St. Nazarius

Bischof spricht auch von den Ängsten vor der Pfarrei-Fusion

Gottesdienst mit Peter Kohlgraf / Bischof bittet die Lorscher und Einhäuser Katholiken, die Neustrukturierung mitzugehen

Von 
Nina Schmelzing
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Mit den Insignien wie Hirtenstab und Mitra war Bischof Kohlgraf in St. Nazarius präsent. Dort feierte er mit den Pfarrern Michael Bartmann (vorn) und Klaus Rein (sitzend) sowie vielen Katholiken aus Lorsch und Einhausen einen Gottesdienst. © Zelinger

Lorsch. Jede Menge tut sich derzeit in St. Nazarius. Die katholische Pfarrgemeinde Lorsch wird bis zum Jahresende bekanntlich mit St. Michael in Einhausen zu einer neuen Großpfarrei namens „Heilige Edith Stein Lorsch-Einhausen“ fusionieren. Die Verschmelzung der beiden Pfarreien gehört zu den ersten von zahlreichen weiteren Fusionen im Bistum, die nach dem Willen aus Mainz zu erfolgen haben. Weil sie zu den ausgewählten Pilot-Pfarreien gehören, haben die Pfarrer Michael Bartmann und Klaus Rein, ihre Mitarbeiter sowie die zahlreichen ehrenamtlichen Mitstreiter in dem komplexen Prozess besonders viel Arbeit und enorm viel zu bedenken – denn eine erprobte Anleitung gibt es naturgemäß noch nicht.

Das wurde auch am Wochenende deutlich, als der Mainzer Bischof in Lorsch zu Besuch war. „Auch wir im Bistum machen das zum ersten Mal“, erinnerte Peter Kohlgraf etwa in der gut besuchten Pastoralraumkonferenz im Paulusheim, bei der mehrere Ehrenamtliche die starke Belastung zur Sprache brachten. Auch manche unnötige „Zeitvergeudung“ wurde dabei kritisiert. Von Einhäuser Seite wurde außerdem mehrfach die Sorge zum Ausdruck gebracht, die kleinere Gemeinde mit rund 3000 Katholiken könnte vom größeren Lorsch aufgesogen werden.

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Anlass für den hohen Besuch war die Visitation des Bischofs, die regelmäßig alle vier Jahre ansteht. Kohlgraf nutzte seinen Aufenthalt diesmal dazu, das Gespräch auch mit den Bürgermeistern Christian Schönung und Helmut Glanzner zu suchen. Zudem schaute er sich den Kindergarten St. Nazarius an.

Dass er dazu allerdings fast normal gekleidet eintraf – und nicht etwa im Bischofsgewand mitsamt Zingulum und mit beeindruckender Kopfbedeckung, worauf die Kinder von Pfarrer Bartmann vorbereitet worden waren –, enttäuschte die jüngsten Lorscher etwas. Der Kindergarten St. Nazarius ist wie auch St. Benedikt ein Kindergarten in katholischer Trägerschaft und zudem die älteste Einrichtung ihrer Art in Lorsch.

"Große Umbruchbewegungen"

Mit der violetten Pileolus-Kappe auf dem Kopf sowie Bischofsmütze und Bischofsstab zog Peter Kohlgraf allerdings in den Gottesdienst ein, zu dem Gläubige am Freitagabend in der Lorscher Kirche eingeladen waren. Er habe in Lorsch und Einhausen „gute Gespräche“ geführt und einen „ehrlichen Austausch“ erleben dürfen, berichtete er im Rahmen seiner Predigt. Er sei dankbar „für jedes Engagement“.

Rom-Besuch der Lorscher Katholiken im ZDF zu sehen



Bevor der Bischof zur Visitation kam, waren Lorscher Katholiken gemeinsam mit Pfarrer Michael Bartmann in Rom. Die Ewige Stadt war Ziel der Pilgerfahrt Anfang Oktober. Geführt vom Lorscher Pfarrer, der die italienische Hauptstadt von rund 50 Aufenthalten bestens kennt und als seine zweite Heimat bezeichnet, genoss die mehr als 40 Personen umfassende Gruppe sechs spannende Aufenthaltstage – und kam sogar ins Fernsehen.

Denn die Lorscher weilten just zur Zeit der Weltsynode in Rom, über die auch in Deutschland berichtet wurde. Ein Kamerateam des ZDF fing in der Menschenmenge auf dem Petersplatz ausgerechnet die Lorscher Gruppe ein. Zuschauer an der Bergstraße staunten nicht schlecht, plötzlich bekannte Gesichter auf dem Bildschirm zu sehen.

Da viele Lorscher erstmals in Rom weilten, hatte Bartmann ein klassisches Programm zusammengestellt. Die vier Patriarchalkirchen San Paolo, San Giovanni, Santa Maria Maggiore und natürlich der Petersdom wurden besichtigt. Mit Rücksicht auf die Senioren – die jüngsten Teilnehmer waren Anfang 20, die ältesten über 80 Jahre alt – wurden kürzere Laufstrecken bevorzugt. 12 bis 14 Kilometer waren die Lorscher dennoch täglich unterwegs.

In der deutschsprachigen Kirche Santa Maria dell‘Anima feierte man einen Sonntagsgottesdienst mit. Auch das berühmte Pantheon, den Trevi-Brunnen und die Piazza del Popolo sowie die Piazza Navona lernten die Ausflügler natürlich kennen. Bartmann wollte den Lorschern aber nicht nur Kunstwerke und Sehenswürdigkeiten zeigen, sondern auch etwas davon vermitteln, wie Rom tickt. So bog man auch ab von den Touristenrouten, ging Cappuccino und Limoncello-Spritz dort trinken, wo auch Einheimische einkehren, kam mit ihnen ins Gespräch. Bartmann wusste nebenbei auch, wo es den besten Apfelstrudel gibt – bei einem Wiener Bäcker. Abends erfreute man sich auf der Hotelterrasse am Blick auf die Kuppel des Petersdoms.

Die Flugreiseteilnehmer kamen, sehr angetan von dem schönen und informativen Aufenthalt, alle wohlbehalten wieder in Lorsch an. Ein Lorscher „Römer“ hat bereits den nächsten Aufenthalt in der Ewigen Stadt gebucht, in der es stets Neues zu entdecken gibt. sch

„Große Umbruchbewegungen“ erfassten die Gesellschaft, auch die Kirche als Teil der Welt verändere sich, so der Bischof. Dass Kirche „nicht mehr der Kitt in der Gesellschaft“ sei, werde von vielen bedauert, nicht wenige seien von der Kirche „enttäuscht“. Auch die großen Parteien und viele Institutionen seien gerade dabei, neue Wege zu suchen, um die Gesellschaft zusammenführen. „Wir haben es mit großen Schwierigkeiten zu tun und wir packen sie an“, versicherte Kohlgraf.

Aufeinanderangewiesensein neu schätzen lernen

Es solle „nicht alles Alte vom Tisch“ gewischt werden, es sei nun die Aufgabe, „alte Schätze neu zum Strahlen zu bringen“. Das sei kein einfacher Weg, räumte der Mainzer Bischof ein. Er appellierte, „das Wesentliche nicht aus dem Blick zu verlieren“. In Bezug auf die vielen anstehenden Fusionen sagte Kohlgraf: „Wir streiten über Gebäude und andere Hilfsmittel“ – aber nicht über den Kern, denn „Sie alle bilden den Tempel Gottes“.

Auch auf die Sorge kleinerer Gemeinden, von großen Pfarreien „aufgefressen“ zu werden, ging der Bischof in seiner Ansprache ein. „Das ist nicht das Ziel“, erklärte er und forderte zu gegenseitigem Respekt und Wertschätzung auf. Auch ein Leib werde hilflos, wenn einzelne Glieder behaupteten, sie bräuchten die anderen nicht. Es werde Konflikte geben, räumte er mit Blick auf die Fusion ein. Auch von Druck und hohem Tempo, unter denen manche litten, wusste er. Selbst im Bistum würde nicht immer fehlerlos gearbeitet, gab er zu. Es sei wichtig, das Aufeinanderangewiesensein neu schätzen zu lernen.

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Kohlgraf betonte, dass der Prozess nicht mit der Fusion am 1. Januar 2024 zu Ende sei. Auch ein Bischof könne den notwendigen Weg der Neustrukturierung nicht allein gehen. Er bat die Gemeindemitglieder in Lorsch darum, mitzugehen.

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