu können
Die Pflanzentheke, zu der neben Müller und Dubowy noch Lasse Polsfuss und Leon Welker gehören, siegte beim Gründungswettbewerb 2023. Daran erinnert Wirtschaftsförderer Zürker, der das Unternehmen mit Sitz im Lorscher Daubhart einen „Gewinn für die Region“ nennt. Wasser und Fläche seien nirgendwo unendlich vorhanden. Er dankte „Microtech“ aus Fürth als Sponsor am Wettbewerb. „Weiter so“, lobt auch Bürgermeister Christian Schönung das Engagement. Derzeit arbeite man an einer Patentanmeldung, so die Lorscher Unternehmer.
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