Lorsch. Die „Sendung mit der Maus“ kennt jeder. Seit Jahrzehnten führt sie Kinder, aber auch viele Erwachsene, in ihren Sachgeschichten an spannende Themen heran und beweist, dass – bei guter Erklärung – nichts zu trocken für wissensdurstige Zuschauer ist. Selbst schwierigste Sachverhalte klammert die Maus nicht aus: Atomkraft etwa. Der Aktionstag „Türen auf mit der Maus“ ist gleichfalls längst ein Erfolg. Bundesweit war er jetzt wieder ein Publikumsmagnet. „Spielzeit“ lautete das Motto diesmal. Auch Lorsch gehörte zu den über 800 Adressen für die „Maus“.
Die Aktion ermöglicht Interessierten einen Blick hinter die Kulissen. Wer wollte, konnte zum Beispiel einen Zoo besuchen, ein Oberlandesgericht, eine Clownschule oder eine Stadtreinigung. In Lorsch ging es natürlich ins Klostergelände. Dort gab es verschiedene Mitmach-Angebote der Museumspädagogik – die insgesamt sechs Termine waren schnell ausgebucht.
Wurden Mönche beim Würfel- oder Kartenspiel erwischt?
Die Teilnehmer bekamen eine Menge Informationen über das Leben im Kloster und erfuhren nebenbei, dass auf dem Lorscher Areal wohl auch gespielt wurde. Archäologen haben jedenfalls Würfel gefunden, und zwar in der Latrine.
Ob die Benediktinermönche sich heimlich die Zeit auf dem stillen Örtchen damit vertrieben oder ob sich Kinder damals mit den Würfeln vergnügten? Das ist unbekannt. Ebenso offen ist die Frage, ob die Würfel versehentlich in der Latrine landeten oder die Spieler sie aus Angst, bei einer unerwünschten Tätigkeit erwischt zu werden, schnell in die Grube warfen. In anderen Klöstern wurden im Bereich der Kloake auch Spielkarten entdeckt, berichtete Museumspädagogin Berenike Neumeister.
Münzen ersetzten Spielfiguren
„Kinder hatten damals nicht viel zu sagen“, erinnerte sie die Zuhörer an die Zeit vor mehr als tausend Jahren. Kinder mussten oft arbeiten. Manchmal werden sie und die Erwachsenen aber auch gespielt haben. „Rundmühle“ zum Beispiel. Die Anleitung für dieses Mühlespiel, das aus der Römerzeit stammt, lag ausgedruckt in der Zehntscheune parat. Die „Maus“-Teilnehmer griffen dann zu den bereitgestellten Lederstücken und bastelten sich unter der Anleitung von Neumeister daraus selbst Beutel für die Münzen, die bei „Rundmühle“ einst als Spielfiguren dienten.
An der Welterbestätte können Interessierte auch unabhängig vom „Maus“-Aktionstag Workshops buchen, in denen sie das Fertigen der Lederbeutel lernen. Dann dürfen die Teilnehmer mit Hammer und Locheisen auch die Löcher für die Beutelschnur selbst stanzen. Die Beschriftung übernahmen die Kinder jetztunter anderem mittels Filzstiften. Anno dazumal hätten sie wohl auf Wachstafeln schreiben müssen, erst die größeren Kinder durften im Mittelalter mit Gänsekiel schreiben, berichtete Neumeister.
Zwei Türen weiter versammelte sich in der Zehntscheune eine „Maus“-Gruppe, um gemeinsam Bodenfliesen zu gestalten. Mit Museumspädagogen Florian Saum schauten sich die Teilnehmer zuerst den berühmten St. Galler Klosterplan an und entzifferten aufmerksam dessen Symbole. Im Kloster des Mittelalters gibt es viel mehr als nur eine große Kirche, staunten die Besucher über Küche und Vorratskammer, Kräutergarten und Friedhof, einen Schlafsaal mit mehr als 60 Betten, Waschraum, Kreuzgang sowie Bibliothek, Mühle, Bäckerei und Brauerei. „Die Mönche tranken Bier“,erinnerte Saum.
Auch Ställe für Pferde, Schweine und Rinder gehörten selbstverständlich zu einem mächtigen Kloster wie Lorsch dazu – und damit auch Räume für Knechte und Mägde, die sich um diese kümmerten.
Florian Saum hatte eigens für den „Maus“-Aktionstag eine fast unversehrte Original-Fliese aus dem Depot geholt, die von Archäologen aus dem Lorscher Boden ausgegraben worden war. Zusätzlich zeigte er mehrere Fragmente. Alle Fliesen waren mit einem Blütenblatt-Muster geprägt, das auf den ersten Blick einfach und unspektakulär aussah. Als die Kinder aus Papier gefertigte Kopien der Fliesen auf dem Boden aneinanderlegten, entstand daraus aber ein großes Flächenornament mit nun kunstvoll ineinander verschlungenen Kreisen.
Die auf diese Weise gelegten Fliesen bewirkten, dass sich ein schlichter Raum in einen edlen Raum verwandelte, stellte die Runde fest.
Dem „Geheimnis der Fliesen“, wie Saum erläuterte, näherten sich die Kinder anschließend auch, weil sie diese mit detektivischem Spürsinn untersuchten. Die Tatsache, dass eine der Kacheln eine verblasste, ausgetretene Ornamentik aufwies, ließ darauf schließen, dass sie an einer Stelle verlegt war, über die oft Menschen unterwegs waren – eher in der Mitte der Kirche also als am Rand eines wenig genutzten Raumes.
Schwarze Punkte stammen nicht von schmutzigen Schuhen
Schwarze Punkte auf einer anderen Kachel könnten ein Hinweis sein auf schmutzige Schuhe sein, meinte ein Kind. Wahrscheinlicher ist aber, dass es sich um einen Schaden durch eine Brandstelle handelte, klärte der Museumspädagoge auf..
Florian Saum schnitt dann Ton scheibchenweise für alle zurecht, der von jedem Kind in Fliesen-Rahmen gedrückt wurde – mit ganzer Kraft: die Kinder durften sich mit den Füßen und ihrem vollem Körpergewicht auf die künftigen Kunstwerke stellen.
Wenn die Tonfliesen getrocknet sind, können sie bei langsam ansteigender Temperatur im Brennofen auf über tausend Grad haltbar gemacht werden und sind vielleicht auch für kommende Generationen noch interessant.
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